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Foto: Jan-Pieter Fuhr
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Szene aus "Under The Tree's Voices" von Young Soon Hue am Staatstheater Augsburg.

Staatstheater Augsburg
27.03.2024

Wie ein Sturm: Ballettpremiere "Dimensions of Dance. Part 5" in Augsburg

Von Birgit Müller-Bardorff

Energiegeladen und unterhaltsam: Der neue Ballettabend "Dimensions of Dance. Part 5" mit drei Uraufführungen von Foniadakis, Lee und Hue am Staatstheater Augsburg.

Knackig frisch waren die drei Stücke, die das Publikum beim neuen Tanzabend "Dimensions of Dance. Part 5" des Staatstheaters im Martinipark serviert bekam: frisch, weil die Choreografen speziell für das Ballett Augsburg neue Stücke entworfen hatten. Frisch aber auch, weil Zuschauerinnen und Zuschauer beschwingt und bewegt den Theaterraum verließen. Was sicher auch der Live-Musik der Augsburger Philharmoniker unter der Leitung ihres Ersten Kapellmeisters Ivan Demidov zu verdanken ist. In Streicherbesetzung mit Unterstützung durch Klavier (im ersten Stück) und Cembalo (im zweiten) unternahmen sie einen furiosen Ritt durch die Musik Ludovico Einaudis, Antonio Vivaldis und Ezio Bossos.

Ludovico Einaudi und Tanz: Am Staatstheater Augsburg findet das zusammen

Vor allem ersterer lässt bei Musik-Kennern öfters die Mundwinkel nach unten gehen, verbunden mit der Einordnung "schlimmer Eklektizist" – also einer, der die Großen seines Metiers eher nachahmt und zu einem sich gefällig anhörenden Mischmasch vermengt, als einen eigenen Stil zu kreieren. Tatsache ist aber auch: Einaudi und Tanz, das passt bestens zusammen, wenn die fließenden Streicherklänge visualisiert werden, wie in Andonis Foniadakis Choreografie "Bond", zu deutsch Fessel, auch Verbindung oder Beziehung. 

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Foto: Jan-Pieter Fuhr
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Ballett am Staatstheater Augsburg: Szene aus der Choreografie "Bonds" von Andonis Foniadakis.

Foniadakis, der griechische Shooting-Star der Tanzszene, setzt seine weit ausholende Bewegungen in einen klar begrenzten Raum. Wie schwebend wirkt das graue Tanzteppich-Quadrat inmitten der Bühne, auf dem sich die sieben Tänzerinnen und Tänzer in puderfarbigen Pluderhosen schlängeln, biegen und ineinander verschränken, die Beine der Tänzerinnen in den Hebefiguren zum Spagat gedehnt werden und die Arme sich umfangen und in die Höhe gereckt werden. Ein chaotisches Kuddelmuddel, das mit choreografischer Präzision zu einer harmonischen Ordnung findet. Wie bei einem Räderwerk greift eines ins andere, und nicht nur das: Foniadakis setzt die schwelgerischen Klänge Einaudis um in eine höchst dynamische Bewegungssprache, und das Publikum geht atemlos von dem, was wie ein wilder Sturm über die Bühne fegt, in die erste Pause des Abends.

Einen faszinierenden Kontrast stellt auch Douglas Lee in seinem Stück "Automata" her: Zu Vivaldis leichtem, verspieltem Konzert für Mandoline und Streichorchester kreiert er reduzierte, eckig- automatisierte Bewegungen, die er zuweilen einfriert zu Standbildern oder in Slow Motion ablaufen lässt. Wie Aufziehpuppen messen seine Figuren in olivgrünen Overalls die Bühne aus, unter ihnen zwei künstliche Wesen, die zum Leben erweckt werden. 

Dimensions of Dance: Ironie und Doppelbödigkeit in Douglas Lees "Automata"

Was macht Menschsein aus und wie viel Identität können Maschinen entwickeln, das ist jenseits des "Coppelia"- Motivs angesichts des Voranschreitens künstlicher Intelligenz derzeit wohl ein beliebtes Sujet im Ballett, man denke nur an die Choreografie "Supermodified" von Mauro Astolfi zuletzt in der Brechtbühne. Doch Lee würzt seine Kreation mit Ironie und Doppelbödigkeit und zieht eine Ebene des Unbehagens dadurch ein, dass er Vivaldis Musik mit elektronischen Einschüben (Nicolas Sávva) erweitert. In ihren fleischfarbenen Ganzkörperanzügen entwerfen die beiden Automaten-Menschen (großartig: Terra Kell und Afonso Pereira) Körperstudien, die jedes Muskelspiel hervortreten lassen.

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War die Farbgebung bis dahin eher dezent, setzen die Kostüme, die für alle drei Stücke Bregje van Balen entworfen hat, für Young Soon Hues Stück "Under The Tree's Voices" farbige Akzente: In lila, türkisen, roten, schwarzen, weißen und braunen Anzügen tanzt das Ballett Augsburg die Hommage an den früh verstorbenen italienischen Bassisten, Komponisten und Dirigenten Ezio Bosso (1971 - 2020), dessen zweite Sinfonie dieser Choreografie Titel und Klang gibt. Zeitgenössisches und neoklassische Elemente mixt Hue zu ausdrucksstarken Soli, Duetten und Ensembleformationen. 

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Foto: Jan-pieter Fuhr
Foto: Jan-pieter Fuhr

David Nigro in Young Soon Hues Choreografie "Under The Tree´s Voices" am Staatstheater Augsburg.

Emotionsstark setzt Tänzer David Nigro Bossos Credo in seinem Solo in Schritte und Worte um: "Musik ist wie Magie – die Musik lehrt uns das Wichtigste, was es gibt: Zuhören". 

Das Ballett Augsburg hat zu neuer Form gefunden

Zuzuhören war jedoch das eine an diesem Abend – und man genoss es bei der bravourösen Leistung der Philharmoniker, ihres Dirigenten Ivan Demidov und der Solisten Szilvia Mikó (Piano/Cembalo), Agnes Malich (Solovioline) und Natalia Marashova (Mandoline). Das andere war das Schauen, das nicht minder Vergnügen machte angesichts einer Ballettkompanie, die zu neuer Form gefunden hat mit einem unterhaltsamen Abend auf hohem Energielevel, der das Publikum zu begeistertem und langem Beifall hinriss.

Die bisher disponierten Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

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