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Quincy Jones: Der legendäre Musikproduzent und Mentor ist tot

Nachruf

Er war ein Zauberer unter den Musikproduzenten: Quincy Jones ist gestorben

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    Quincy Jones, US-amerikanischer Jazztrompeter und Musikproduzent, ist im Alter von 91 Jahren gestorben.
    Quincy Jones, US-amerikanischer Jazztrompeter und Musikproduzent, ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Foto: Ursula Düren, dpa

    Nein, entdeckt hat er ihn natürlich nicht. Aber jeder weiß, dass Michael Jackson nur diesem Mann seinen kometenhaften Aufstieg vom Kindersternchen einer Familien-Boygroup zum größten Popstar seiner Zeit verdankt. Und dann wäre da „We Are The World“, das für unmöglich gehaltene Songprojekt-Gipfeltreffen von 42 Göttern des Pop-Olymp. Oder sein Soundtrack für „Die Farbe Lila“ sowie für „Der Prinz von Bel Air“. Dazu noch Frank Sinatra, Aretha Franklin, Ray Charles, Little Richard, Will Smith, Miles Davis, er hatte sie alle! Doch es gab auch unbekannte Seiten im Leben des Quincy Jones.

    Quincy Jones pflegte eine Vater-Sohn-Beziehung mit Michael Jackson

    Eigentlich galt sein Vater-Sohn-Verhältnis zum „King of Pop“ als unkaputtbar, brachte es beiden doch Ruhm und Tantiemen, von denen selbst die Nach-Nachkommen ein sorgenfreies Leben fristen können. Aber Quincy, der Grantler, wollte die Deutungshoheit über Michael Jackson nie aus der Hand geben, auch nach der Trennung – wie Frankenstein und seine Schöpfung. Also traf man sich vor Gericht. Dabei ging es um Jacksons Welthit „Billie Jean“, den er von Donna Summer als damaliger Backgroundsänger einfach im Studio abgelauscht hatte, behauptete Jones. Sein einstiger Protegé sei ein Machiavellist, ätzte er. Und Quincy Jones, Alleskönner und Alleskenner, behielt natürlich Recht. Weil er 1982 nicht nur „Thriller“, den meistverkauften Tonträger, sondern zuvor auch Summers „State Of Independence“ produziert hatte. Von Jackos Nachlassverwaltern holte er sich dann auch einen Teil der Tantiemen zurück.

    Quincy Jones und sein erfolgreichster Pop-Schützling: Michael Jackson.
    Quincy Jones und sein erfolgreichster Pop-Schützling: Michael Jackson. Foto: dpa

    In seiner Welt gab es nur zwei Regeln. Die erste: Quincy Jones hat immer recht. Die zweite: Wenn er nicht recht hat, tritt automatisch Regel eins in Kraft. Der gefeierte Produzent, den sie mit 27 Grammys bei 80 Nominierungen sowie 7 Oscar-Nominierungen samt Ehren-Oscar für seine Film-Scores dekorierten, durfte sogar ungestraft andere Götter beleidigen. Die Beatles seien die schlechtesten Musiker der Welt gewesen, sagt er 2016, und Paul McCartney der schlechteste Bassist, den er je gehört habe. Tatsächlich kannte Jones keine musikalischen Vorurteile. Mit seinem Jahrhunderttalent drückte der Afroamerikaner der US-Musikszene jahrzehntelang seinen Stempel auf. „Wenn ein Album nicht gut läuft, sagen alle, dass es die Schuld der Produzenten war“, erzählte er. „Aber wenn es gut läuft, sollte es auch seine Schuld sein. Die Tracks entstehen nicht einfach so. Der Produzent muss das Geschick, die Erfahrung und die Fähigkeit haben, die Vision zur Vollendung zu führen.“ So baute er Brücken zwischen schwarzer Musik und weißem Mainstream, klassischem und modernem Jazz, Kunstanspruch und Unterhaltung. Und es gelang ihm dabei tatsächlich, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

    Quincy Jones wurde 1933 in Chicago geboren und revolutionierte den Pop

    Möglicherweise lässt sich sein rauer Umgangston auch durch seine Herkunft erklären. Geboren im März 1933 an der South Side von Chicago – damals eine Art Bilderbuch-Ghetto – träumte der kleine Quincy von einer Karriere als Gangsterboss. Manchmal wohnte der Junge bei der Großmutter, die noch in die Sklaverei groß wurde. Keine Heizung, kein fließendes Wasser, zu Mittag gab es gebratene Ratten. Zur Musik kam er dann – wie sollte es anders sein – durch einen Einbruch. Dort stand ein Klavier herum, auf dem er ein paar Töne klimperte. Das veränderte sein Leben. Jones lernte Trompete, welche Töne gehen und welche nicht, wie die Töne mit den Punkten und Linien auf dem Notenpapier zusammenhängen. Gerade für Letzteres offenbarte er ein besonderes Talent. Big Bands, die Kraftwerke des Jazz, hatten es ihm angetan. Unter gütiger Mithilfe von Ray Charles und des Trompeters Dizzy Gillespie baute er allmählich populäre Oberflächenreize und Show-Effekte in den intellektuellen Jazz ein. Bei der französischen Komponistin Nadia Boulanger lernte Quincy Jones das Arrangieren, wurde 1961 als erster afroamerikanischer Musiker Chef des Major-Labels Mercury, befasste sich von da an mit Pop-Musik.

    „Q“, wie ihn Freunde nannten, war ein Zauberer, der Qualität und Erfolg in Einklang zu bringen verstand. Stars durften andere sein. Er beobachtete lieber das bunte Treiben aus dem Hintergrund. Aber den Einfluss der Eminenz spürte jeder. Weil er recht hatte. Wie keinem anderen gelang ihm, all die Zutaten moderner Musik zu einem schlüssigen Amalgam zu verbinden: die erdige Kraft des Gospels, die feine Ironie des Blues, das Raffinement des Bebop, die Glätte des Pop, klassische Kompositionstechnik. Der Vater von sieben Kindern, die er mit fünf Frauen – darunter die deutsche Schauspielerin Nastassja Kinski – in die Welt setzte, galt als inoffizieller Kulturbotschafter der USA. Am Sonntag ist Quincy Delight Jones Jr. im Alter von 91 Jahren im Kreise seiner Familie in Kalifornien gestorben.

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