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Taylor Swifts magische Eras Tour begeistert München

Konzert

Überwältigend: Taylor Swift verzaubert München

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    US-Superstar Taylor Swift singt vor 74.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion.
    US-Superstar Taylor Swift singt vor 74.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion. Foto: Ralf Lienert

    Show Nummer 131, München, Olympiastadion. Die Eras Tour von Taylor Swift läuft bereits seit März 2023, der Konzertfilm dazu war schon in den Kinos und ist im Streaming-Dienst von Disney ein Riesenerfolg.  Man könnte also meinen, dass sich das Ganze abgenutzt hat: natürliche Verschleißerscheinungen, schließlich wissen fast alle, die hinwollen, aus den sozialen Medien, was sie dort erwartet. Das Gegenteil ist aber der Fall: Der Rummel um Taylor Swift wird nur immer noch größer. „Servus München, schön euch zu sehen“, hören nicht nur die 74.000 Menschen im Olympiastadion, sondern auch Zigtausende auf dem Olympiaberg und dem Gelände darum. Ob davor oder ob drinnen, alle zelebrieren eine der größten Musik-Shows dieser Tage. Taylor erobert München.

    Wobei München nur der Ort auf der Landkarte ist, an dem die Swift-Gemeinde an diesem Samstagabend zusammenkommt und Messe Nummer 131 feiert. Die Swifties, so nennen sie sich, kommen von überallher, Freiburg, Köln, Finnland, Mexiko. Sie hören nicht nur die Musik des US-Superstars, sie leben mit ihr und haben sich im umfangreichen Werk der 34-jährigen Musikerin ein Zuhause eingerichtet, werden erwachsen mit den Stücken, finden zu eigenen Lebensphasen die passenden Swift-„Eras“.

    Das Olympiastadion bietet nun die Gelegenheit, sich am Kult zu beteiligen, Taylor Swift leibhaftig zu begegnen. Auch bei ihr gilt: Wer ihr nahe sein will, muss leiden – wie Jenny und Lena. Nummer 11 und 12 steht auf ihren Handgelenken. Aus Wien und Dresden sind sie angereist, gemeinsam haben sie es um sechs Uhr bis fast an den Anfang der Schlange geschafft. Der erste Fan, der morgens im Olympiapark war, hat ihnen mit Edding ihre Nummer zugewiesen. Ein internes System, mit dem die Swifties festlegen, wer zuerst nach vorn an die Bühne darf, wer Taylor aus der ersten Reihe erleben darf.

    Taylor Swift entfacht Begeisterung im Münchener Olympiastadion

    Hunderte Meter zieht sich die Schlange an wartenden Fans um den Olympiasee, es raschelt, funkelt und glitzert. Um sich vor der Hitze zu schützen, haben die Swifties Rettungsdecken über sich aufgespannt. Die Sonne brennt. „Es ist echt hart, wir trinken super viel“, sagt Jenny. Security-Mitarbeiter verteilen kostenlos Wasser. Selbst als alles ins Stocken kommt und droht, chaotisch zu werden, als es am Einlass wegen einer technischen Panne nicht vorangeht, bleiben die Swifties gelassen.

    Jenny (18) und Lena (19) waren schon um sechs Uhr im Olympiapark, um möglichst weit vorne zu stehen in der Schlange.
    Jenny (18) und Lena (19) waren schon um sechs Uhr im Olympiapark, um möglichst weit vorne zu stehen in der Schlange. Foto: Felicitas Lachmayr

    Jenny denkt schon weiter: „Ich habe Panik, im Stadion umzukippen.“ Die Hitze, die Menschenmenge, das Adrenalin, wenn Taylor die Bühne betritt. Fünfmal wollen Jenny und Lena ihr Idol live sehen, zweimal in München, dreimal in Wien. Was sie an Taylor fasziniert? „Ihre Songs“, sagt Lena. „Sie hat für jede Lebenslage das passende Lied.“ Dazu die „superliebe Fangemeinde“ und überhaupt, was Taylor da abliefere, dreieinhalb Stunden Live-Konzert mit Riesenshow. „Einfach mega“, sagt Jenny und wird plötzlich von drei Swifties umringt. „Wollen wir Bracelets tauschen?“ „Klar, sucht euch welche aus.“ Jenny hat einen Strauß an Freundschaftsarmbändchen dabei, handgefertigt aus Steinchen, Sternchen und Scrabble-Buchstaben. Mal erinnern sie an einen Taylor-Song, mal an eine „Era“. Monatelang hat Jenny daran gebastelt. „Das gehört einfach dazu“, sagt sie. „Jetzt müssen wir zurück in die Schlange, die anderen wollen auch mal in den Schatten.“ Schon schlüpfen Jenny und Lena unter dem Absperrband hindurch zurück unter die Rettungsdecke. Die anderen haben ihnen den Platz freigehalten. Oberste Regel unter Swifties: Niemand drängelt, niemand mogelt sich nach vorn. Sie passen aufeinander auf und unterstützen sich. Girlhood eben.

    Bei Konzerten im Olympiastadion lockt der Olympiaberg alle an, die kein Ticket haben. Von hier aus können sie mithören und mit Glück sogar ein bisschen sehen. So voll wie bei Taylor Swift ist es aber selten.
    Bei Konzerten im Olympiastadion lockt der Olympiaberg alle an, die kein Ticket haben. Von hier aus können sie mithören und mit Glück sogar ein bisschen sehen. So voll wie bei Taylor Swift ist es aber selten. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Auch an diesem Samstag im Münchner Olympiastadion werden mit Swifts Eras Tour Erinnerungen fürs Leben geschaffen. Wichtigster Bestandteil dafür ist ein Business-Deal der besonderen Art: Swift liefert die perfekte Show, die Swifties liefern das Herz. Dreieinhalb Stunden dauert das Spektakel, satte 45 Songs singt, spielt, performt Taylor Swift. Sie singt von sich und vom Leben und erfindet Geschichten auf Songlänge, sie rockt das Stadion und gönnt sich und ihrem Publikum kaum eine Pause. Es geht quer durchs Werk, Album für Album oder „Era für Era“, wie die Swifties es sagen würden. Für jeden ist etwas dabei, die meisten singen alle Texte inbrünstig mit.

    Sobald es dunkel wird, setzt die Lichtshow ein

    Zur perfekten Show gehört eine Compagnie an Tänzerinnen und Tänzern, kleine und große Choreografien, bewegliche Bühnenelemente, Rauch, Konfettiregen, ein Feuerwerk. Dazu gibt es eine ausgefeilte Lichtshow, sobald es dunkel wird. Die Menschenmenge leuchtet auch noch selbst in unterschiedlichen Mustern und Farben, ein jeder hat anfangs ein leuchtendes Armband bekommen.

    Swift ist eine gute Sängerin, eine gute Tänzerin und vor allem auch eine grandiose Geschichtenerzählerin, auch das erklärt ihren Erfolg. Detailliert durchdenkt sie sowohl die Texte als auch die dazugehörige Bühnen-Show, etwa bei „Fortnight“. Auf einem gigantischen Bett, in dessen Mitte ein Tisch steht, spielt Swift eine Szene mit dem Tänzer Jan Ravnik. Während Taylor über die Melancholie einer amerikanischen Kleinstadt singt, in der Träume platzen und die Realität oft bitter enttäuscht, sitzt sie ihm am Tisch gegenüber. Er tippt auf einer Schreibmaschine, beachtet Swift kaum. Erst als das Bett kippt und er hinunter „fällt“, versucht er vergeblich, seinen Weg zurück zu Taylor zu finden. Swift und Ravnik zeichnen das Bild einer verlorenen Liebe, die trotz aller Bemühungen nicht vergessen werden kann. Die Menge genießt den Song wie einen Kurzfilm mitten in einem Konzert.

    Doch die perfekte Musik-Show, das können auch andere. Was bei Taylor Swift hinzukommt, ist diese enge Bindung an die Fans und deren außergewöhnlicher Umgang untereinander und mit ihr. Swifties verhalten sich freundlich und respektvoll, auch ihrem Idol gegenüber. Am Hotel, in dem Swift angeblich residiert, ist es am Samstag ruhig. Einige Paparazzi umkreisen das Luxushotel „The Charles“ unweit des Hauptbahnhofs. Nur zehn Swifties warten vor dem Eingang in der Hoffnung, Taytay, wie sie die Sängerin liebevoll nennen, zu sehen oder ein Autogramm zu bekommen. Ein Mädchen im pinkfarbenen Glitzerrock hält ein Plakat in der Hand, Marie hat einen Edding eingepackt, damit Taylor, falls sie kommt, auf ihrem Shirt unterschreiben kann. Die 29-Jährige ist aus Karlsruhe angereist, hat Taylors Musik schon als Teenager gehört. Ihr jetzt zu begegnen? „Wäre unglaublich“, sagt Marie. Ob der Superstar im Hotel ist? Der Portier lächelt und schweigt. Plötzlich ein Funkspruch, nutzt Taylor den Hinterausgang? Alle rennen ums Gebäude, niemand da. Maries Hände zittern leicht, es ist ihre einzige Chance, Taylor zu sehen, denn Tickets für das Konzert hat sie nicht mehr bekommen. Sie verfolgt die Show wie Tausende andere Fans vom Olympiaberg aus.

    Die Swifties gestalten den Abend im Olympiastadion mit

    Dort, wie auch im Stadion, gestalten die Swifties den Abend mit: Nichts zeigt diese aktive Interaktion zwischen Taylor und ihren Fans so gut wie die „Eras Tour Chants“ – also Sprechchöre – und andere Konzert-Rituale. Beim Lied „Delicate“ rufen die Swifties ihrer „Mother“, wie manche Swifties Taylor gerne bezeichnen, nach der ersten Strophe etwa „One, two, three, let’s go bitch!“ zu. Bei „willow“ verwandelt sich das Olympiastadion und der Hügel daneben in ein Lichtermeer. Die Fans haben Luftballons mitgebracht, die sie mit ihren Handy-Taschenlampen von unten anleuchten, und spiegeln die Choreografie auf der Bühne mit ihren gelb-orangen Kugeln.

    Auch auf dem Olympiaberg ist die Stimmung gigantisch, Swifties liegen sich in den Armen, singen und tanzen. Mütter sitzen mit Sektglas im Campingstuhl, Väter stützen ihre tränenverweinten Töchter, Pärchen blicken, eng umschlungen auf Decken, verträumt in Richtung Stadion. Es wirkt wie eine große Picknick-Party, bei der sich die Gäste nicht kennen, aber liebevoll verbunden fühlen. Sie sprechen dieselbe Sprache, kennen die Liedtexte und Chants, wissen, wann Taylor welches Lied spielen wird, wann sie die Arme schwenken oder auf einen Heiratsantrag hoffen dürfen. Und tatsächlich, als Taylor „Love Story“ anstimmt, jubelt plötzlich der ganze Berg, nicht wegen Taylor, sondern weil ein Fan offenbar auf die Knie gegangen ist, um seine Liebe zu gestehen. Wie romantisch!

    Der Olympiaberg, ein Meer von Menschen im Zeichen von Taylor Swift.
    Der Olympiaberg, ein Meer von Menschen im Zeichen von Taylor Swift. Foto: Felicitas Lachmayr

    Mitten im Trubel erlaubt sich Swift einen Moment, die streng getaktete Show zu unterbrechen. Nach den letzten Tönen von „Champagne Problems“ sitzt sie still da und blickt in die Menge. Diese jubelt, grölt, klatscht und hört nicht mehr auf. Sind es drei Minuten, sind es fünf Minuten? Applaus und Jubel werden immer lauter, der Boden vibriert. Und Swift? Schüttelt ungläubig den Kopf, schaut ihre Fans mit großen Augen an, muss immer wieder lachen, nimmt sich ihre Kopfhörer aus dem Ohr, hört alles in voller Lautstärke. So viel Liebe, so viel Druck erträgt kein Mensch, auch nicht Taylor Swift. Sie lässt diesen ungezügelten Moment nur einmal am Abend zu. Vor über 100.000 Menschen im Stadion und außerhalb zu bestehen, dazu braucht es einen Schutzmechanismus. Swift hat ihn in der Perfektion gefunden. Sie kennt ihre Show in- und auswendig, jeden Schritt, jede Zeile, jede Ansage, alles. Und sie verfügt über die Gabe großer Künstler, über die Perfektion zur Freiheit zu gelangen. Das alles wirkt bei ihr nie aufgesagt und auswendig gelernt, sondern spontan und sympathisch, nahbar und zugewandt.

    Wie viele Menschen sie erreicht, kann man in München am Olympiaberg bemessen. Bei Live-Konzerten sitzen Fans oft dort oben, aber so voll wie an diesem Abend war der Hügel lange nicht. 40.000 Fans haben sich im Park versammelt, wird die Polizei am nächsten Tag verkünden. Taylor hätte das Stadion zweimal füllen können, an einem Abend.

    Damit sich ihre Shows voneinander unterscheiden, damit Eras Auftritt Nummer 131 etwas Eigenes wird, dafür ist auch gesorgt. Taylor Swift spielt bei jedem Konzert „Surprise Songs“ – Überraschungslieder. Für die Swift-Gemeinde jedes Mal ein Höhepunkt, die Überraschung, das Besondere, in München in Form von einem Mix aus „Fresh Out The Slammer“ mit „You Are In Love“ sowie „Ivy“ mit „Call It What You Want“. Diese Songs sind ein Liebesbeweis an besonders treue Swifties, denn diese Lieder sind nicht ansatzweise so bekannt wie ihre restliche Setliste. Gleichzeitig sind die Surprise Songs ein willkommener, kleiner Kratzer in der perfekten Show. Als Swift am Klavier anfängt, „Ivy“ zu singen, vergreift sie sich im Ton. Kurze Pause – „manchmal trifft man nicht den richtigen Ton“, sagt sie ins Mikro. Die Menge lacht, Swift setzt neu an. Vergeben, vergessen.

    Als die Show vorbei ist, schlängeln sich die Swifties durch zu Boden gefallene Freundschaftsarmbänder, Heizdecken und Wasserflaschen in Richtung Ausgang. Unter ihren Füßen platzen übrig gebliebene Luftballons, ansonsten ist es ungewohnt still im Olympiastadion. Die Knie schmerzen, die ein oder andere Träne fließt, die Herzen hämmern noch ganz wild. Und trotzdem blickt man rundum in strahlende Gesichter: Taylor hat München erobert.

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    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    Taylor Swift ist wohl für einem Teil der Jugend zur "Religion" geworden, nach der sie sich orientieren können.

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