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Philosophie: Peter Sloterdijk und das tödliche Spiel der Menschheit mit dem Feuer

Philosophie

Peter Sloterdijk und das tödliche Spiel der Menschheit mit dem Feuer

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    Prometheus überbringt in der griechischen Mythologie das von den Göttern geraubte Feuer den Menschen: Ob er es nicht inzwischen bereut?
    Prometheus überbringt in der griechischen Mythologie das von den Göttern geraubte Feuer den Menschen: Ob er es nicht inzwischen bereut? Foto: matiasdelcarmine; stock.adobe.com

    Zunächst wirkt es einfach wie ein hübsches, ein originelles Gedankenspiel. Wenn jener Prometheus, der in der griechischen Mythologie gegen das Verbot der Götter den Menschen das Feuer gebracht hat, gewusst hätte, was die daraus machen – der Titan hätte sein Geschenk lieber für sich behalten. Vielleicht sogar gerade deshalb, weil er ein Menschenfreund war. 

    Denn was in der immer umfassenderen Nutzung entfesselt wurde, hat nicht nur dazu geführt, "die Welt durch gehegte Waldbrände aus urgeschichtlichen Tiefen zu revolutionieren" – die Menschenwelt selbst droht, gleichsam in einem Feuerball der Folgen unterzugehen. Wenn sich denn nicht bald Entscheidendes ändert! 

    "Die Reue des Prometheus" ist die Bestandsaufnahme des Philosophen zum Klimawandel

    Und damit ist man eben doch bei höchst relevanten Fragen unserer Existenz, in Gegenwart und Wirklichkeit gelandet – aber auf einem anderen Weg als all die aktuellen faktischen Debatten, vom Erwärmungsalarm des Weltklimarates über den Verbrennerstreit in der EU bis zur Volksabstimmung über ein klimaneutrales Berlin. Um damit auch genau zu diesen Fragen auch zu anderen, umfassenderen Blickwinkeln zu kommen, in den Fragen wie den Antworten. Wie es nun einmal typisch ist für den Schöpfer dieses Gedankenspiels, Peter Sloterdijk. "Die Reue des Prometheus" (Suhrkamp, 80 S., 12 €) heißt sein neues Buch, als Bestandsaufnahme untertitelt "Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung". 

    Typisch auch für den Philosophen, dass dabei bereits im historischen Verständnis auch mal provokativ erhellende Perspektivwechsel eingeführt werden. So schreibt Sloterdijk etwa, dass die Geburt der den Menschen unterstützenden Arbeitsmaschine nicht etwa in der Mechanik der Windmühle oder durch die Feuerkraft der Dampfmaschine erfolgte – sondern durch die Sklaverei. Und rechnet später vor, dass der Arbeits- und Energieverbrauch, den jeder Einzelne im Wohlstandswesten alltäglich macht, dem Äquivalent von 25 bis 30 Haussklaven entspräche. Und zwar um zu zeigen, dass die frühen Sozialisten durchaus recht hatten, wenn sie sagten, dass weniger Ausbeutung des Menschen allein durch mehr Ausbeutung der Umwelt gewährleistet werden könne. Was aber nun tun, da die Folgen davon, wiederum verheerend auf den Menschen zurückschlagen?

    Philosoph Peter Sloterdijk, 75., sein neues Buch heißt „Die Reue des Prometheus“.
    Philosoph Peter Sloterdijk, 75., sein neues Buch heißt „Die Reue des Prometheus“. Foto: Roland Schlager, dpa

    Sloterdijk schreibt: "Sollten wir die Möglichkeit von Aufbrüchen in ein Zeitalter prometheischer Reue aufweisen können, wäre an erster Stelle zu zeigen, ob und auf welche Weise seitens der Menschen ein Verzicht auf das Feuergeschenk vorstellbar ist – oder zumindest eine Beschränkung auf ein weltklimaverträgliches Maß." Atomkraft übrigens gehört für ihn nicht zur Lösung, das sei vielmehr "neo- oder hyperprometheisch". Es gelte, Stichwort Verbrennerstreit, aber nicht nur, den CO2-ausstoßenden Verkehr einzuschränken, zumal wenn dieser "im Dienst eines historisch beispiellosen Mobilitätsanspruchs von klarem Luxuscharakter" stehe. Sondern auch darum, "intelligente Energetik im mikrotechnischen Feld" zu erschließen, "jede Exkursion mit dem Fahrrad, jedes Treppensteigen, jede Wanderung im Freien, jede Trainingsstunde im Fitnessstudio (…) durch smarte Technologie produktiv" zu machen. 

    Die Forderungen von Peter Sloterdijk zur Rettung unserer Welt – und ein Aufruf

    Und, Stichwort Weltklimarat: "Im Regime eines energetischen Pazifismus müsste der Hauptfehler des bisherigen Zivilisationsprozesses aufgedeckt und nach Möglichkeit rückgängig gemacht werden. Es war ein fataler, obschon sehr nahe liegender Lapsus, dass das Völkerrecht den Nationalstaaten, als den zeitgenössischen Agenturen der menschlichen Glücks- und Unglücksverwaltung, mehr oder weniger reflexhaft und ohne angemessenes Prüfungsverfahren das Eigentum an den in ihren Territorien liegenden sogenannten 'Bodenschätzen' zuzusprechen bereit war." Nur in der Korrektur dessen, durch eine "Übereignung des Weltbodenschatzerbes an die Gemeinschaft der Völker", könnten die Vereinten Nationen die notwendige Bedeutung erhalten. Ansonsten gleicht die Politik zum Klimaproblem, wie Sloterdijk in einem weiteren, typischen Bonmot schreibt, dem Treiben der Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg: "Die Temperatur steigt, der Kongress tanzt."

    Schließlich, Stichwort klimaneutrales Berlin, die nach Sloterdijk "kulturmorphologischen Implikationen": Schluss mit den Mega-Citys, diesem auch energiefressenden "Irrweg der Zivilisationsgeschichte", was auch ein Ende bedeuten müsse für die "demografische Entgleisung". Kleinere Einheiten förderten lokale Ökonomien und verhinderten "unregierbare Doomsday-Maschinen". 

    Und wie, Herr Philosoph? Sicher nicht durch die Errichtung einer "grünen Sowjetunion", in deren Richtung radikalere Klimaprotestierende unterwegs seien. Sondern: "Jede Form von nicht-unverantwortlicher Gestaltung künftiger Energie- und Weltpolitik kann ihrem Grundzuge nach nichts anderes mehr sein wollen als die Anwendung eines nach-prometheischen Aufrufs zur Teilnahme möglichst vieler (…) an einer von Einsicht bestellten freiwilligen Feuer-Wehr. Fire-Fighters aller Länder, dämmt die Brände ein!"

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