Es gibt Neues aus der Welt von „Game of Thrones“. Nein, nicht das seit Ewigkeiten erwartete sechste und vorletzte Buch der gleichnamigen Fantasy-Reihe von George R. R. Martin. Dieser ließ jüngst nur verlauten, dass er immer noch an dem sechsten Band schreibe und dabei immer wieder bemerke, dass sich der Stoff verändere, sodass er nichts mehr vorab veröffentlichen werde, bis „Winds of Winter“ endlich als Buch vorliege. Eine Aussage, die vermuten lässt, dass auch 2022 „Winds of Winter“ nicht erscheinen wird.
Diese Bücher der Reihe „Game of Thrones“ dienten als Vorlage für die Erfolgsserie des amerikanischen Streaminganbieters HBO. Als die Serie 2011 startete, veröffentlichte Martin gerade den fünften Game-of-Thrones-Band „A Dance with Dragons“, wieder ein mehr als tausend Seiten starker Wälzer. Damals dachte niemand, dass die Serienverfilmung den Autor einholen würde. Nur geschah genau das – mit einer verheerenden Wirkung. Denn als die Serienmacher tatsächlich vor dem Autor die Geschichte zu Ende erzählen mussten, brachten sie das ganze, anfangs so fein gesponnene Gefüge durcheinander, vergröberten die Handlung grotesk und enttäuschten mit ihrer finalen Staffel viele.
Die beiden Drehbuchschreiber und Produzenten der Serie – David Benioff und D. B. Weiss – haben sich mittlerweile vom US-Streaminganbieter HBO verabschiedet und sind – nach einem kurzen Zwischenspiel, das sie mit „Star Wars“ und Disney in Verbindung gebracht hat – bei Netflix gelandet. Deren Weggang hat aber HBO nicht daran gehindert, mit Zustimmung von George R. R. Martin etwas Neues aus dem Game-of-Thrones-Kosmos zu verfilmen. „House of the Dragon“ heißt die neue Serie, besteht erst einmal aus einer Staffel mit zehn Episoden, erzählt etwas von der Vorgeschichte der Handlung von „Game of Thrones“ und läuft in Deutschland ab Montag auf Sky an.
In „House of the Dragon“ geht es zurück in die Vergangenheit
Vorab waren sechs der zehn Episoden schon einmal für die Presse zu sehen. Sofort fällt auf, dass die neue Serie zu ihren Ursprüngen zurückkehren will, konzentriert erzählt, nah an den Personen bleibt, sich Zeit nimmt, Charaktere einzuführen, sie auch mit Leben zu füllen. Und: Das Figurenpersonal bleibt anfangs viel überschaubarer als in „Game of Thrones“, die Handlung dadurch konzentrierter.
Es geht zurück in die Vergangenheit, alles spielt 200 Jahre vor „Game of Thrones“. Die Namen der Adelsgeschlechter kommen einem bekannt vor: etwa die Lannisters, die Arryn, Hightowers – vor allem aber die Targaryens, unverkennbar mit ihrem weiß-blonden Haar. Sie, die die sieben Königreiche von Westeros vereint haben, regieren das Land auch mithilfe ihrer Drachen. Die Serie setzt ein, als der Adel von Westeros darüber entscheiden soll, einen älteren weiblichen oder einen jüngeren männlichen Thronanwärter zu favorisieren. Danach wurde Rhaenys in der Thronfolge übergangen und Viserys Targaryen an ihrer Stelle zum Herrscher ernannt. Nach diesem Vorspiel wird die Bürgerkriegsgeschichte erzählt, die als „Dance of the Dragons“ in den Geschichtsbüchern von Westeros erwähnt wird.
War es bei „Game of Thrones“ der Klimawandel, der im Hintergrund die Serie auch im Hier und Heute geerdet hat und aus der Serie mehr als nur Weltflucht gemacht hat, ist es hier der Kampf um Gleichberechtigung, der mitschwingt: Gegen alle Widerstände möchte Viserys Targaryen durchsetzen, dass seine älteste Tochter Rhaenyra ihm auf dem eisernen Thron nachfolgt und nicht sein Sohn aus zweiter Ehe – Aegon II. Targaryen. Man kann sich ausmalen, dass das nicht friedlich ablaufen wird.
Alte Erfolgsrezepte werden in „House of the Dragon“ übernommen
Um möglichst viele Zuschauerinnen und Zuschauer von „Game of Thrones“ dazu zu bewegen, nun „House of the Dragon“ anzuschauen, werden alte Erfolgsrezepte wieder übernommen: zum Beispiel die Filmmusik, die das prägnante alte musikalische Motiv nur leicht variiert. Dann auch wieder die offen dargestellte Sexualität, die in anderen Fantasy-Klassikern so nicht zu finden ist. Der Zynismus im Machtpoker und noch viel stärker als im Vorgänger die komplette Auflösung von Moral im Angesicht der Macht. Ein Eddard Stark, wie zu Beginn der ersten Staffel von „Game of Thrones“, ist weit und breit nicht auszumachen, also einer, der sich von Ehrgefühl und Rechtschaffenheit leiten lässt und dadurch im Ränkespiel am Königshof sein eigenes Grab schaufelt. Dafür findet sich die schockierende Darstellung von Gewalt und Gewaltexzessen wieder.
Macht, Heiratspolitik und privates Unglück – das alles wird in den ersten Folgen von „House of the Dragon“ schicksalhaft tragisch miteinander verstrickt. Die Moll-Akkorde und die Dissonanzen, die immer wieder von einem einsamen Cello musikalisch eingeworfen werden, lassen einen spüren, wie sich alles zu einem unlösbaren Knoten zusammenballt. Das lässt sich durchaus anschauen und versöhnt einen auch wieder mit der verfilmten Fantasy-Welt „Westeros“.
Allerdings wirkt das im Zugriff und Zuschnitt und Erzählen so ähnlich aufgebaut wie im Vorgänger, noch dazu mit dem Mangel, dass vor allem die originellen Charaktere wie zum Beispiel der kleinwüchsige Tyrion Lannister, um nur einen von vielen zu nennen, fehlen, sodass sich eine andere Frage einschleicht: die des Warum? Warum mehr vom selben, wenn es schon das zugegeben zum Ende hin immer schwächer werdende Original gibt? Aus marktwirtschaftlicher Sicht ist die Antwort völlig klar: Weil die Marke eingeführt ist, sich etabliert hat und zu einem Geschäftsmodell von Dauer entwickelt werden soll. Das geht in den meisten Fällen auf Kosten der Kreativität, weil die Stoffe einfach in Endlosschleife weitererzählt werden, einfach immer noch mehr vom selben bieten. Damit kommt das serielle Erzählen leider in gewisser Weise wieder dort an, wo es vor der Revolution, die mit den Sopranos eingesetzt hatte, stand: Stoffe werden nicht mehr mit einem großen Bogen auf ein Ende hin entwickelt und abgeschlossen. Nein, im besten Fall geht es mit ihnen immer und immer weiter, ganz ähnlich, wie es im Kino zu beobachten ist mit den Superhelden-Filmen von Marvel und DC oder den neuen Star-Wars-Ablegern.
Die Serie läuft ab 22. August auf Sky in Deutschland. Jede Woche erscheint eine neue Folge.