Klar, wenn irgendwo der Name Ten Years After auftaucht, fällt einem als erstes Alvin Lee ein. Er, der Gitarrengott, der viel zu früh im Jahr 2013 im Alter von 69 Jahren verstorben ist. Und natürlich er, der in Fachkreisen als schnellster Gitarrist der Welt galt. Einen Ruf, den er sich schon 1969 in Woodstock erworben hat, als er das Zehn-Minuten-Stück „I‘m going home“ in Hochgeschwindigkeit spielte. Lee war über viele Jahre Songwriter und Kopf der Band. Doch es gibt auch ein Leben nach Alvin Lee.
Ten Years After rocken das Augsburger Spectrum
Es war jedenfalls schon beeindruckend, was die vier Briten von Ten Years After kürzlich im gut gefüllten Augsburger Spectrum ablieferten. Das ist umso erstaunlicher, da mit den zwei Gründungsmitgliedern, Schlagzeuger Ric Lee (nicht verwandt mit Alvin Lee), Keyboarder Chick Churchill und Bassist Colin Hodginson (seit 2014) ein Trio am Start ist, dass im kommenden Jahr jeweils seinen 80. Geburtstag feiert.
Das Küken der Band, der 41-jährige Gitarrist und Sänger Marcus Bonfanti (seit 2014) ist außerdem für Ten Years After wie ein Sechser im Lotto. Die Schnelligkeit seines „I‘m going home“ mit der von Alvin Lee zu vergleichen, dürfte für das menschliche Auge kaum sichtbar sein. In der Szene gilt der vielfach ausgezeichnete Gitarrist schon lange als Geheimtipp. Bonfanti, der auch eigene Alben veröffentlicht, war als Begleitmusiker oder Teil einer Vorband unter anderem bei John Mayall, Ginger Baker, Beth Hart oder Eric Burdon schon im Einsatz.
Frenetischer Applaus für Chick Churchill und Ric Lee
Wer meint, Bonfanti könnte auch der Seniorenbetreuer des restlichen Trios sein, der wird schnell eines Besseren belehrt. Alle drei spielen im Laufe des Abends Soli, dass die Wände wackeln. Bei „Don‘t want you woman“ bekommt Chick Churchill frenetischen Sonderapplaus, wenn er feinfühlig die Tasten streichelt. Ric Lee wächst am Schlagzeug beim Instrumentalstück „The Hobbit“ über sich hinaus und garniert sein Solo dazu noch mit dem Led-Zeppelin-Klassiker „Whole lotta love.“
Und Colin Hodginson ist ohnehin eine Klasse für sich. Die Vita des Bassisten sagt dabei schon alles. Früher spielte er in der Band des legendären Alexis Korner. Er war Mitglied der „Spencer Davis Group“ und ein Jahr bei „Whitesnake.“ Selbst für Konstantin Wecker oder Peter Maffay hat der 79-Jährige schon gearbeitet.
Marcus Bonfanti ließ für kurze Zeit Alvin Lee wieder auferstehen
Vielleicht etwas ungewöhnlich, dass Ten Years After ihre Show mit „Land of the Vandals“ eröffneten. Der Song zählt eher zu den ganz späten Werken der Band und wurde auf ihrem letzten Studioalbum „A Sting in the Tail“ (2017) veröffentlicht. Aber bald spielte das Quartett die Songs, derentwegen der Großteil des vorwiegend älteren Publikums gekommen war. Aus ihren berühmteren Alben „Sssssh“, „Stonedhenge“ (beide 1969), „Cricklewood Green“ (1970), „Watt“ (1971) oder „Rock ’n’ Roll Music to the World“ (1972). Einen besonderen Charme hatte dabei der Acoustic-Teil, als sich alle vier Musiker an den Bühnenrand hockten und „Portable people“, „Don‘t want you woman“ und „Losing the dog“ spielten. Und natürlich die großen Kracher: „Love like a man“, „I say yeah“ oder als Zugabe das rockig-fröhliche „Choo Choo Mama.“
Höhepunkt des Abends aber wie schon erwähnt Bonfantis Version von „I‘m going home“. Tief in seinem eigenen Tunnel versunken, ließ Bonfanti für kurze Zeit Alvin Lee wieder auferstehen. Sein Übergang von „I‘m going home“ dann zu den Elvis-Stücken „Blue suede shoes“, „Hound dog“ oder „Shake baby shake“ war dabei schon genial. Nach 90 Minuten war dann Schluss. Nachdem die Band pünktlich um 20 Uhr begonnen hatte, war die Spielzeit des Quartetts in jeder Hinsicht altersgerecht.
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