Hollywood hat so einiges aufgeboten, um die gut dreieinhalb Stunden des diesjährigen Oscarverleihungen so prominent und kurzweilig zu halten wie nur möglich. Gefeiert wurden unter anderem während der Gala in Los Angeles jeweils mit den Stars: 50 Jahre „Der Pate“, 30 Jahre „White Men Can’t Jump“, 60 Jahre James Bond und sogar auch noch 28 „Pulp Fiction“. Die Hauptrolle aber spielten freilich die Trophäenvergaben. Oder?
Will Smith sorgt für den Skandal der Oscars 2022
Es wurde bei allen Hinweisen auf die ernsten Zeiten, in denen man heute lebe, viel gespaßt auf der Bühne – am besten sicherlich von Amy Schumer, einer der drei Moderatorinnen, die sogar mal im Spiderman-Kostüm heransegelte. Aber der mieseste Witz des Abends wird in Erinnerung bleiben. Denn als Chris Rock auf die Bühne kam und bei seinen Albernheiten auch die Frau von Will Smith nicht ausließ und auf ihre Kurzhaarfrisur (die sie aufgrund von chronischem Haarausfall trägt) anspielend meinte, er sei schon sehr gespannt auf sie in „G.I. Jane 2“, der vermeintlichen Fortsetzung des Militärdramas mit einst einer kahl geschorenen Demi Moore – da versuchte Will erst noch gute Miene zu zeigen. Der Blick auf Frau Jada aber offenbarte eine Verletzung und ließ ihn zur Tat schreiten. Schritt also auf die Bühne und verpasste Chris Rock live auf der Oscar-Bühne eine Ohrfeige. Als der zwar verdutzt war, aber noch nachwitzeln wollte, schrie Smith, wieder auf seinem Platz neben Jada sitzend und unter Verwendung von reichlich F-Wörtern, er solle den Namen seiner Frau nie mehr in den Mund nehmen. Ein Paukenschlag also, das haben die Oscars so auch noch nicht gesehen. Und als Will Smith später auf die Bühne zurückkehrte und dabei durchaus auch um Entschuldigung bat (beim Publikum, bei der Academy, aber nicht bei Christ Rock!), bekräftigte er in Anlehnung an den Film, für den er dann dort stand („King Richard“) eine Rolle als Beschützer seiner Familie. Was das ja wohl beweisen wäre.
Academy Awards: Die Favoritensiege
Mit jenem zweiten Auftritt holte sich Will Smith dann auch seinen ersten Oscar ab – und danke dafür in einer tränenreichen Rede, in dem er am meisten über sich selbst und die Rolle sprach, die Gott auf dieser Welt für ihn vorgesehen habe, voller Selbstergriffenheit also. Es war ein Favoritensieg für seine Hauptrolle in „King Richard“ – und von solchen Siegen gab es durchaus noch weitere. So gewann Jane Campion nach der Nominierung einst für „Das Piano“ nun mit „The Power oft the Dog“ ihren ersten Regie-Oscar. Und man hätte an dieser Stelle auch erwarten können, dass es das Western-Drama auch zum „Besten Film“ schaffen würde, aber dazu gleich… Denn zunächst noch Weiteres, was erwartet werden konnte: Disneys „Encanto“ gewann bei den animierten Filmen, die Murakami-Verfilmung „Drive My Car“ bei den fremdsprachigen – und „Dune“ strich fast alle technischen Trophäen ein. Darunter auch…
Die deutschen Sieger der Oscar-Verleihung 2022
Zwei Deutsche waren nominiert, beide für „Dune“ – und beide gewannen auch jeweils einen Goldjungen. Gerd Nefzer siegte mit einem Team im Bereich Spezialeffekte, hatte aber bei bereits einlaufender Musik nur noch Zeit für den einen deutschen Moment, nachdem die Kollegen bereits zu viele Worte gefunden hatten. Er sagte: „Dankeschön, Thank You“ – und das war’s. Aber immerhin. Der zweite Preisträger dagegen hätte vielleicht mehr sagen dürfen, wenn er denn da gewesen wäre. Filmmusikkomponist Hans Zimmer nämlich gewann zum zweiten Mal den Oscar, war aber gar nicht erst angereist, weil er derzeit auf Konzerttournee in Europa ist – und weil er nach sehr vielen Nominierungen ohne Ehrung vielleicht auf ein solches Dacapo verzichten wollte? 27 Jahre nach dem Goldjungen für „Der König der Löwen“ aber: Hätte er diesen hier für dann a vielleicht doch lieber persönlich übergeben bekommen? Auch wenn die Ehrungen der Bereiche abseits der Hauptkategorien denkbar knapp gehalten wurden – was bereits im Vorfeld durchaus für manche Verstimmung gesorgt hatte. Und apropos …
Krieg in der Ukraine: Boykott der Oscars 2022 bleibt aus
Sean Penn hatte im Vorfeld hat zum Boykott der Veranstaltung aufgerufen, falls dabei nicht über die Ukraine und deren Präsidenten Selinskij gesprochen werde. Die veranstaltende Academy beschränkte sich auf das absolute Minimum und bat per Text auf dem zentralen Videoschirm um einen Moment der Stille für die Menschen dort – im Übergang zu einer Werbepause… Die sonstigen Hinweise auf schwierige Zeiten bezogen sich eher auf Corona. Aber als die „Godfather“-Heroen dann im Trio auf die Bühne kamen, Francis Ford Coppola, Robert DeNiro und Al Pacino, sprachen die es immerhin aus: „Viva the Ukraine!“ Ungesagt aber blieb das Wort Krieg an diesem Abend in Hollywood. Deutlich mehr Rede war von Diversität. Von Ariana DeBose, die gleich zu Beginn als beste Nebendarstellerin in „West Side Story“ ausgezeichnet wurde, bis zu Jessica Chastain, die gegen Ende den Oscar als beste Hauptdarstellerin in „The Eyes of Tammy Faye“ erhielt, ging es um gleichen Rechte und Möglichkeiten für queere Menschen und Anfeindungen, die diese stattdessen mitunter erlebten – und die sie immer wieder in den Selbstmord trieben … Und dann war da auch noch der Hauptsieger:
Die Sensation der Oscar-Verleihung 2022
Denn nein, es sahnte eben nicht Jane Campion mit dem insgesamt ja zwölf Mal „The Power oft he Dog“ auch noch den Hauptpreis ab. Und auch Kenneth Branagh ging zwar bei der achten Nominierung nun zum ersten Mal mit einem nach Hause (für das beste Original-Drehbuch zu „Belfast“) – aber ebenso wenig wie Steven Spielberg („West Side Story“) gehörte der krönende Abschluss ihm. Es siegte doch relativ sensationell mit drei Preisen bei drei Nominierungen: „Coda“. Das Drama um eine sprechende und vor allem singende Tochter taubstummer Eltern schaffte es vom Independentfilm auf die größte Bühne der Welt und zum Triumph. Nebendarsteller Troy Kotsur gewann, das Drehbuch wurde als bestes adaptiertes ausgezeichnet – und dann der ganze Film als bester! Gebärdensprache bei Dankesreden, ein Fokus auf die Lebensumstände gehandicapter Menschen und ein passend geräuschloser Applaus mit winkenden Händen – ein unerwarteter Fokus dieser Oscar-Verleihungen. Und auch die Präsentation des Hauptpreises war bereits durchaus anrührend, als die wie immer sofort sehr präsente Lady Gaga an der Seite einer gebrechlich wirkenden Liza Minelli auftrat. Die andere Seite des Entertainments, die menschliche, auf die sich Lady Gaga aber bei all ihrer Wucht doch auch versteht.
Das Pop-Duell der Oscars 2022
Die Sängerinnen des Abends aber waren diesmal andere. Von Anfang an schien hier so etwas wie ein Duell der Gigantinnen des Gegenwarts-Pop heraufzudämmern. Denn die Show begann ja anmoderiert von den Schwestern Venus und Serena Williams mit dem Song zum Film ihres Lebens „King Richard“: „Be Alive“ von Beyonce Knowles – mit großem Aufwand und starker Choreografie live vom Ort der Geschichte eingespielt, aus Compton. Später trat dann ja auch noch Billie Eilish auf, samt Bruder Finneas und dem Bond-Song „No Time To Die“ – in eher intimerem Rahmen und live auf der Bühne. Beide waren mit eben diesen Titeln ja aber auch als bester Film-Song nominiert. Und es siegte: Billie Eilish! Von der war freilich keine große Botschaft zu vernehmen. Mit 20 Jahren nun auch schon Oscar-Gewinnerin, die war schlicht überwältigt.