Er hat es wieder getan. Auch in München. Wie zuletzt auf seiner Europa-Tournee üblich, widmete Rod Stewart am Freitagabend den Song „Rhythm of my Heart“ den Ukrainerinnen und Ukrainern im Kampf um ihre Heimat. Das hatte in den vergangenen Wochen nicht allen gefallen. In Leipzig und in Budapest bekam Stewart Pfiffe und Buhs zu hören. Und in München?
Als der Ukraine-Unterstützer diesmal den von „Putin and his assholes“ (Originalton Stewart) angezettelten Krieg anprangert, erhält er reichlich Beifall. Missfallensäußerungen mag es vielleicht geben, wirklich zu hören sind sie in der ausverkauften Olympiahalle nicht.
Rod Stewart spielt in seinen Shows Klassiker aus dem Rock-, Folk-, Soul-Bereich
Ein politisches Statement, ausgerechnet von Rod the Mod, dem ewigen Hallodri – das kommt überraschend. Es gab noch einige weitere unerwartete Momente an diesem Abend, allerdings waren die dann nur musikalischer Natur und eher auf Insider-Level. Interessant: Ausflüge ins Reich der Swing-Klassiker, wie er sie auf seinen letzten Alben unternommen hat, unterlässt Stewart. Nur während der Wartezeit vor Konzertbeginn kommen einige dieser Werke vom Band.
Das Programm dieser Tour ist zwar auch „klassisch“, aber diese Klassiker stammen aus dem Rock-, Folk-, Soul-Bereich. Mal sind es Songs, die Stewart groß gemacht hat (und die ihn groß machten), mal sind es Cover-Versionen, die man von anderen Interpreten im Ohr hat. Der Show-Opener „Addicted to Love“ zum Beispiel war der wohl größte Hit von Robert Palmer. Kurioser Scherz für alle, die früher viel MTV schauten: Damen in Miniröcken stellen auf der Bühne das ikonische Palmer-Video nach. Unterschied: Palmer wurde von dunkelhaarigen Fake-Musikerinnen begleitet. Bei Stewart gilt natürlich: Blondes have more fun. Und seine insgesamt sechs Begleit-Blondinen zeigen im Verlauf des Abends, dass sie weit mehr als ein optischer Gag sind. Die Damenriege singt und spielt (Geigen, Harfe, Mandoline, Gitarre, Tasteninstrumente, Trommeln) ganz vorzüglich. Was auch für die sieben Herren in der Band gilt.
Die Fußball EM ist auch Teil seiner Show
Und der Chef selber? Verspricht: „I sing my heart out for you.“ Ich singe mir für euch das Herz aus dem Leib. Er hält Wort. Genau wie mit seiner programmatischen Ankündigung, er werde in den nächsten zwei Stunden 25 Songs darbieten. Ein strammes Programm. Aber die Stimme macht mit, lediglich die Tanzeinlagen sind seltener und vorsichtiger geworden. Aber gut, wir reden von einem 79-Jährigen. Der fitter sein dürfte als viele im Publikum, das im Schnitt nur knapp jünger als der Altstar ist.
In der trotz Klimatisierung stickigen Olympiahalle werden zwar während der Show zwei zusätzliche Ventilatoren auf die Bühne gestellt. Aber die lässt der schweißgebadete Stewart später wieder wegnehmen. Es hätten sich Leute beschwert, dass sie ihnen die Sicht nehmen, scherzt er. Auch über die englischen Fußballer macht sich der bekennende Schotte lustig. Vom Ufer aus einem U-Boot-Rennen zuzuschauen sei spannender als ein Spiel der Three Lions. Überhaupt Fußball, eine der großen Leidenschaften von Stewart... Er bedankt sich, dass die schottischen EM-Fans so gut in Deutschland aufgenommen worden seien, er zeigt beim Song „Youre in my Heart“ ein Bild der deutschen Mannschaft.
Die Europa-Tournee ist Rod Stewarts großer Abgang
Dass er sich bei seinen Covern auch das schlagernahe „It’s a Heartache“ von Bonnie Tyler ausgesucht hat – erstaunlich. Aber gut, auch Rod selbst ist nah am Schmalz dran. Wenn er ganz am Ende die Kapitänsmütze aufsetzt und sich mit „Sailing“ verabschiedet, dann sieht das schon ein bisschen so aus, als stehe da der Vater von Florian Silbereisen. Aber Rod kommt auch mit solchen Einlagen locker davon. Er verströmt Witz, Selbstironie, Charme, musikalische Kompetenz. Seine Songs bereiten ihm immer noch sichtbar Freude. Vor harten Kontrasten scheut er nicht zurück: Auf den Blues-Klassiker „I’d rather go blind“ lässt er das discoinfizierte „Young Turks“ folgen. Er kann das, die Zuhörer folgen seinen Zeitsprüngen begeistert. Nur hartleibigste Putin-Verehrer verstehen bei dieser Show keinen Spaß. Die Olympiahalle ist zwar komplett bestuhlt, aber meistens stehen und tanzen die Menschen.
Die Tournee steht unter dem Motto „One last time“. Noch ein letztes Mal. Sollte es tatsächlich so sein, dass dies die finalen Shows von Rod Stewart sind, dann kann man sagen: Ein Großer ist hier mit Stil und Klasse abgetreten.
Die Setlist von Rod Stewarts Konzert in München
Die Setlist: Addicted to Love; You Wear It Well; Having a Party; Tonight I'm Yours; It's a Heartache; Tonight's the Night; Rollin' and Tumblin'; Stay With Me; Forever Young; The First Cut Is the Deepest; I Don't Want to Talk About It; Maggie May; I'd Rather Go Blind; Young Turks; Downtown Train; I'm So Excited (Begleitband ohne Stewart); Rhythm of My Heart; You're in My Heart; Have I Told You Lately; Hot Stuff (Begleitband ohne Stewart); Baby Jane; It Takes Two; Some Guys Have All the Luck; Da Ya Think I'm Sexy?; Sailing.