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Spielzeit 2020/21: Im Herbst geht’s wieder richtig los am Staatstheater Augsburg

Spielzeit 2020/21

Im Herbst geht’s wieder richtig los am Staatstheater Augsburg

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    Auch machbar in Corona-Zeiten: die Wiederaufnahme der Massenet-Oper „Werther“ am Staatstheater Augsburg.
    Auch machbar in Corona-Zeiten: die Wiederaufnahme der Massenet-Oper „Werther“ am Staatstheater Augsburg. Foto: Jan-Pieter Fuhr

    Samstagabend lief mal wieder „Wetten, dass…“. Wie sich’s gehört zur Prime Time um 20.15 Uhr, allerdings nicht im ZDF, und auch Thomas Gottschalk war nicht da. Dafür sah man den Theaterintendanten André Bücker in der Rolle des gut gelaunten Moderators. Kein Wunder, der als „große Samstagabend-Show“ angekündigte Livestream stammte aus dem Staatstheater Augsburg und hatte zum Ziel, den Spielplan für die Saison 2020/21 zu präsentieren unter dem augenzwinkernden Titel „Wetten, dass … wir spielen!“. Was sich natürlich weniger als Wett-Frage denn als Ermunterung versteht.

    Ein Spielplan in Zeiten der Pandemie: Unter welchen Bedingungen kann im Herbst, im Winter und im darauf folgenden Frühjahr Theater gemacht werden? Wie wirken sich die absehbaren Beschränkungen auf die Auswahl der Stücke aus? Wie gehen Distanzgebot und Kunstwille zusammen? Das war der rote Faden, der sich durch diese „Show“ zog und den Intendant Bücker, lässig im Schaukelstuhl lehnend auf einer hübsch hergerichteten Bühne im Martinipark, mit diversen Talk-Partnern aus den einzelnen Sparten immer wieder aufgriff.

    Doch zunächst blendeten die Gespräche noch einmal zurück zu jenen Tagen Anfang März, als dem gesamten Kunstsektor und damit auch dem Augsburger Theater schlagartig dämmerte, dass von heute auf morgen der Spielbetrieb eingestellt wird. Als die Neuinszenierung der Gounod-Oper „Faust“ buchstäblich vor der Premiere stand und abgesagt werden musste. „Das tut weh“, erinnert sich Musiktheater-Dramaturgin Sophie Walz. Oder eine frisch auf die Bühne gehobene Schauspiel-Uraufführung wegen Corona nicht über zwei Vorstellungen hinauskam.

    Ein Stück Ballettboden für jeden Tänzer

    Schnell aber hat man sich gefangen und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Ballettdirektor Ricardo Fernando erzählt, dass seine Tänzer für die Zeit der Quarantäne ein Stück vom Tanzboden des Ballettsaals nach Hause geliefert bekamen, um dort professionell weiterproben zu können. Und Philharmoniker-Chef Domonkos Héja berichtet, wie ihm die Idee kam, dass seine Orchestermusiker kleine Videos von sich aufnehmen und auf Youtube stellen sollten, um auf diese Weise den Kontakt zum Publikum zu halten.

    Überhaupt die Flucht nach vorne ins Virtuelle – wie so viele andere Theater haben auch die Augsburger aus der Not eine Tugend gemacht. Es gab neue Inszenierungen, die mittels Virtual-Reality-Brille allen Interessierten auf Anfrage nach Hause geliefert werden – eine Form des Theaters, die sich in der neuen Spielzeit zu einer regelrechten neuen Sparte auswachsen wird. Und nicht zuletzt erfolgte die Spielplan-Präsentation, showmäßig aufgepeppt durch Livemusik, Video-Einspieler, Grußbotschaften und nicht zuletzt Werbung, ebenfalls über einen virtuellen Kanal.

    Was das Musiktheater betrifft: Eine gestandene Oper mit zahlreichen Solisten, Chor und großer Orchesterbesetzung wird es 2020/21 in Augsburg nicht geben. Nicht zu machen bei den verordneten Abstandsregeln und Hygienevorschriften. Eine Oper wie Glucks „Orfeo et Euridice“ mit ihren gerade mal drei Protagonisten und kleinem Chor aber ist genau das Richtige für den Start der Saison im September/Oktober. Rossinis „Il viaggio a Reims“ verlangt überhaupt keinen Chor, während Strauss’ „Elektra“ konzertant gegeben wird. Insgesamt nur vier szenische Neuinszenierungen gibt es diesmal statt der sonst üblichen fünf – Folge des Problems, dass wegen der auch fürs Publikum geltenden Distanzregeln mehr Vorstellungen pro Stück gegeben werden müssen, um die Nachfrage erfüllen zu können.

    Stolz auf den Zuschlag für "Chicago"

    Unter den bis auf Weiteres geltenden Beschränkungen sind Aufführungen an der frischen Luft eigentlich ideal, und die Freilichtbühne besitzt in jedem Spielplan des Augsburger Staatstheaters Gewicht. Diesen Sommer jedoch muss das angekündigte Musical „Kiss me Kate“ ausfallen. Ersatz gibt es in Form einer Musical-Gala, und mächtig stolz ist man schon heute darauf, im Sommer nächsten Jahres „Chicago“ präsentieren zu können, wofür man, wie Intendant Bücker verrät, nicht so ohne Weiteres die Aufführungsrechte bekommt.

    Als die Pandemie kam, waren überall die Planungen für die kommende Saison schon weit gediehen. Musste wegen Corona also umdisponiert werden? Was das Schauspiel betrifft: kaum, sagen Lutz Keßler und David Ortmann vom Leitungsteam der Sparte. Ob Dürrenmatts „Physiker“, Neil LaButes „Die Antwort auf alles“ oder die Roman-Adaption „Wittgensteins Mätresse“, um nur drei Produktionen zu nennen: Thematisch würden diese und andere Stücke um Phänomene der Vereinzelung des Menschen kreisen, wie sie ja auch jetzt im Zeichen der Pandemie kollektiv erfahren werden. Die schon vor Corona getroffene Wahl erweist sich also als flexibel genug. Neu aufgenommen wurde lediglich ein für die Bühne zu bearbeitender „Zauberberg“ nach Thomas Mann.

    Vereinzelung, Rückzug auf das „Eigensein“ (wie das Spielzeitmotto lautet) – solches kennzeichnet auch das Programm des Augsburger Balletts, das sich zu Beginn der neuen Saison einen literarisch-musikalischen Klassiker des Zuückgeworfenseins auf sich selbst aneignen wird, Wilhelm Müllers/Franz Schuberts „Winterreise“.

    Kommt Mahlers bombastische 2. Sinfonie?

    Wo ein Sinfonieorchester zusammenspielt, sind per definitionem eine erkleckliche Zahl von Musikern nah beieinander. Jetzt aber müssen sie auseinanderrücken – mit klanglichen Folgen, die einer „akustischen Hölle“ gleichkommen, wie Augsburgs Generalmusikdirektor Domonkos Héja stöhnt, als er im Livestream von der Saisonplanung erzählt. Doch man wird in den kommenden Wochen und Monaten die Möglichkeiten ausloten, und der Orchesterchef ist sogar optimistisch, im Februar 2021 Mahlers bombastische Auferstehungs-Sinfonie dirigieren zu können. Einer, der gar nicht anders kann, als Optimismus zu verbreiten, der Klezmer-Klarinettist Giora Feidman, wird dann auch noch passend dazu mit einer Videobotschaft eingespielt. Im Sommer nächsten Jahres ist Feidman Solist bei den Philharmonikern.

    Nach drei sich dehnenden Stunden geht der Spielplan-Stream seinem Ende entgegen, nicht ohne – „Wetten, dass …“ – noch eine Wette zu formulieren: Nämlich dass es dem Staatstheater gelingen werde, Bayerns größten Online-Chor auf die Beine zu stellen, Teilnahme von jedermann erwünscht. An Ideen für neue Formen zur Erfüllung des staatstheaterlichen Auftrags mangelt es den Augsburgern jedenfalls nicht, der anfängliche Corona-Schreck ist dem puren Tatendrang gewichen. „Ein Theater, das nicht spielt“, lautet die feste Überzeugung von Intendant Bücker, „ist sinnlos“.

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