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Salzburger Festspiele: Opernglück mit Tränen: Salzburg feiert die Grigorian

Salzburger Festspiele

Opernglück mit Tränen: Salzburg feiert die Grigorian

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    Asmik Grigorian in der Titelrolle von "Suor Angelica" bei den Salzburger Festspielen.
    Asmik Grigorian in der Titelrolle von "Suor Angelica" bei den Salzburger Festspielen. Foto: Apa / Barbara Gindl / Barbara Gindl

    Wann befinden sich Sängerinnen und Sänger auf ihrem Zenit? Mit Anfang 40? Dann wäre die Ausnahmeerscheinung Asmik Grigorian dort angelangt. Der litauischen Sängerin ist bei diesen Festspielen förmlich entgegengefiebert worden. Es war in Salzburg, im Festspielsommer 2018, als ihr als phänomenaler Salome der internationale Durchbruch gelang. Danach bewies sie an den großen Opernhäusern, dass sie auch in anderen Partien vollständig aufgehen und mit ihrem wandlungsfähigen Sopran glänzen kann.

    So sehr Regisseur Christof Loy und der musikalische Leiter Franz Welser-Moest im Vorfeld der Premiere von Giacomo Puccinis „Il Trittico“ erklärten, wie sie Puccini in ihrer Zusammenarbeit aus der Opern-Kitsch-Ecke holen wollten, dem Publikum ging es vor allem darum, Asmik Grigorian gleich in drei unterschiedlichen Partien an diesem Abend erleben zu können.

    Die phänomenale Bühnenpräsenz der Asmik Grigorian

    Denn Loy und Welser-Moest brachten für die Festspiele alle unter dem Titel „Il Trittico“ versammelten Puccini-Einakter auf die Bühne. Sie wählten für die Aufführung auch eine andere Abfolge. Für gewöhnlich endete – ähnlich wie bei den antiken Mysterienspielen – nach den beiden tragischen Werken alles mit einer Komödie. Diese, Gianni Schicchi, stellten Loy und Welser-Moest nun an den Anfang. Denn zum einen befürchteten sie, dass der komödiantische Teil nach der Selbstopferung der Titelheldin in „Suor Angelica“ abfallen könnte, was tatsächlich der Fall gewesen wäre. Zum anderen wollten sie das Publikum mit der Komödie erst einmal abholen. Der dritte Punkt – von beiden nicht genannt: In „Suor Angelica“ kamen Grigorians Spiel, Grigorians Gesang und ihre phänomenale Bühnenpräsenz voll zur Geltung. Auch das sprach eindeutig dafür, mit „Suor Angelica“ zu enden.

    In „Gianni Schicchi“ bekam Grigorian als Lauretta für die Arie „O mio babbino caro“ zwar großen Szenenapplaus, prägend war da aber vielmehr Misha Kiria, der in seinem Bariton mit komödiantischem Schmelz immer auch etwas Schlitzohriges mitschwingen ließ.

    Die drei Einakter, die thematisch in andere Richtungen zielen und auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, stellte Loy, der für seinen Minimalismus bekannt ist, in ihrer Unterschiedlichkeit dar. Erst ist es das Sterbezimmer von Gianni Schicchi, dann nimmt in „Il Tabarro“ ein Lastkahn ein Viertel der breiten Bühne ein, zum Schluss ist es ein hoher Aufenthaltsraum in dem Kloster, in dem Schwester Angelica zur Jahre währenden Buße gezwungen wird als Familienstrafe für ihr uneheliches Kind. Allerdings hat Loy für alle drei Einakter die Bühne in Guckkastenräume eingehaust. Der Mensch wird drei Mal in seiner Begrenztheit gezeigt. Außerdem ist drei Mal der Tod präsent.

    Als zweiter Teil von Puccinis "Il Trittico" wird "Il Tabarro" gegeben

    Im komödiantischen Auftakt ist das Familienoberhaupt Buoso Donati gerade gestorben, als die Familie erfährt, dass er den Großteil seines Erbes Mönchen vermacht hat, schlägt die Stunde von Gianni Schicchi. Weil der Tod von Donati noch nicht weithin bekannt ist, kann sich Schicchi mit dem Einverständnis der Familienangehörigen als Patron ausgeben und ein neues Testament aufsetzen. Womit diese nicht gerechnet haben: Ihre bauernschlaue Durchtriebenheit Schicchi setzt als neuen Haupterben Gianni Schicchi ein – und niemand kann dagegen etwas tun. Der Tod tritt hier aus Sicht der Erbenden nicht als das Mysterium des Endes entgegen, sondern nur als der Moment, in dem Vermögen umverteilt werden.

    Im zweiten Teil „Il Tabarro“ kommt der Tod doppelt vor: Giorgetta (Asmik Grigorian) und Michele (Misha Kiria) haben ihr Baby verloren. Das Paar, das gemeinsam von dem Lastkahn lebt, kann die Katastrophe aber nicht gemeinsam verwinden. Er sucht Halt bei den schönen gemeinsamen Erinnerungen zu dritt auf dem Boot, sie allerdings findet nur kurzen Trost bei Luigi (feurig Joshua Guerrero), der für Michele auf dem Boot arbeitet. Als Michele das durchschaut, ist es um Luigi geschehen, Michele macht kurzen Prozess mit ihm. Das Bühnenschiff, eigentlich ein Arbeitsgerät, wird symbolisch zum Totenschiff, das die Menschen ins Reich der Toten überführt. Reizvoll ist es zuzusehen, wie Grigorian und Kiria sich hier völlig anders geben: Kiria zunehmend verzweifelter, Grigorian schon mit den Momenten, die das Finale „Suor Angelica“ ganz bestimmen werden: als Gefangene des Schicksals.

    Auch dort tritt der Tod doppelt auf. Als Angelica nach sieben Jahren in klösterlicher Verbannung erstmals wieder Besuch von ihrer Familie bekommt, erfährt sie vom Tod ihres unehelichen Kindes, nachdem sie sich die ganze Zeit über verzehrt hat. Woraufhin Angelica sich aufmacht, ihrem Kind nachzusterben, sie sich vergiftet, um im Jenseits wieder vereint zu sein. Der Tod nun als Chance auf ein Glück, das es auf Erden nicht gab, eine Himmelfahrt also, die Loy in den Armen ihres Sohnes enden lässt.

    Die Salzburger Festspiele haben ein fürstliches Ensemble zusammengestellt

    Regisseur Loy drückt dem Abend seinen Regiestempel auf, in dem er alles Bühnengeschehen komplett in den Dienst von Wort und Musik stellt. Und genauso verhalten sich Welser-Moest und die Wiener Philharmoniker, die nie in den Vordergrund drängen und dennoch allem Fundament und Richtung vorgeben. Der „Schicchi“ schwingt, bei „Il Tabarro“ schwankt es, hier das derbe Schiffersleben, dort verstecktes Liebesglück, im Hintergrund lauert aber die Tragik, in „Suor Angelica“ öffnet sich musikalisch ein Tor in die Totenwelt. Dort, wo das Orchester nicht das Gesungene musikalisch unterstreicht, sondern die Handlung erzählt, etwa wenn das Testament von der Verwandtschaft gelesen wird, meint man den Text zu hören, auch wenn das nur Orchesterklang ist, so plastisch gestalten das die Wiener Philharmoniker – von Opernkitsch ist da nichts, aber auch gar nichts zu hören.

    Gesteigert wird die musikalische Glückseligkeit dadurch, dass in dem fürstlich großen Ensemble, das für die drei Einakter nötig ist, auch noch Stars wie Karita Mattila zu finden sind. Und die Grigorian? Reißt das Publikum mit in die Verzweiflung ihrer Angelica und rührt die Anwesenden zu Tränen. Woraufhin die Schmerzenskönigin dieses Abends, aber auch das komplette Ensemble, das Orchester und das Inszenierungsteam gefeiert werden. Bravos, Jubelrufe und später auch minutenlanger Stehapplaus.

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