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Porträt: Patti Smith, die romantische Utopistin, wird 75

Porträt

Patti Smith, die romantische Utopistin, wird 75

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    Die US-Sängerin Patti Smith im Jahr 2018 beim Cambridge Folk Festival.
    Die US-Sängerin Patti Smith im Jahr 2018 beim Cambridge Folk Festival. Foto: Ollie Millington, Rmv/dpa

    Immer wenn es darauf ankommt, ist sie kein unnahbarer Star, kein von Allüren geplagtes Monster, sondern einfach Patti Smith. Eine vom Typ „liebenswerte Chaotin“: Herrlich normal, manchmal ein wenig desorientiert oder schlicht von der Rolle, liebenswert hibbelig, herzerfrischend unperfekt. „Es tut mir leid, ich bin so nervös“, gestand sie 2016 schüchtern, als ihr bei der Verleihung des Literatur-Nobelpreises an den abwesenden Kollegen Bob Dylan mitten in dessen „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ die Stimme wegblieb. Applaus. Andere hätten Kopfschütteln geerntet.

    Wer Patti Smith haben will, bekommt immer Patti Smith, im Privaten wie im Professionellen. Eine Frau, die nie eine Rolle spielt, sondern ausschließlich sich selbst. Eine hochsensible, empfindsame Künstlerin, deren Weisheit sich wie ein Puzzle aus zahlreichen Verletzungen, Zweifeln und Beobachtungen zusammensetzt und die längst zum Mythos und Vorbild geworden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man sie nun als Lyrikerin oder Musikerin sehen will.

    Patti Smith ist immer spektakulär

    Im Selbstverständnis der am 30. Dezember 1946 im Chicagoer Stadtteil Germantown geborenen Künstlerin bilden das Wort und der Ton eine untrennbare Allianz. Ob sie schreibt oder singt; die hagere Frau mit den langen, lockigen Strähnen, fahrigen Gesten und schlabberigen Shirts ist immer spektakulär. „Just Kids“ lautete der Titel ihres Buch-Debüts vor elf Jahren. Es erzählt von der Freundschaft zum Fotografen Robert Mapplethorpe im New York der 1970er Jahre. 2016 folgte „M Train“, ein Gedankenzug, der Ereignisse und Tagträume in assoziativer Manier verknüpft. Smith erzählt darin von ihren Reisen zu den Gräbern verstorbener Künstler und Literaten wie Brecht, Goethe, Schiller, Jean Genet und Frida Kahlo.

    Einst galt sie als Rock-Diva, als „Godmother Of Punk“, eine der ersten Frauen, die in der Männerwelt die Hosen anhatte; 1976 mit ihrem Debüt „Horses“ oder 1978 mit „Easter“, für das ihr Bruce Springsteen „Because The Night“ auf den Leib schrieb. Ein auf- und abebbender Mythos, durchbrochen von privaten Schicksalsschlägen wie dem Tod ihres Mannes Fred „Sonic“ Smith oder ihrem Musik-Comeback nach 15 Jahren Privatleben.

    An ihrem 75. Geburtstag an diesem 30. Dezember wird das Gewohnheitstier wieder in seinem Stammcafé in Greenwich Village in Manhattan sitzen, immer am selben Tisch, auf demselben Stuhl, wie immer schwarzen Kaffee, Vollkorn-Toast und Olivenöl bestellen, sich Notizen machen und in den Tag hineinträumen. „Ich sehne mich nach dem früheren Zustand der Dinge“, bekennt Smith, was für eine romantische Utopistin wie sie, die an die subversive Macht der Träume glaubt, bemerkenswert ist. Nicht nur deshalb: Applaus!

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