Filmer, Maler, Schriftsteller, Überlebenskünstler: Das alles war er, Herbert Achternbusch – und Unikat Münchens, wo er, wie nun bekannt wurde, bereits am Montag im Alter von 83 Jahren gestorben ist. Zuletzt wurde 2017 von ihm am dortigen Volkstheater „Dogtown Munich“ uraufgeführt, abermals ein Bekenntnis zu seiner Heimatstadt. Zuvor aber war es lange still um ihn.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte Achternbusch am Donnerstag als bayerischen "Heimatkünstler im allerbesten Sinne". Nicht nur seine Filme und Theaterstücke, Bücher und Bilder würden bleiben, "sondern auch seine Sponti-Sprüche, von denen manche fest in den deutschen Sprachschatz übergangen sind: `Du hast keine Chance, aber nutze sie´."
Achternbusch trieb Politiker, Gläubige und Nichtgläubige auf die Palme
In den 70er und 80er Jahren hat dieser Quer- und Sturkopf aus dem Bayerischen Wald Politiker, Gläubige und Nichtgläubige auf die Palme getrieben. Man denke nur an die aufbrausenden (Blasphemie-)Debatten um seinen Christus-Film „Das Gespenst“ (1982)! Könnte es nicht sein, dass jeder seinen eigenen Herrgott im Kopf hat? Wo doch eh das „ganze Leben einen ungeklärten Eindruck“ macht. Ein Leitsatz von Achternbusch. Wenn dem so ist: Was reden dann all die Logiker und Systematiker für einen Unsinn? Warum wollen sie partout die Welt kleinkriegen? Achternbusch hielt dagegen. Er schweifte ab, mäanderte, setzte an zum fantastischen Sprung. Wirbelte Absurditäten im Alltag auf. Und träumte. Achternbusch kam einem wild schäumenden Bachlauf gleich, der die „begradigten Gehirne“ durchspült.
Doch bereits 2013, zum 75., befragt, ob er nicht an Neuem arbeite, antwortete Achterbusch: „Ich liege seit drei Jahren im Bett.“ Die Beine wollen nicht mehr. Mit gewohnt grausamer Klarheit fügt er hinzu: „Ich geh nur noch zum Essen und zum Scheißen.“
„Nix ist besser als gar nix“, so lautete zuvor sein „bayrischer Zen-Satz“. Er rief seine berühmte Maxime in Erinnerung: „Du hast keine Chance, aber nutze sie!“ – Ausruf aus dem zweiten Film „Die Atlantikschwimmer“ (1975): Am Ende schlagen darin Wellen über Herbert zusammen. Doch er lässt sich nicht unterkriegen, streckt immer wieder die Arme empor. Letztes Bild: der Atlantik, darin Herberts kleiner Kopf. In diesem saß der Trotz. Sein erster Roman trug den bezeichnenden Titel „Die Alexanderschlacht“ (1971). Aber was heißt „Roman“? Und was war bei ihm ein Film? Jener „Atlantik“ lag im Voralpenland. Von München aus führte der Weg direkt nach Tibet. Oder: Bayern liegt am Nil. Die Welt war durchlässig. Ein Helles wurde zu Hellas, der Partisan zum Parmesan. Wüste und Wasser fließen ineinander wie das Einfache und das Komplizierte, wie Mensch und Tier. „Ich bin ein Schaf“, nannte Achternbusch 1996 seine „Memoiren“: „Meine Weide ist mein Leben, spärlich, kein Gras. Ein einsames Schaf ist allein. Kein Vorderschaf, also kein Herdentrieb, also keine Richtung …“
Achternbusch war sein eigener Hauptdarsteller
Wie die Erzählsplitter in alle Richtungen wiesen, so anarchisch schlängelten sich all die Theaterstücke, all die Filme. Achternbusch, der Regisseur, war sein eigener Hauptdarsteller, war Lehrer, Bademeister, Polizist, Schriftsteller, Indianer, Regisseur, Säufer, Depp, Gespenst, Waldler … Stets aufs Neue rannte hier einer gegen das eigene Unglück, gegen die öde Welt an. Das konnte auch nervig, wirr und plump, ja läppisch sein. Doch dann schlug wieder der vom Dilettantismus (im guten Wortsinns) gezündete Blitz ins vertraute Gebälk.
Bei Achternbusch häuften sich Katastrophenbilder. Nur noch das Saufen vermochte die Trauer wegzuschwemmen. Die Frage war: „Gibt es ein Leben vor dem Tod?“ So etwas wie ein „Andechser Gefühl“, die Hoffnung, dass man nicht allein ist? Der Tod war allgegenwärtig, das Leben eine Passion. Durch sie irrlichterte freilich jene Sehnsucht, die sich durchs Gestrüpp der Widerwärtigkeiten kämpft. Glück hieß Liebe. Und Liebe war eine Erscheinung, wie jene Frau in Weiß (gespielt von Margarethe von Trotta), die im VW den Andechser Berg hochfuhr.