Er war der eiskalte Engel. Mit seinen feinen Gesichtszügen, den stahlblauen Augen und dem undurchdringlichen Blick schien ihm der Name wie angegossen zu passen, auch wenn der Originaltitel des Films in Frankreich nicht wie im Deutschen „Der eiskalte Engel“, sondern „Der Samurai“ lautete. Alain Delon gehört zu den Ikonen des französischen Kinos, obwohl seine glänzenden Zeiten lange zurückliegen. In den vergangenen Jahrzehnten erlebte man den Schauspieler, der auch einen Schweizer Pass besaß, vor allem als einen großen Einsamen.
Ideologisch war er in die Nähe der extremen Rechten gerückt und damit auf eine Weise zu einem männlichen Pendant von Brigitte Bardot geworden, seiner einstigen Filmpartnerin. Wie sie lebte er zurückgezogen, lediglich ein öffentlich ausgetragener Streit seiner Kinder Anthony, Anouchka und Alain-Fabien brachte seinen Namen zuletzt in die Schlagzeilen. Bei dieser Gelegenheit wurde bekannt, wie geschwächt er nach mehreren Schlaganfällen war. Nun ist Alain Delon im Alter von 88 Jahren „friedlich in seinem Haus in Douchy“ im Süden von Paris gestorben, wie seine Kinder am Sonntagmorgen in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten. Die Familie bitte „in diesem äußerst schmerzhaften Moment der Trauer“, ihre Privatsphäre zu respektieren.
„Melancholisch, beliebt, geheimnisvoll, er war mehr als ein Star: ein französisches Monument“, würdigte Präsident Emmanuel Macron den Schauspieler. Regisseur Volker Schlöndorff, mit dem Delon „Eine Liebe von Swann“ aus dem Jahr 1984 gedreht hatte, behält die „charismatische Präsenz“ des Schauspielers in Erinnerung. Delon sei in der Jugend ein unglaublich schöner Mann, aber später auch ein „sehr, sehr zwiespältiger“ Mensch gewesen. In Schlöndorffs Film verkörperte Delon einen homosexuellen Baron. Die italienische Schauspielerin Claudia Cardinale, an deren Seite Delon in „Der Leopard“ aufgetreten war, reagierte in der italienischen Presse emotional auf seinen Tod: Die Trauer sei zu groß. Der Tanz sei nun zu Ende, sagte die 86-Jährige. Tancredi sei aufgestiegen, um mit den Sternen zu tanzen. In dem Film von Luchino Visconti über den Niedergang der italienischen Aristokratie spielt Delon einen verarmten jungen Mann mit dem Namen Tancredi.
Der Filmhistoriker Jean-Michel Froton nannte ihn „eine einzigartige Figur des französischen Kinos der Nachkriegszeit, dessen Präsenz auf der Leinwand seinesgleichen suchte, jedenfalls bei den Männern“. In rund 90 Filmen hat Delon mitgespielt, darunter in Klassikern von Jean-Pierre Melville, Jean-Luc Godard oder Louis Malle. Seinen Durchbruch feierte er im Alter von 25 Jahren mit „Nur die Sonne war Zeuge“ und „Rocco und seine Brüder“. Mehrere Jahre lang bildete er mit Romy Schneider, die er 1958 bei den Dreharbeiten zum Film „Christine“ kennengelernt hatte, ein glamouröses Traumpaar, das Schönheit und Jugend verkörperte. Dreimal standen sie gemeinsam vor der Kamera, auch in „Der Swimmingpool“. Im September 2021, als die seit fast 40 Jahren verstorbene Schauspielerin ihren 83. Geburtstag gefeiert hätte, ließ Delon über einen Vertrauensmann eine Liebeserklärung veröffentlichen: „Meine Liebe für dich ist ewig, mein Puppele.“
Hatte Delon sein „Puppele“ einst für seine spätere Ehefrau Nathalie verlassen, so überdauerte die Verbindung zwischen Romy Schneider und ihm, den beiden schönen Unglücklichen, ihre Trennung. „Ich war für den Erfolg programmiert, nicht für das Glück. Das geht nicht zusammen“: Dieser Ausspruch von Delon hätte auch von Schneider sein können. Seine spätere langjährige Partnerin Mireille Darc, mit der er bis zu ihrem Tod 2017 befreundet blieb, bezeichnete ihn als „einsamen Mann“. Delons Sohn Anthony beschrieb in seiner Autobiografie „Zwischen Hund und Wolf“ die brutalen Wutausbrüche seines Vaters, der ihn „wie der Anführer in einem Wolfsrudel“ zu unterwerfen versucht habe.
Anders war die Beziehung zu seiner einzigen Tochter Anouchka, deren Mutter das ehemalige Mannequin Rosalie van Breemen ist und die für ein Stück mit ihm auf der Theaterbühne stand. Aus der Beziehung mit van Breemen ging außerdem der Sohn Alain-Fabien hervor. Bei einem heftigen Streit nach dem Weihnachtsfest 2023 zwischen den Brüdern und ihrer Schwester ging es um Eifersüchteleien und die Frage, wo der kranke Delon behandelt werden sollte. Anouchka lebt in der Schweiz – dort wäre die Erbschaftssteuer wohl geringer ausgefallen. Anthony Delon zufolge sollte sie allein so viel erben wie ihre beiden Brüder zusammen. Auch hatte Delon sie als sein erklärtes Lieblingskind zur Testamentsvollstreckerin gemacht und ihre eine führende Stellung in dem Unternehmen gegeben, das die Lizenzen und Werbeverträge ihres Vaters verwaltet.
Einen weiteren Sohn mit Vornamen Christian Aaron soll Delon mit der 1988 verstorbenen deutschen Pop-Künstlerin Nico, Sängerin der Band Velvet Underground, haben. Die Vaterschaft erkannte er jedoch nie an, im Gegensatz zu Delons eigener Mutter, die den Jungen aufzog. Im Mai 2023 starb Ari, wie er sich nannte, an einer Überdosis Drogen. Delon selbst sagte bereits 2008, das Leben bringe ihm nicht mehr viel: „Ich habe alles kennengelernt, alles gesehen… Ich weiß, dass ich diese Welt ohne Bedauern verlassen werde.“ Eine Welt, in der sich viele von ihm abgewandt hatten, auch weil er die Todesstrafe befürwortete und Homosexualität als „wider die Natur“ bezeichnete. Bei Delon, so Kinokenner Froton, gab es „diese Dunkelstellen, die auch außerhalb des Kinos auftauchen“: In seinen provokanten Aussagen spiegele sich demzufolge „eine selbstzerstörerische Facette dieser Persönlichkeit, die ein wichtiger Bestandteil seiner Aura als Schauspieler“ war.
Alain Delon verbrachte seine Kindheit im Gefängnishof
Lag der Ursprung für Delons Hang zur Isolation und seine düstere Weltsicht in seiner instabilen Kindheit? Geboren im Pariser Vorort Sceau als Sohn einer Apotheken-Angestellten und eines Kinodirektors, kam er nach der Scheidung der Eltern in eine Pflegefamilie. Der Ersatzvater arbeitete als Gefängniswärter in Frankreichs größter Justizvollzugsanstalt in Fresnes bei Paris. Dem Delon-Biografen Bernard Violet zufolge ging dessen spätere Faszination für das Gauner-Milieu auf diese Zeit zurück, als er „im Gefängnishof mit den anderen Kindern von Wärtern spielte, zwischen Polizisten und Gangstern“. Nach dem Tod der Pflegeeltern, mehreren Schulwechseln und einem Aufenthalt in einem katholischen Internat kehrte Delon zu seiner Mutter und dem neuen Stiefvater zurück, einem Metzger, bei dem er zeitweise arbeitete. Als besonders glückliche Zeit bezeichnete er seinen darauffolgenden Militärdienst im damaligen Indochina. Dort wurde er nach einem Unfall mit einem gestohlenen Jeep allerdings ausgeschlossen. Die Leidenschaft für Waffen behielt er seit dieser Zeit bei. Sogar Kontakte zur Mafia in Paris und Marseille wurden ihm später nachgesagt.
Zurück in Paris hielt sich Delon mit kleineren Jobs über Wasser und geriet über die Liaison mit der Schauspielerin Brigitte Auber in das Kino-Milieu – ohne schauspielerische Ausbildung, aber mit einem wichtigen Rat des Regisseurs Yves Allégret. „Ich konnte nichts. Allégret sah mich an und sagte: Hör mir gut zu, Alain. Rede, wie du mit mir redest. Schau, wie du mich anschaust. Hör zu, wie du mir zuhörst. Spiele nicht, lebe.“ Dass er dies befolgte, seine Rollen lebte und vor der Kamera seinem Instinkt folgte, habe seine Karriere erst möglich gemacht, sagte Delon selbst. Ein großer Erfolg war „Die Killer lassen bitten“, später folgten „Der Leopard“ und „Borsalino“. In Hollywood Fuß zu fassen, gelang ihm nicht, da drei dort gedrehte Filme wenig erfolgreich waren. Also kehrte er nach Europa zurück, wo er in den meisten seiner Rollen den Verführer, den Gangster oder auch den skrupellosen Killer gab, oft in Actionfilmen und Krimis. Etliche Auszeichnungen erhielt er, darunter 1995 den Goldenen Ehrenbären in Berlin, 2019 die Goldene Ehrenpalme in Cannes und bereits 1995 das Ritterkreuz der Ehrenlegion, Frankreichs höchste Auszeichnung.
Alain Delon: Im Tod vereint mit seinen treuesten Begleitern?
Ab dem Ende der 1980-er Jahre, als es mit seiner Karriere bergab zu gehen begann, nahm Delon auch Fernsehrollen an und trat 2008 selbstironisch in der Rolle von Julius Cäsar im Kinohit „Asterix bei den Olympischen Spielen“ auf. Zweimal arbeitete er selbst als Regisseur, produzierte rund 30 Filme, war darüber hinaus ein begeisterter Sammler und Verkäufer von Kunst und Tierbronze-Statuen, Weinen, Uhren und Waffen, brachte seine eigene Parfüm-Linie heraus. Auf seinem Anwesen im Loiret, im Zentrum Frankreichs, steht eine Kapelle, neben einem Friedhof für seine Hunde, seine „treuesten Begleiter“. Sich dort begraben zu lassen, war seit Langem sein letzter Wunsch.
Alain Delon RIP er hat zwei Leben gelebt.
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