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Romanverfilmung: Annie Ernauxs "Das Ereignis" blickt auf junge, starke Frauen

Romanverfilmung

Annie Ernauxs "Das Ereignis" blickt auf junge, starke Frauen

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    In "Das Ereignis" spielen (von links) Louise Orry-Diquero, Anamaria Vartolomei und Luana Bajrami.
    In "Das Ereignis" spielen (von links) Louise Orry-Diquero, Anamaria Vartolomei und Luana Bajrami. Foto: Prokino Filmverleih

    Anne (Anamaria Vartolomei) kommt aus einfachen Verhältnissen und ist die Erste in ihrer Familie, die ein Hochschulstudium aufnimmt. Im Frankreich des Jahres 1963 bekommt eine junge Frau wie sie nur selten die Möglichkeit, den Beschränkungen ihrer sozialen Herkunft zu entfliehen. Aber die Literaturstudentin gehört zu den Besten im Jahrgang und träumt davon, selbst Schriftstellerin zu werden.

    Die Kommilitoninnen kommen aus einer anderen, bürgerlichen Welt, in der Zugang zu universitärer Bildung selbstverständlich ist. Bevor es auf eine Party geht, albern die Studentinnen im Wohnheim herum, stopfen sich den BH aus, reden über Jungs und Sex, auch wenn es da an realen Erfahrungen fehlt. Schließlich ist eine junge Frau schnell als Schlampe verschrien und eine ungewollte Schwangerschaft wäre für sie, wie eine Freundin es ausdrückt, „das Ende der Welt“. Anfang der Sechziger wird die gerade erst freigegebene Antibabypille nur in Einzelfällen verschrieben und Abtreibung ist ein Straftatbestand, der mit mehrjähriger Gefängnishaft geahndet wird. Und so ist Anne, als ihre Periode ausbleibt, sofort klar, dass mit der Schwangerschaft auch ihre Zukunft auf dem Spiel steht. Aber die will sie sich nicht nehmen lassen.

    "Das Ereignis" basiert auf Annie Ernauxs autobiografischem Roman

    Mit „Das Ereignis“, der bei den Filmfestspielen in Venedig 2021 mit dem Goldenen Löwen prämiert wurde, bringt Regisseurin Audrey Diwan den gleichnamigen, autobiografischen Roman von Annie Ernaux auf die Leinwand. Ernaux gehört zu den wichtigsten weiblichen Stimmen und Chronistinnen der französischen Literatur und erzählt in dem 2000 erschienen Buch von ihren Erlebnissen als Studentin auf der Suche nach einer Möglichkeit, die ungewollte Schwangerschaft zu beenden.

    Diwan hat die Vorlage mit großer, umsichtiger Klarheit adaptiert und behält die kompromisslos subjektive Sicht ebenso bei, wie den scharfen, analytischen Blick auf die Zeit. Dennoch fühlt sich der Film vollkommen heutig an, weil auf vordergründigen Zeitkolorit verzichtet wird und die Kamera stets in enger Verbindung zur Protagonistin steht. „Das Ereignis“ ist einerseits ein sehr körperlicher Film, der die Veränderungen durch die Schwangerschaft und die physischen Eingriffe eines illegalen Abbruchs – im Selbstversuch und später von einer Engelmacherin – deutlich spürbar macht. Gleichzeitig behält Diwan den gesellschaftlichen Druck auf die Schwangere im Auge, die nicht nur in die Illegalität, sondern auch in die Einsamkeit hineingezwungen wird.

    In "Das Ereignis" überzeugt vor allem Anamaria Vartolomei

    Dass die Figur dennoch nicht zum bloßen Opfer stigmatisiert, sondern als selbstbewusste Frau gezeigt wird, die sich in widrigsten Verhältnissen ihr Leben nicht aus der Hand nehmen lassen will – das ist der größte Verdienst des Films und seiner brillanten jungen Hauptdarstellerin Vartolomei, die auf der Leinwand in unaufdringlicher Weise enorme Intensität entwickelt.

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