Herr Böhning, die deutsche Filmförderung stand diese Woche auf der Kippe. Noch am Dienstag sah es so aus, als ob es im nächsten Jahr keinerlei Förderung mehr gibt, weil sich die Ex-Ampel-Parteien im Bundestag nicht mehr einigen können. Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Was bedeuten die Beschlüsse des Bundestags in der Nacht vom Donnerstag für den deutschen Film und die Produzenten?
BJÖRN BÖHNING: Was Donnerstagnacht im Deutschen Bundestag passiert ist, ist wirklich ein Meilenstein auf dem Weg zu einem erfolgreichen Produktionsstandort Deutschland. Wir haben international den Anschluss verloren. Produktionen sind aus Deutschland abgewandert und mit ihnen Unternehmen und Arbeitsplätze. Durch die Ankündigung der Bundesregierung, die Film- und TV-Förderung des Bundes beizubehalten und zugleich die Förderquoten anzuheben, können wir die Trendwende schaffen. Die neue Filmförderung bietet die Grundlage, dass deutsche Filme wieder erfolgreich in Deutschland produziert werden können.
Statt einer Verschlechterung, wie Sie befürchtet haben, ist es überraschend zu einer Verbesserung der Produktionsbedingungen gekommen. Was wird sich verbessern?
BÖHNING: Wir bekommen ein neues Filmförderungsgesetz, das größere Anreize setzt und erfolgreiche Produzentinnen und Produzenten belohnt. Ein Meilenstein ist auch die automatisierte Förderung, die dazu führt, dass Filme schneller finanziert und produziert werden können, als das bisher der Fall war. Und drittens: Die Förderquote des Bundes für eine Produktion wird auf 30 Prozent angehoben. Das ist das europäische Niveau, das auch in Österreich, Frankreich und Italien der Standard ist. Damit können wir im europäischen Wettbewerb endlich mithalten. Jetzt haben wir als Produktionsstandort die Möglichkeit, durch unsere gute Qualität zu überzeugen, und sind nicht mehr im Nachteil, weil anderswo stärker gefördert wird.
Filmstudios in Deutschland haben zuletzt über fehlende Aufträge geklagt. Wie wird sich die Lage dort verändern?
BÖHNING: Wir sind ganz sicher, dass in der Folge neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen werden. Die Studios werden besser ausgelastet sein. Das betrifft auch die großen Studios in Hamburg, Babelsberg, Penzing und in Köln. Profitieren werden auch die vielen kleinen technischen Dienstleister, Kameraverleiher zum Beispiel, die Infrastruktur bereitstellen. Diejenigen also, die rund um Produktionen helfen. Das ist eine sehr positive Nachricht für die ganze Branche. Die großen Sorgen, die viele hatten, werden ihnen nun genommen.
Wie ist es innerhalb von zwei Tagen dazu gekommen, dass sich die Lage von Es-wird-ein-Desaster zu Besser-als-je ändert?
BÖHNING: Man muss schon sagen, dass in der Filmbranche am Dienstag eine kollektive Depression zu spüren war. Es war zu befürchten, dass die harte Arbeit von zwei Jahren an der Reform der Filmförderung verloren gehen könnte. Am Ende muss man sagen, dass wir bei SPD, Grünen und FDP Bündnispartner gefunden haben, die den Wahlkampf beiseitegelassen und mitgeholfen haben, den Filmstandort Deutschland zu retten. Sie haben sich auf etwas geeignet, das politisch richtig ist, nämlich eine Filmförderung, die den internationalen Maßstäben gerecht wird. Das kann ich nur begrüßen und mich herzlich dafür bedanken.
Was noch nicht umgesetzt ist, ist das Steueranreizmodell. Was wiederum heißt, dass große Produktionen in Deutschland finanziell gedeckelt sind und die Fördertöpfe insgesamt auch begrenzt sind. Ist das nicht mehr wichtig?
BÖHNING: Die Fördertöpfe des Bundes sind für 2025 der Höhe nach gedeckelt. Irgendwann im Lauf des Jahres werden die Fördermittel erschöpft sein. Deshalb müssen wir sehr schnell mit einer neuen Bundesregierung in den Dialog treten, wie es dann weitergeht. Wenn Unternehmen im ersten Halbjahr neue Kapazitäten aufbauen, Fachkräfte einstellen, Arbeitsplätze schaffen und es dann eine Abbruchkante gibt, wäre das schlecht. Ich bin mir aber sicher, dass eine neue Regierung sowohl den Steueranreiz angehen wird als auch die notwendige Investitionsverpflichtung. Und die würde dann dazu führen, dass auch die Streaming-Plattformen in Deutschland mehr investieren müssen. Schließlich verdienen sie hier auch kräftig an Millionen Abos.
Glauben Sie nach der unerwarteten Einigung wieder an den Weihnachtsmann?
BÖHNING: Ich weiß, wie viele Filmschaffende in den letzten Tagen hart gerungen und sich dafür eingesetzt haben, was jetzt erreicht worden ist. Man sieht, dass ein Unterhaken der Branche am Ende erfolgreich ist. Und wer weiß: Vielleicht hat die gute Weihnachtsstimmung ja ein wenig geholfen.
Und jetzt den Mann aus der Filmbranche einmal nach dem gefragt, was wir zu sehen bekommen werden in 2025: Auf welche Filme freuen Sie sich schon?
BÖHNING: Ich persönlich freue mich ganz besonders auf den neuen Stromberg-Film, der jetzt produziert wird und nächstes Jahr in die Kinos kommt. Ich bin ein großer Stromberg-Fan. Schließlich sind deutsche Komödien auch international echte Kassenschlager.
Und was wird bei Ihnen an Weihnachten geschaut?
BÖHNING: Ganz klassisch „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Dazu werde ich mir die letzte Folge von „Achtsam morden“ auf Netflix anschauen. Da sieht man, dass deutsche Kreativität auch weltweit erfolgreich sein kann, auch auf den Streamingplattformen.
Zur Person
Björn Böhning, 1978 in Geldern geboren, ist seit 2022 Geschäftsführer der Allianz deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen und Audiovisuelle Medien. Von März 2018 bis Januar 2022 war er Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und von Dezember 2011 bis März 2018 Chef der Berliner Senatskanzlei.
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