Wenn man denn wirklich zwischen E- und U-Kultur unterscheiden möchte, dann können die Besucherinnen und Besucher der Freilichtbühne in Augsburg in diesem Jahr wählen - oder sich auch einfach beides zu Gemüte führen. Erstmals seit langem gibt es am Roten Tor mit Puccinis „Turandot“ wieder große Oper, wobei hier gar nicht bestritten werden soll, dass auch das gute Unterhaltung ist. Mit Musical „Sister Act“ begibt sich das Staatstheater Augsburg nun aber parallel wieder auf die gut ausgebauten und auch eingetretenen Pfade der Freilicht-Tradition, getreu dem Motto, dass mit flotten Rhythmen, ebensolchen Tänzen, einigem Witz und reichlich Glitzer eine launige Show gelingt. Und die zündet auch, wenn, wie bei der Premiere am Samstag, starker Regen die Sommertheater-Laune verderben könnte.
Das Staatstheater Augsburg spielt „Sister Act“ auf der Freilichtbühne am Roten Tor
Denn über all dies verfügt „Sister Act“, eines der derzeit meist gespielten Musicals, reichlich. Entstanden ist es nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm mit Whoopi Goldberg in der Rolle der Barsängerin Deloris, die im Kloster Zuflucht suchen muss, weil ihr Gangster nach dem Leben trachten. 1992 kam der Film in die Kinos, 2006 entstand daraus eine Bühnenfassung. Verantwortlich für die Musicalversion war ein bei Disney-Produktionen bewährtes Team, nämlich Komponist Alan Menken, Glenn Slater, der die Gesangstexte schrieb sowie Cheri und Bill Steinkellner, die das Stück verfassten. Sie verlegten die Handlung in die späten 1970er Jahre und überraschten mit neuen Songs, die angepasst waren an diese Zeit: Phylli-Sound a la The Three Degrees mischen sich mit Popballaden im Stile Barry Whites, dazu ein wenig Jazz, Swing und Gospel – ein musikalisches Rezept, das damals wie heute zündet, weil es die Zehenspitzen wippen lässt und emotional berührt. Dirigent Sebastiaan van Yperen, Augsburgs neuer zweiter Kapellmeister ab der nächsten Spielzeit, gab damit seinen Einstand am Staatstheater und leitete die Live-Band Abyss & the Holy Horns schwungvoll durch den Abend.
Die Geschichte von „Sister Act“ ist schnell erzählt: Die erfolglose Barsängerin Deloris van Cartier wird ungewollt Zeugin eines Mordes und muss nun bis zum Prozess an einem sicheren Ort untergebracht werden. Polizist Eddie Fritzinger fällt nur einer ein: das Kloster zur Heiligen Jungfrau. Dass da Welten aufeinanderprallen ist so klar wie das Amen in der Kirche, nicht nur bei Deloris´ Frage nach der Raucherecke, die die strenge Mutter Oberin trocken kontert „bei uns raucht es nur bei der Papstwahl“. Doch die muntere Deloris lässt sich nicht ausbremsen und bringt frischen Wind ins fromme Dasein der Nonnen. Den mehr als schief klingenden Klosterchor macht sie zu einer fetzigen Girls´Group, die zuletzt in Glitzer-Kutten vor dem Papst singt und spenden für das finanzschwache Kloster eintreibt.
„Sister Act“ in Augsburg: Katholisches Lila bis zu den Paillettenstiefeln
Reduziert, aber wirkungsvoll hat Bühnenbildner Karel Spanhak ein Bühnenbild mit Kirchenfenstern und Spitzbögen entworfen, das den klerikalen Rahmen ebenso absteckt wie es ausreichend Platz für die Tanznummern (Choreografie Ralph Frey) bietet. Mit katholischem Lila in den 70-er-Jahre-Kostümen – bis hin zu Doloris´ hochhackigen Paillettenstiefeln – gibt Kostümbildnerin Aleksandra Kica dem Nonnen-Schwarzweiß auf der Bühne Contra.
Das große As ist aber das Ensemble, das in dieser routinierten Inszenierung von Frank Matthus zusammenfindet. Mit der Verpflichtung seiner Gäste für die Musical-Inszenierungen auf der Freilichtbühne hat das Staatstheater in den vergangenen Jahren immer wieder ein ausgesprochen gutes Händchen bewiesen. Dominique Aref, die in Augsburg erstmals zu sehen ist, spielt ihre Deloris mit herrlicher Unbefangenheit und Empathie und überzeugt mit ihrer Stimmkraft. Als erhobenen Zeigefinger in Person spielt Maryanne Kelly, die ganz kurzfristig wegen eines Bühnenunfalls für Susanna Panzner einspringen musste, die Rolle der Mutter Oberin.
Die Nonnenschar begeistert mit hinreißenden Auftritten
Am meisten Spaß machen die hinreißenden Auftritte der Nonnenschar, die sich bereitwillig vom verdrucksten Klosterpersonal zu lebenslustigen Gottesdienerinnen mausern. „So müssen sich Protestanten fühlen“, jauchzt eine beim Barbesuch so erstaunt wie freudig und Ensemblemitglied Natalie Hünig brilliert „heiß wie ein Toaster“ als rappende und rockende Mary Lazarus. Stark auch Marije Louise Maliepaard, die als schüchterne Nonnenschülerin Mary Robert Selbstbewusstsein durch Doloris´Zuspruch gewinnt. Auch die Nebendarsteller setzen mit ihren Auftritten kleine Highlights wie Dennis Weissert als Polizist Eddi, der in einer Nummer vom belächelten „Schwitze-Fritze“ zum Glamour-Star mutiert oder die Ganoven-Combo mit Christian Sattler, Tillman Schmuhl und Brandon Miller, die sich als Nonnen-Verführer probieren. Und dann wäre da noch Staatstheater-Schauspieler Klaus Müller, der Monsignore O´Haras Pragmatik mit der ein oder anderen Spitze versieht.
Gute Unterhaltung mit Witz und Sound also mit diesen „Sisters“ und am Schluss noch eine rührende Botschaft, mit der sich das begeisterte Publikum auf den Nachhauseweg macht: „Lasst die Liebe rein“, denn die ist mehr wert als Ruhm und Geld.
Weitere Vorstellungen bis 27. Juli
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