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Rammstein-Konzert in München: Wortlos & ohne Penis-Kanone

Rammstein in München

Rammstein spielt in München – wortlos und ohne Penis-Kanone

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    Die Vorwürfe, die Frauen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erheben, überschatten das erste Konzert in München.
    Die Vorwürfe, die Frauen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erheben, überschatten das erste Konzert in München. Foto: Tom Rider

    Sie hängen über dem Geländer und jubeln ihm zu. Stundenlang haben Hardcore-Fans ausgeharrt, um bei Rammstein in der ersten Reihe zu stehen. Wie ein Fürst aus der Hölle steigt Sänger Till Lindemann in nebelumwobenen Rotlicht aus dem Bühnengraben und thront über ihnen. Muskulös, martialisch, rußverschmiert. Näher werden sie ihm an diesem Abend nicht kommen. Denn der Graben zwischen dem Frontman und den Fans bleibt leer. Die berüchtigte Row Zero gibt es nicht mehr.

    Im Münchner Olympiastadion gab die Band Rammstein am Mittwochabend ihr erstes Konzert seitdem Vorwürfe gegenüber Frontmann Lindemann bekannt wurden. So sah der Abend aus.
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    Mehrere Frauen warfen Rammstein-Sänger Till Lindemann Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vor. Am Mittwoch spielte die Band in München. Das sind die Bilder.

    Bei früheren Rammstein-Konzerten standen dort viele junge Frauen. Sie sollen gezielt rekrutiert und bei anschließenden Aftershow-Partys Lindemann als Sexpartnerinnen zugeführt worden sein. In den vergangenen Tagen hatten sich mehrere Frauen zu Wort gemeldet, die dem 60-Jährigen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorwerfen. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR sollen Betroffene teils unter Drogen gesetzt und vom Sänger sexuell bedrängt worden sein. Es gilt die Unschuldsvermutung, doch die Vorwürfe wiegen schwer – auch aus Sicht vieler Fans, wie sich beim Konzert im Münchner Olympiastadion zeigt. 

    Rammstein-Fans geht es vorwiegend um die Musik und eine großartige Show

    „Wenn das früher rausgekommen wäre, hätte ich mir kein Ticket gekauft“, sagt ein junger Mann, der mit drei Freunden da ist. „Ich glaube nicht, dass all diese Frauen lügen, aber noch ist nichts bewiesen.“ Die Karte zu verkaufen sei für ihn keine Option gewesen. Eine junge Frau, die mit ihrem Partner aus Norddeutschland angereist ist, sieht es ähnlich. „Wir haben lange diskutiert, ob wir hingehen sollen. Es hat einen komischen Beigeschmack, jetzt hier zu sein.“ 

    Dabei sollte München das größte Spektakel der Rammstein-Tour werden. Vier Konzerte, 240.000 Fans. Noch nie habe es so viele Besucherinnen und Besucher „bei einer zusammenhängenden Serie von Auftritten“ gegeben, hieß es großspurig auf der Website des Olympiaparks München. Offiziell waren die Tickets – wie bei Rammstein-Konzerten üblich – Monate im Voraus ausverkauft. Doch wegen der Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann hatten sich hunderte Fans gegen einen Besuch entschieden und ihre Tickets zum Weiterverkauf angeboten. 

    Vor dem Olympiastadion versammeln sich am Mittwochabend dann auch rund 50 Aktivistinnen, um gegen das Konzert zu protestieren. Sie halten Schilder mit Aufschriften wie „Keine Show für Täter“ oder „Das Opfer ist nie schuld“ in der Hand und skandieren, Sexismus müsse bekämpft werden. Fans in Rammstein-Shirts pilgern vorbei, teils kopfschüttelnd, teils amüsiert. Manche reagieren aggressiv, filmen die Demonstrantinnen oder äußern Vergewaltigungsfantasien. 

    Ein Dickbäuchiger im Lonsdale-Shirt pöbelt leicht angetrunken, was der Scheiß soll. Die Demonstrantin am Megafon kontert mit einem „Verpiss dich, du Fascho!“. Die Fronten um Rammstein sind verhärtet. Vorwürfe über Gewaltverherrlichung, Frauenfeindlichkeit und rechte Tendenzen musste sich die Band immer wieder gefallen lassen. Aber so direkt wie an diesem Abend stehen sich Gegner und Anhängerinnen selten gegenüber. Manche Fans bleiben stehen, diskutieren. Man müsse die Kunst vom Künstler trennen, sagen viele. Es gehe um die Musik und eine bombastische Show. 

    Rammstein in München: Keyboarder Flake gibt wie gewohnt den Blödkopf

    Die liefert Rammstein dann auch – auf gewohnt fetter Bühne mit gewohnt fettem Sound. Zur Eröffnung des durchchoreografierten Theaters ertönt Händels „Feuerwerksmusik“ aus den gigantischen Lautsprechern und 60.000 Fans erheben sich. Sie kennen die Spielregeln und gehorchen brav. Ein Knall, schwarze Rauchschwaden wabern durchs Stadion und die sechs Musiker holzen drauf los. 

    Ohne Ansprache, nur mit einer Ansage, man möge bitte die Handys einstecken. Achtung, Ironie, denn kaum ein Spektakel liefert so viele Insta-taugliche Fotos und Videoschnipsel wie ein Rammstein-Konzert. Raketen, Feuerfontänen, Flammenwerfer – alles dabei. Also erst mal Smartphone raus und draufhalten auf das Gekrache und Gefeuere. 

    „Rammlied“, „Bestraf mich“, „Mein Herz brennt“, die Setlist steht. Das Schlagzeug dröhnt im Viervierteltakt, wummernder Bass, harte Gitarren-Riffs und Lindemanns teutonenhafter Gesang samt rollendem R. Kommt alles pompös daher, ist am Ende aber brachial banal, denn überraschend Neues liefern Rammstein nicht. Klar, ein paar Songs vom 2022 erschienenen Album „Zeit“ mögen die Fans noch nicht live gehört haben. Wenn Lindemann „Zeit, bitte bleib stehen“ ins Mikrofon brüllt, wirkt das weniger pathetisch, sondern eher ein bisschen hilflos angesichts der Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden. Der Rest ist alter Hut. 

    Zum Lied „Puppe“ schiebt Lindemann wie gewohnt einen zweieinhalb Meter großen Kinderwagen über die Bühne, nur um die darin liegende Puppe abzufackeln, bis es Konfetti regnet und alle Juhu schreien. Keyboarder Christian Lorenz alias Flake dreht im goldenen Glitzeranzug seine Runden auf dem Laufband und gibt den Blödkopf in dem ganzen Zirkus. Zum Song „Mein Teil“ wird er vom messerwetzenden Lindemann obligatorisch im Riesenkochtopf gegart. Abgedroschene Zirkusnummern, die weder schocken noch rocken. Aber schon klar, alles Persiflage. 

    Konzert in München: Bei Rammstein gehört Provokation zum Repertoire

    Stil und Ästethik waren immer schon gleich, dafür werden Rammstein auch international gefeiert. Provokation ist Teil des Repertoires. Schon der Bandname polarisiert, denn er spielt auf die Air Base Ramstein an, auf der 1988 während einer Kunstflugschau 70 Menschen in den Flammen starben. Seit sich die Gruppe 1994 in Berlin gründete, haben die Musiker immer wieder die Grenzen dessen ausgelotet, was gesagt und gezeigt werden darf. Das Kunstverständnis der Band ist klar: Alles ist erlaubt! Warum auch nicht von Pisse, Porno und Kannibalismus schwadronieren, mit Nazi-Symbolik kokettieren und dafür Genies der Ironie erklärt werden?

    Ihre Videos sind explizit, blutig und gewaltvoll. Wegen Deutschtümelei wurden der Band auch immer wieder rechtsextreme Tendenzen unterstellt. Kritikerinnen und Kritiker sahen sich bestätigt, als die Band im Video zu „Stripped“ Ausschnitte aus dem Olympia-Film von Leni Riefenstahl verwendete. Die Musiker reagierten nach massiver Kritik in gewohnter Rammstein-Manier. Sie veröffentlichten den Song „Links 2 3 4“, in dem es heißt: „Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch sehe ich dann nach unten weg, da schlägt es links.“ 

    Den bekommen die Fans auch in München zu hören, neben Klassikern wie „Du hast“, „Ich will“ oder das umstrittene „Deutschland“. Rammstein hatte den Song 2019 mit einem Vorabvideo beworben, in dem die Bandmitglieder in KZ-Kleidung und mit Stern auf der Brust am Galgen stehen. Der Zentralrat der Juden sah den Holocaust zu Marketing-Zwecken missbraucht. 

    Doch eine Änderung in der Setlist gibt es: Anders als bei den vorherigen Konzerten der Tour wird das Lied „Pussy“ nicht gespielt. Darin heißt es: „You’ve got a pussy, I have a dick, so what’s the problem? Let’s do it quick“. Auf diese Botschaft wollte Rammstein angesichts der aktuellen Anschuldigungen offenbar verzichten, ebenso wie auf die Darbietung: Normalerweise sitzt Lindemann auf einer riesigen penisförmigen Kanone und bespritzt das Publikum mit Schaum.

    Lindemann bei Konzert: "München! Schön, dass ihr da ... dass ihr bei uns seid"

    In den vergangenen Tagen haben mehrere Frauen Vorwürfe gegen den Sänger erhoben. Den Stein ins Rollen brachte Shelby Lynn, eine junge Irin, die auf Social Media über sexuelle Übergriffe nach einem Rammstein-Konzert in Vilnius berichtete. Am Montagabend stellte die Youtuberin Kayla Shyx zudem ein Video online, in dem sie von ihren Erfahrungen auf einer Rammstein-Aftershow-Party im vergangenen Jahr berichtet.

    Die Vorwürfe richten sich nicht gegen die Band als Ganze, sondern explizit gegen den Sänger. Der fantasiert in seinen Texten schon mal über Vergewaltigungen, auch wenn er sich dabei hinter einem lyrischen Ich versteckt. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, der Gedichte von Lindemann veröffentlichte, hat die Zusammenarbeit mit dem Rammstein-Sänger inzwischen beendet – wegen eines Pornovideos, in dem auch einer der Gedichtbände eine Rolle spielt.

    Neben Lindemann steht die Russin Alena Makeeva im Zentrum der Vorwürfe. Sie soll als „Casting Director“ weibliche Fans ausgewählt und dem Sänger zugeführt haben. Medienberichten zufolge trennte sich Rammstein inzwischen offiziell von Makeeva, das Management erteilte ihr ein Stadionverbot. Die Band selbst hat eine Anwaltskanzlei beauftragt, um die Vorwürfe zu untersuchen. 

    In einer Stellungnahme erklärten Rammstein, die Vorwürfe hätten sie sehr getroffen und man nehme sie außerordentlich ernst. „Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt – vor und hinter der Bühne.“ Weiter hieß es in dem Schreiben: „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“ Auch die Band habe aber ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden.

    Beim Konzert in München lassen sich die Musiker nichts anmerken, spielen ihr gewohntes Theater und gehen am Ende auf die Knie. Fans hatten zuvor auf Social Media dazu aufgerufen, sich mit der Band zu solidarisieren und ebenfalls niederzuknien. Der Aufruf blieb ungehört – niemand macht mit (nur die AfD postet nachmittags „Gott weiß, ich will kein Grüner sein“ in Anspielung auf den Rammstein-Song "Engel"). Stattdessen verabschiedet sich Lindemann mit einem kurzen „München! Schön, dass ihr da ... dass ihr bei uns seid“ und verlässt die Bühne – ohne ein weiteres Wort.

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