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Porträt: Harrys Ghostwriter J. R. Moehringer: Der über verlorene Söhne schreibt

Porträt

Harrys Ghostwriter J. R. Moehringer: Der über verlorene Söhne schreibt

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    Der Schriftsteller J. R. Moehringer wurde mit seiner eigenen Lebensgeschichte berühmt, bevor er die für andere schrieb.
    Der Schriftsteller J. R. Moehringer wurde mit seiner eigenen Lebensgeschichte berühmt, bevor er die für andere schrieb. Foto: Nina Prommer, imago

    Wenn man sein Leben in andere Hände gibt, kann man nicht vorsichtig genug sein. Und auch wenn man nicht unbedingt sagen kann, dass Prinz Harry zuletzt durch vorsichtiges Agieren aufgefallen ist: Zumindest in diesem einen Fall hat er es auf jeden Fall getan, seine Autobiografie also in die Hände jenes Mannes gelegt, der für die New York Times unter den Ghostwritern als "der vielleicht bedeutendste Vertreter des Gewerbes" gilt: J. R. Moehringer, 58, verheiratet mit der Herausgeberin Shannon Welch, zwei Kinder, ehemaliger Reporter der Los Angeles Times, ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis, Schriftsteller, Lebensgeschichtenerzähler. 

    250 Stunden lang soll Andre Agassi sein Leben erzählt haben

    Die erste, die Moehringer erzählte, war die eigene, und alles was folgte, hängt damit zusammen. "Tender Bar" hieß der 2005 erschienene autobiografische Debütroman des Amerikaners, in dem er über sein Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen ohne Vater in Long Island schrieb, und wie er in der Bar "Dickens" seine Ersatzväter fand. Das las sich berührend, klug, urkomisch, das Buch von Moehringer, der eigentlich John Joseph wie sein Vater heißt, diese Namen aber nicht mehr tragen wollte, führte monatelang die amerikanischen Bestsellerlisten an.

    Tennisstar Andre Agassi las "Tender Bar", während er seine letzten US Open spielte, und engagierte im Anschluss Moehringer als Ghostwriter für seine Autobiografie "Open". Wieder eine Geschichte über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung, aber da kein abwesender Vater, sondern ein ständig antreibender, schindender, krankhaft ehrgeiziger. 250 Stunden lang soll Agassi Moehringer sein Leben erzählt haben, der Sportler auf dem Sofa liegend, der Schriftsteller wie ein Psychoanalytiker notierte im Sitzen.

    Auch da gab es Drogenoffenbarungen und andere, aber als Sportlerbiografie setzte "Open" Maßstäbe. Und nun also Harry, wieder ein verlorener Sohn – wobei Moehringer in der Zwischenzeit noch einen Roman über den legendären Bankräuber Willie Sutton veröffentlicht hat.

    "Reserve" ist eine Abrechnung, die liest sich gut

    Den Kontakt soll angeblich George Clooney vermittelt haben, der "Tender Bar" 2021 als Regisseur verfilmte, ob die Sitzungen für "Spare", zu Deutsch "Reserve", ähnlich wie bei Agassi abliefen, ist nicht bekannt.

    Das Buch ist eine Abrechnung mit der britischen Presse – und in Teilen auch mit der königlichen Familie, Experten wollen bereits etliche Fehler entdeckt haben. Das Netteste, was über die Autobiografie gesagt wird, ist oftmals dies: Es liest sich ganz gut!

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