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Robert Eggers' "Nosferatu" im Kino: Eine düstere Wiederauferstehung

Filmkritik

Der Vampir kehrt zurück: "Nosferatu" startet im Kino

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    Nicholas Hoult (links) als Thomas Hutter und Aaron Taylor-Johnson als Friedrich Harding in einer Szene des Films „Nosferatu – Der Untote“.
    Nicholas Hoult (links) als Thomas Hutter und Aaron Taylor-Johnson als Friedrich Harding in einer Szene des Films „Nosferatu – Der Untote“. Foto: Universal, Focus Features, dpa

    „Komm zu mir“, fleht die junge Frau, scheinbar ins Gebet vertieft. Aber weder Gott noch der Heilige Geist ist es, der wenig später von ihrem Körper Besitz ergreift, sondern eine ganz andere, deutlich dunklere Macht, die als Nosferatu in den Kinos schon seit 1922 Angst und Schrecken verbreitet. F.W. Murnaus unautorisierte Adaption von Bram Stokers „Dracula“ gilt bis heute als eines der größten Meisterwerke des deutschen Expressionismus – und gehört als entscheidender Bestandteil zur Ursuppe des Horrorgenres. Wer den Stummfilmklassiker mit dem legendären Max Schreck in der Titelrolle einmal im Kino – möglicherweise mit Orchesterbegleitung – gesehen hat, wird seine Bilder nicht mehr vergessen. Ähnlich ging es wohl auch Regisseur Robert Eggers, der sich mit Filmen wie „The Witch“ (2015) oder „Der Leuchtturm“ (2019) als stilbewusster Genre-Nostalgiker bewiesen und fast zehn Jahre an seiner „Nosferatu“-Version gearbeitet hat. Jetzt startet sie in den Kinos.

    Nicholas Hoult und Lily-Rose Depp spielen mit in „Nosferatu“

    Ähnlich wie Werner Herzog, der 1979 Klaus Kinski als lüsternen Vampir in Szene setzte, versteht auch Eggers seinen „Nosferatu“ weder als Remake noch als Neuinterpretation, sondern als Hommage. Fast eins zu eins übernimmt er die Handlungsstruktur und huldigt vor allem in visueller Hinsicht dem Original. Im Jahr 1838 bekommt der frisch vermählte Immobilienmakler Thomas (Nicholas Hoult) von seinem Chef den Auftrag, einen exzentrischen Kunden in den Karpaten aufzusuchen, der in dem deutschen Ostseestädtchen Wisborg ein Haus kaufen will. Sechs Wochen dauert die Reise zu Pferde. Der schwermütigen Gattin Ellen (Lily-Rose Depp) schwant Böses. Nacht für Nacht wird sie von Albträumen heimgesucht. Zu Recht, denn in Transsylvanien wartet auf den Handlungsreisenden mit dem gefürchteten Graf Orlok (Bill Skarsgård) ein Vampir, der es auf das Herz und vor allem auf das Blut von Ellen abgesehen hat.

    Als der Untote im Sarg bald darauf in Wisborg anlandet, breitet sich in der Hafenstadt die Pest aus. Ellens Visionen verstärken sich zunehmend. Der behandelnde Arzt (Willem Dafoe) verfügt über eine Zusatzausbildung in Okkultismus und macht der Patientin klar, dass nur sie allein Orlok und die Pest stoppen kann, indem sie den Blutsauger bis zum ersten, vernichtenden Sonnenstrahl im Bett behält.

    Mit Max Schreck und Klaus Kinski kann Bill Skarsgård nicht mithalten

    Mit übergroßem Werktreueverständnis inszeniert Eggers seinen „Nosferatu“ und setzt nur einige vorsichtige, neue Akzente. Die Figur der Ellen, die Lily-Rose Depp in bester, somnambuler Tour-de-Force-Manier verkörpert, wird deutlicher als handelndes Subjekt herausgearbeitet. Sie ist nicht allein Opfer vampiresker Verführungskräfte, sondern stellt sich der eigenen Seelendunkelheit, anstatt sie bloß zu verneinen, wie es die zeitgenössischen Moralvorstellungen verlangen. Des Weiteren geht Eggers bei der Ausformulierung von Sex- und Gewaltszenen deutlich direkter zu Werke als die Vorlage. Darüber hinaus ist alles Verneigung vor dem verehrten Meisterwerk. Wie Murnau versucht auch Eggers direkt in die Dunkelheit hineinzuschauen, aus der sich die menschlichen Gestalten oft nur unvollständig lösen. Mit viel Liebe zum Detail wird die ausgefeilte Schattendramaturgie des Originals wiederbelebt, wenn die Silhouette der langen Vampirhände in heller Mondnacht über Fenster und Wände tanzen.

    Ästhetisch bewegt sich diese Wiederauferstehung des Untoten zweifellos auf hohem Niveau. Eine echte Enttäuschung hingegen ist Nosferatu selbst. Mit seinen Vorgängern Max Schreck und Klaus Kinski kann Bill Skarsgård in keiner Weise mithalten, auch weil er mit viel Maskeneinsatz zu einem halb verwesten Unhold verunstaltet wurde. In den Vorgängerfilmen bekam man es lustvoll mit der Angst zu tun, weil durch das exzentrische Äußere des Vampirgrafen dessen abgründiger Charakter zum Vorschein kam. Hier hingegen ist Nosferatu nur ein weiteres Monster aus der Effekte-Kammer. Wahre Grauenhaftigkeit kommt bekanntlich von innen – und da ist bei dieser Nosferatu-Figur jenseits lüsterner Getriebenheit nicht viel zu erkennen.

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