Gedankenspiel: Wenn Sie denn könnten, welches geliebte Objekt würden Sie gerne wieder materialisieren? Die verlorene Lieblingsjacke, das erste Rennrad, die Puppe aus Kindheitstagen? „Prophet“ heißt das gemeinsame Werk des Autorinnenduos Helen Macdonald, bekannt geworden als „Habicht“-Expertin, und Sin Blaché. Und der Name steht in diesem Fall für eine Substanz, die dem Menschen genau das möglich macht: Nostalgische Erinnerungen in Materie verwandeln. Im Roman, der sich als wunderbar wilder Mix aus Politthriller, Sci-Fi, Horror und queerem Liebesroman manifestiert hat, ist dieser Stoff bereits in die Welt entwichen: Auf einer Wiese in England steht ein American Diner aus den 1950ern, die Musikbox dudelt, Stromanschluss aber gibt es dort nicht. Gemeinsam mit dem amerikanischen Elitesoldaten Adam Rubinstein soll der ehemalige MI6-Agent Sunil Rao der Sache auf den Grund gehen – man setzt vor allem auf Raos unglaubliche Eigenschaft, gefälschte Objekte zu erkennen. Das liest sich rasant, politisch aktuell – wer will das Rad noch mal in die angeblich bessere Vergangenheit zurückdrehen? –, gelegentlich aber beschleicht einen bei diesem von Ideen überbordenden Pageturner aber doch die Sehnsucht: nach ein bisschen weniger Stoff.
Sin Blaché/Helen Macdonald: Prophet. Aus d. Englischen von Thomas Gunkel. Hanser, 525 Seiten, 25,00 Euro.