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Pop: AnnenMayKantereit in Augsburg: Ein Konzert wie keines zuvor

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AnnenMayKantereit in Augsburg: Ein Konzert wie keines zuvor

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    MayKantereit ohne Annen am 19. Mai im ausverkauften Augsburger Kongress am Park.
    MayKantereit ohne Annen am 19. Mai im ausverkauften Augsburger Kongress am Park. Foto: Bernd Rottman

    Manchmal kann, um es mit den Worten von Sänger Henning May zu sagen, gerade das, was eigentlich „scheiße“ ist, auf eine besondere Art „geil“ werden. Dieser Donnerstagabend jedenfalls hat dem ohnehin schon besonderen Verhältnis der Band AnnenMayKantereit zu Augsburg nun die zweite bewegende Verbindung hinzugefügt – und wieder eben aus Unbilden entstanden.

    Hennig May und seine umwerfende Begleitung.
    Hennig May und seine umwerfende Begleitung. Foto: Bernd Rottmann

    Bei der ersten gemeinsamen Besonderheit hatte ein Konzert der heiß erwarteten Jungs beim Modular-Festival 2015 im Wittelsbacher Park nach nur drei Songs wegen schwerer Gewitter abgebrochen werden müssen – was dann zu einer versprochenen Wiederkehr und Fortsetzung zwei Jahre später führte, obwohl die inzwischen aufgestiegene Band da eigentlich schon zu teuer fürs Stadtjugendring-Budget gewesen wäre.

    Ohne Gitarrist Chrissi: AnnenMayKantereit bei der Covid-Rückkehr dezimiert

    Und diesmal musste die Band nur hundert Meter Luftlinie weiter, in einem restlos ausverkauften Kongress am Park, im Kern zum Duo geschrumpft auf die Bühne treten. Denn ausgerechnet bei dieser ersten Tour nach zwei Jahren Corona-Pause, die darum auch den Titel „Tut gut wieder hier zu sein“ trägt, wurde Gitarrist Christian alias „Chrissi“ in Augsburg positiv getestet, fiel damit aus – blieben nur MayKantereit ohne Annen. Sänger Henning, kürzlich auch schon 30 geworden, zeigte sich darum anfangs traurig, zerknirscht, unsicher, und betonte, seit vollen elf Jahren kein Konzert mehr ohne Chrissi gespielt zu haben, also nie in der Geschichte der 2011 gegründeten Band.

    Aber weil zu den verbliebenen beiden auf Tour eben ohnehin noch vier Musikerinnen kommen und weil alle verbliebenen zusammen eineinhalb Tage hindurch fieberhaft Songs umarrangiert und neu geprobt haben, retteten sie das Konzert in Augsburg eben doch, spielten es äußerlich also schon mal als ein Konzert wie keines zuvor. Und weil so vieles dabei neu und anders glückte, die 1850 Fans in der Halle von Beginn an ohnehin beglückt alles feierten, wurde es halt auch wieder ein besonderer Abend – mitten in den hinein dann auch May sich fragen musste: „Ist das nun scheiße? Oder doch auch irgendwie geil?“ Und dann selber lachend konstatieren musste, dass es eben irgendwie doppeldeutig, unentschieden, verwirrend ist, und dabei doch unterhaltsam und charmant – und das ist ja nun mal genau die Gestimmtheit, das Lebensgefühl, für das diese Band steht, mit dem sie zuerst vor allem im studentischen Milieu landete, aber inzwischen längst weit darüber hinaus wirkt.

    Lob den vier Begleiterinnen von AnnenMayKantereit, Lob der Vorband Cari Cari

    Gerade mal vier Songs kürzer als bei den bisherigen Tourstationen war der eineinhalbstündige Auftritt in Augsburg dann. Von den zahlreichen Hits der Band fehlte eigentlich nur „21, 22, 23“, das zu arrangieren das Sextett offenbar nicht mehr hinbekommen hat. Gestört hat es keinen, denn Ausnahmesituationen schaffen ja ohnehin immer spezielle Verbundenheit – und mitzusingen gab’s von Anfang an mit „Marie“ bis zu „Pocahontas“ freilich und „Vielleicht Vielleicht“ und „Oft gefragt“ ja eh reichlich, zu tanzen von „Jenny Jenny“ über „Ausgehen“ bis zur letzten Zugabe „Ich geh heut nicht mehr tanzen“ wahrlich genug. Die Neu-Arrangements haben funktioniert, Henning hat dabei immer wieder die vier Mitmusikerinnen Julia, Sofia, Carla und Lisa am Bass, Blechblas- und Streichwerk in ihren wichtigeren Rollen herausgehoben zurecht – und zurecht.

    Unproblematisch und gefeiert freilich seine eigenen Solo-Piano-Nummern mit „Barfuß am Klavier“ und „Tommi“ – und ein bisschen wackelig, aber vielleicht darum umso charmanter das nun auch allein mit Gitarre vorgetragene „Weißhausstraße“. So wurde es also trotzdem und vielleicht durch die schmerzliche Absenz sogar mehr und bewusster noch das, was die Band mit Tourtitel und dazu passenden neuen Songs wie eben „Es tut so gut wieder hier zu sein“ beabsichtigte: eine innige Wiedersehensfeier. Eindeutig mehr „geil“ als „scheiße“, wenn etwa eine bewegte Besucherin beim Verlassen der Halle ihren Freunden schon zuflüstert, als würde sie es selbst erst gerade kapieren: „Das war einer meiner großen Träume, dieses Konzert – er ist wirklich geworden.“ Tja, Augsburg und diese Band …

    Wenn es mal passt, dann richtig. Denn wie viel Lebenszeit haben regelmäßig Konzertbesuchende schon bei irgendwelchen Vorgruppen verbrannt? An diesem Abend aber, mit Cari Cari aus Wien, die ja auch schon bei Modular waren und im November zu einem eigenen Konzert wieder anreisen: instrumenteller Reduktion und ausuferndem Wahnsinn Indie-Rock – hinreißend!

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