Kim de l'Horizon sprengt Konventionen – und zwar durch Schreiben, Handlungen und Identität. De l'Horizon ist nicht-binär, fühlt sich also weder als Mann noch als Frau. Auf Instagram gibt de l'Horizon an, keine Pronomen zu verwenden, da die Stellverteter "sie" oder "er" in der deutschen Sprache geschlechterbezogen sind. An deren Stelle tritt für de l'Horizon "dem" und "dey". De l'Horizon ist die erste genderfluide Person, die den renommierten Deutschen Buchpreis erhält, für das Werk "Blutbuch".
An der Autofiktion "Blutbuch" schrieb de l'Horizon zwölf Jahre lang
Zwölf Jahre hat de l'Horizon an dem Debütroman geschrieben, der viele autobiografische Elemente enthält und sich mit der eigenen Identität, Familie und Sexualität befasst. Im Klappentext heißt es, de l'Horizon sei 2666 geboren. Fühlt sich hier jemand seiner Zeit voraus? Anders als die literarische Figur ist Kim de l'Horizon 1992 auf die Welt gekommen, bei Bern. Der Name Kim de l'Horizon ist ein Anagramm seines eigenen, ursprünglichen Geburtsnamen.
Nach der Matura am Gymnasium in Winterthur studierte de l'Horizon Germanistik-, Film- und Theaterwissenschaften in Zürich, am Literaturinstitut in Biel und absolvierte den Master Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste. Zudem erhielt de l'Horizon eine Hausautorenschaft für die Bühnen Bern. Die kunstschaffende Person ist ebenfalls Teil des Kollektivs "e0b0ff" und der Redaktion des Literaturmagazins Delirium.
Auf Instagram zeigt sich de l'Horizon gerne in ausgefallenen Outfits und scheint eine Vorliebe für das Schminken zu haben. Ansonsten gibt die Schweizer Person kaum Einblicke ins persönliche Leben, auch wenn die (Gefühls-)welt im Roman "Blutbuch" wohl teilweise auf eigenen Erfahrungen basiert und tief in de l'Horizons Seele blicken lassen dürfte.
Ungewöhnliche Szenen bei Preisverleihung des Deutschen Buchpreises
Unkonventionell zeigt sich de l'Horizon auch bei der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises. Als die Jury Kim de l'Horizon zum Gewinnenden kürt, springt de l'Horizon auf, stürmt ins Publikum und umarmt Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter. "Ich habe keine Rede vorbereitet", sagt Kim de l'Horizon und dankte zunächst bewegt und unter Tränen der eigenen Mutter auf Schweizerdeutsch.
Anstelle der Rede gibt de l'Horizon spontan und ohne Begleitung den Song "Nightcall" des französischen Elektro-House-Künstlers Kavinsky zum Besten. "Da ist etwas in dir, es ist schwer zu erklären", heißt es darin. Ganz unvorbereitet ist de l'Horizon aber doch nicht und zückt nach der Gesangseinlage plötzlich einen Rasierer. "Ich denke, dieser Preis ist nicht nur für mich", sagt de l'Horizon und rasiert sich vor laufender Kamera den Kopf – aus Solidarität mit iranischen Protesten: "Er ist auch für die Frauen im Iran." Es sei ein Zeichen gegen Hass und für die Liebe.
Dieses Zeichen scheint allerdings nicht jede und jeder so zu verstehen, denn im Netz schlägt de l'Horizon eine Welle von queerfeindlichen Botschaften entgegen. Der DuMont-Verlag, bei dem de l'Horizon unter Vertrag ist, hat nun einen Sicherheitsdienst beauftragt, der die Preisträger-Person schützen soll. Selbst äußerte sich de l'Horizon bisher nicht zu den Vorfällen.