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Strauss' "Capriccio" in Salzburg: Wort oder Musik – was siegt?

Salzburger Festspiele

Was ist mehr wert? Das Wort oder die Musik? Strauss‘ „Capriccio“ bei den Salzburger Festspielen

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    Mika Kares (Mitte) singt den Theaterdirektor La Roche in Richard Strauss‘ Oper „Capriccio“ - in einer konzertanten Aufführung bei den Salzburger Festspielen.
    Mika Kares (Mitte) singt den Theaterdirektor La Roche in Richard Strauss‘ Oper „Capriccio“ - in einer konzertanten Aufführung bei den Salzburger Festspielen. Foto: Marco Borrelli

    „Bei sanfter Musik schläft sich’s am besten“ befindet der Theaterdirektor – und dämmert zum Vorspiel der letzten Oper von Richard Strauss ein. Noch einmal, nach der „Ariadne“, nach der „Schweigsamen Frau“ pflegt der greise Komponist seine Selbstironie, seine Kommentierung schnöder Theaterpraxis, die geistreiche Anspielung auf die Musikhistorie. „Capriccio“ (1942) ist ein „Konversationsstück für Musik“ und auch ein Seminar zur französischen Theatergeschichte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Zentrum des zweieinhalbstündigen Einakters stehen eine ausgiebige ästhetische Debatte, ob dem Wort oder dem musikalischen Ton künstlerischer Vorrang gebühre, sowie Liebeleien in einem Schloss nahe Paris, wo sich Madeleine, eine Gräfin, zwischen zwei sie Anbetenden entscheiden soll: zwischen einem Dichter und einem Komponisten.

    Strauss‘ „Capriccio“ ist auch in Salzburg kein Thriller

    Dass sie es nicht tut, gibt dem Werk einen offenen Ausgang – und auch jener Oper, die zu schreiben und zu inszenieren der Dichter, der Musiker, der Theaterdirektor sich verabreden: eine Oper über sich selbst und die Gräfin. Wieder blitzt der Schalk bei Strauss auf: „Wenig Handlung…“ wirft bedenkend zunächst der Dichter ein. Aber natürlich wird er zur Feder greifen, er will ja aufgeführt werden…

    Nein, ein Thriller, wie er von Intendanten und Publikum geliebt wird, ist „Capriccio“ nicht. Auch im großen Salzburger Festspielhaus, wo das Werk jetzt einen Sommer lang halbszenisch gegeben wird, dürfte der eine oder andere Zuhörer eindämmern. Kein Thriller – was dann? Mehr ein Werk aus dem Elfenbeinturm, in den sich Strauss im Nationalsozialismus zurückzog. Kritische Anmerkungen zur Entstehung dieser sich auch selbst bespiegelnden Ästhetik-Diskurs-Oper in Zeiten eines von Deutschland angefachten und dann auch Deutschland zerstörenden Krieges, ertönen bis heute.

    Christian Thielemann dirigiert hier die Wiener Philharmoniker

    Aber musikologisch und theatergeschichtlich Interessierte,  also Feinschmecker, lieben das Stück mit seinen vielen Anspielungen, seinen Sottisen eines Adels, der so diskret nicht ist. Und Christian Thielemann, dem nun die Wiener Philharmoniker zu dirigieren aufgetragen war, liebt es erkennbar auch: Immer wieder legt er den Zeigefinger vor den Mund, dämpft, weicht ins Hohlkreuz zurück, geht gar tief in die Knie – stets „Achtung!“, „Vorsicht!“, „Fingerspitze!“ signalisierend. Warum er das tut? Um werkimmanent Wort und Ton in der Balance zu halten bis zum Finale, wo dann – „endlich“ mag mancher denken – im üppigen, melodienseligen Strauss-Abgesang-Ton geschwelgt wird. Nach  zweieinviertel Stunden Debatte und Liebes-Geplänkel kann Thielemann anfangen das zu tun, was ihm in guten Stunden gelingt: zaubern. Die hymnische Mondscheinmusik, dazu der Schluss-Monolog der Gräfin – mit seinen kompositorischen Querbezügen zur „Rosenkavalier“-Fürstin – geraten im ziselierten „Capriccio“-Silbergeschmeide zur diamantenen Kostbarkeit.

    Nicht zuletzt – vokal – durch Elsa Dreisig, die große, tragende, leuchtende Bögen zieht. Darstellerisch indessen ist sie noch ein wenig jung für die verwitwete Gräfin, die weniger schwärmerisch, stattdessen mit mehr Distinktion, Noblesse, quasi mit einer ständig leicht erhobenen Augenbraue ausgestattet sein sollte. Rundum eine sonore und theatrale Wucht: der Theaterdirektor des Mika Kares, ein autoritativer Bass-Brennpunkt im Kräftegeschiebe der Diskussion. Vortrefflich textverständlich zudem auch: Sebastian Kohlhepp als Musiker Flamand, Konstantin Krimmel als Dichter Olivier sowie Bo Skovhus als Bruder der Gräfin. Das Ganze: ein Gewinn – für Gourmets.   

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