Im Spiel um Macht und Thron gibt es mehr Verlierer als Gewinner. Das liegt in der Natur der Sache und hat sich im Laufe vieler 100 Jahre nicht geändert. Die Oper "Lessons in Love and Violence" zeigt in einem shakespearhaften Königsdrama, wie leicht die Lektionen in Gewalt doch weitergegeben werden. Die erst 2018 uraufgeführte Oper feierte nun Premiere am Theater Ulm.
Lessons in Love and Violence: Darum geht's
Derjenige, der die titelgebenden Lehrstunden in Liebe und Gewalt erteilt bekommt, schaut im Stück lange nur zu. Der junge Prinz lernt zunächst schweigend von seinem Vater, dem König, der über seine Affäre mit Höfling Gaveston sein Volk ganz vernachlässigt. Er lernt von seiner Mutter, die sich gegenüber dem leidenden Volk ebenfalls kaltherzig und verantwortungslos zeigt. Lieber lässt sie eine wertvolle Perle in Essig verätzen, als sie gegen Obdach, Nahrung und Feuerholz für die verarmten Bürger zu tauschen. Und der Prinz lernt von Mortimer, der als Berater des Königs bei diesem auf Granit beißt und deshalb selbst nach der Macht strebt. Den Jungen will er zum Marionettenkönig formen.
Viele Facetten von Macht und Gewalt
Immer wieder geht es in diesem Stück des Ernst von Siemens Musikpreisträgers George Benjamin und des Dramatikers Martin Crimp um Macht. Um die politische Macht im Land, aber auch um die zwischenmenschliche. Wer hat in der Beziehung zwischen Gaveston und dem König wirklich das Sagen? Und welchen Einfluss kann die gehörnte Königin Isabela noch nehmen am Hof?
Er verehre die menschliche Stimme, sagt Komponist George Benjamin. Die Sängerinnen und Sänger bekommen bei ihm Raum zu glänzen, gleichzeitig verlangt er ihnen stimmlich auch einiges ab. Es sind Herausforderungen, die der Ulmer Operncast aber durchaus zu lösen weiß. Dae-Hee Shin vollzieht eindrucksvoll die Wandlung vom leichtfertigen König zum gebrochenen Mann, der zu spät erkannt hat, wo seine Fehler lagen. Martin Gäbler brilliert als Gaveston. Maria Rosendorfsky (Königin) zeigt sich wieder einmal stimmgewaltig und schauspielerisch versiert. Markus Francke gibt einen rabiaten Mortimer und zeigt auch in dieser Rolle besonderen Körpereinsatz. Joshua Spink als junger Prinz darf zwar erst zum Finale richtig aufdrehen, doch da setzt er einen beachtlichen Schlusspunkt. Mit Maryna Zubko, Chiao Shih und Emanuel Pichler sind auch die Nebenrollen bestens besetzt.
Musikalisch setzt George Benjamin darüber hinaus auf ungewohnte Effekte, erzeugt immer wieder einen sphärisch anmutenden Klang, der auch die übernatürlichen Elemente der Handlung passend ergänzt. Das Cimbalom, eher seltener Gast Orchestergraben, darf, wie auch die Bassetthörner, in dieser Oper auch mal eine größere Rolle spielen. Unter der Leitung des 1. Kapellmeisters Panagiotis Papadopoulos haben die Ulmer Philharmoniker die Melodien Benjamins ausdrucksstark umgesetzt.
200 Kilo schwere Krone ist das Herzstück der Bühne
Bühnenbild und Ausstattung (Petra Mollérus) ergeben ein ästhetisches, stimmiges Gesamtbild - ein würdiger Hintergrund für zeitgenössische Oper. Dünne Gardinen hängen im halbrund um einen großen runden Tisch. Die große Krone - 200 Kilo schwer und durchaus eine Herausforderung für die Abteilung Bühnenbau, wie Intendant und Regisseur Kay Metzger verriet - greift die Form auf. Das übergroße Herrscheraccessoire ist das Herzstück der Bühne und kommt auf clevere Weise immer wieder zum Einsatz - symbolisiert etwa die erdrückende Verantwortung der Macht und wird auch zum Gefängnis.
Dem Publikum die Scheu vor zeitgenössischer Oper zu nehmen: Das ist ein Ziel von Intendant Kay Metzger. Mit "Lessons in Love and Violence" kann das durchaus gelingen. Mit einer Spielzeit von rund eineinhalb Stunden ist das Stück ein gut verdaulicher Happen. Die klare Sprache von Librettist Martin Crimp lässt das Publikum die Handlung leicht nachvollziehen und die gerade für zeitgenössische Kompositionen doch sehr harmonischen Melodien George Benjamins sind auch für sich genommen ein Hörerlebnis.
Komponist ist von Ulmer Inszenierung begeistert
Das größte Lob aus berufenstem Mund erhielt die Ulmer Inszenierung direkt am Premierenabend. Zu dem war der britische Komponist George Benjamin mit seinem Lebenspartner nämlich persönlich nach Ulm gereist. Nach der Vorstellung zeigte sich der Komponist tief bewegt und bedankte sich bei allen Mitwirkenden für eine wunderbare Erfahrung. "Es war wirklich unglaublich."