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Pop-Phänomen: Edwin Rosen in Augsburg: So traurig wie "Last Christmas"

Pop-Phänomen

Edwin Rosen in Augsburg: So traurig wie "Last Christmas"

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    Edwin Rosen: Wurde in Augsburg schon beim "Modular"-Festival gefeiert - und jetzt wieder in einer ausverkauften "Kantine".
    Edwin Rosen: Wurde in Augsburg schon beim "Modular"-Festival gefeiert - und jetzt wieder in einer ausverkauften "Kantine". Foto: Universal Music

    Hier wirkt sogar „Last Christmas“ noch mal so schön und neu, dass der Song, wie zurückgeführt auf seinen traurigen Kern, von sehr vielen jungen Menschen sehr innig mitgesungen wird. 

    Es ist der Abend des zweiten Advent, die Weihnachts-Pop-Schnulze von Wham dudelt droben, draußen, im Jahrmarktglanz von Gegenwart und Wirklichkeit schon wieder aus allen Hit-Radios und auf Platz zwei der aktuellen Charts. Hier drunten, drinnen aber, im Halbdunkel des restlos ausverkauften, mit teils von weither angereisten Fans vollgestopften Augsburger Kellerklubs „Kantine“, scheint eine andere Wahrheit auf: Leben und Fühlen verdichten sich schmerzlich euphorisch in einem zeitübergreifenden, romantischen Sehnsuchtsraum, dazu leuchten Handybildschirme. 

    Edwin Rosen in Augsburg: Nach dem "Modular" jetzt in der "Kantine"

    Gerichtet sind alle Geräte auf den Stuttgarter Edwin Rosen, einen der deutschen Newcomer des vergangenen Jahres, hier sogar mit aufbrausendem Kreischen begrüßt, tatsächlich ein Pop-Phänomen. Denn der Stern des 24-Jährigen ging durch einzelne, kaum ins Netz gestellte Songs, so schnell auf, dass der es selbst kaum fassen konnte, als er etwa im Sommer beim Augsburger „Modular“-Festival bereits vor hunderten Fans spielte, die auch extra wegen ihm gekommen schienen, seine Texte bereits mitsingen konnten. 

    „Mit leeren Händen steh ich da / und frag dich, ob du mit mir tanzen magst / ganz enttäuscht steh ich da / tanz alleine durch den leeren Saal / und du stehst nur da / mit verkreuzten Armen.“ Es sind meist solch traurige, zu Klängen, die bis auf den hallverstärkten Gesang und die von Edwin gespielte Effekt-E-Gitarre per Knopfdruck aus dem Computer kommenden und die denen des Synthiepop der Achtziger nichts hinzufügen.

    Aber das, was damals schon „New Romantic“ hieß, wird hier nun sehr stimmig für nächste Generation aktualisiert. Das passt bei einer ohnehin (wieder) sehr in Schwarz gekleideten und das Androgyne von damals in die heutige Queerness erweiternden Jugend ohnehin ausgezeichnet. Und kommt nun auch statt mit der einstigen Coolness zeitgemäß mit Care und Consciousness: Star-Allüren hat dieser Edwin Rosen jedenfalls keine, dafür zeigt er begeistert aufgenommene Sorge („Dies hier ist ein Ort für alle, mit wem auch immer ihr Händchen haltet …, ein Safe Space“), und Zurückhaltung: „Ich habe auch Platten und T-Shirts dabei, die ich selbst designe – aber wenn ihr nichts kauft, ist es überhaupt nicht schlimm, fühlt euch auf keinen Fall genötigt.“ Fühlt euch umarmt und lasst uns gemeinsam unsere Traurigkeit und Sehnsucht tanzen: Es ist die Romantik für ein neues Zeitalter der Empfindsamkeit. 

    Diese Songs spielt Edwin Rosen bei seiner Tour in 45 Minuten

    Das Material, das dessen Solo-Barde dafür bislang zu bieten hat, ist noch sehr begrenzt und wegen einer längeren Krankheit seit Sommer auch nicht gewachsen. Keine Dreiviertelstunde füllt er bei dieser Rückkehr nach Augsburg mit zwölf Songs, vom vielleicht positivsten „Verschwende deine Zeit“ bis zur Wiederholung in den Zugaben des erfolgreichsten in den Zugaben „leichter//kälter“. 

    Immerhin: Zu den drei Coverversionen im Programm zählt nun neben Wir-sind-Helden und Grauzone-Titeln aus aktuellem Anlass neu „Last Christmas“. Und spätestens damit wird klar: Dieser junge Edwin Rosen traut sich bei all seiner zur Schau gestellten Bescheidenheit schon so einiges; bislang gelingt ihm sogar solcherlei berührend und unpeinlich; seine Fans folgen ihm inniglich – und umso schwerer könnten Fortsetzung und Bestätigung werden. So oder so aber wird es ein Jahr bleiben, das er und all die von seinen Liedern in ihrem mit dem wahrhaftigen Pathos jugendlichen Empfindens gespiegelten Menschen nicht vergessen werden. Wie schön.

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