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Neues Album von Das Kitsch: „Dauerschleife“ eignet sich für die Dauerschleife

Augsburg

Das Kitsch liefern den wehmütigsten Sommerhit der Saison

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    Das Trio Das Kitsch hat sein drittes Album veröffentlicht. "Dauerschleife" eignet sich tatsächlich für die Dauerschleife.
    Das Trio Das Kitsch hat sein drittes Album veröffentlicht. "Dauerschleife" eignet sich tatsächlich für die Dauerschleife. Foto: Kilian Seiler

    „Dauerschleife“ könnte ein bundestagsinterner Spitzname für Karl Lauterbach sein, tatsächlich ist es aber auch der Titel der neuen LP der Augsburger Band Das Kitsch. Es ist ihr drittes, und das ist immer eine spannende Veröffentlichung in der Diskographie einer Band. Die Ästhetik der Musik ist schon etabliert, doch innerhalb der Grenzen dieses Wiedererkennungswerts bietet sich Raum für Überraschungen aller Art. Das Kitsch ist ein Trio, das in höchster Musikalität Romantik mit durchgedrücktem Gaspedal in Songs gießt, die nur ganz schwer wieder aus dem Ohr zu bekommen sind – eine sechsarmige Goldkehlen-Kletterpflanze, entwachsen aus von Ohrwürmen aufgelockertem Humus aus Indie, Pop und Jazz. Mit dem neuen Album kann man sie neu entdecken oder weiter gerne haben, man kann sie ironisch mögen oder einfach so.

    Das Kitsch aus Augsburg: Neue LP ‚Dauerschleife‘ verzaubert mit Indie-Romantik

    Ersteres vielleicht, wenn man sich von den dreistimmig vorgetragenen, auf den ersten Blick schmalzigen Zeilen blenden lässt, letzteres gerade wegen dieser augenzwinkernden Liebespoetik über leidenschaftlichen Indiepop. Das Kitsch loten alle Möglichkeiten dieser Musik aus, ohne sich nur eine Sekunde ans Formatradio oder an algorithmusfreundliche Songstrukturen für die großen Streamingplattformen anzubiedern. Acht bunte Blüten aus Musik, mit einer Dauerschleife zu einem hübschen Strauß gebunden.

    Drin steckt zum Beispiel ein wenig NDW, nur ohne die überdrehte Hyperaktivität seiner Vorbilder aus den unseligen Achtzigern. Trotz klanglicher Referenzen setzt sich „Lüge“ dank der überraschenden Tonfolgen und unvorhersehbaren Akkordwechseln deutlich vom Chartsmaterial vor 40 Jahren ab. Bei „Sommer“ liehen sie sich von einem Alleinunterhalter, der desillusioniert von drei Dekaden Silberhochzeitsfeiern in Vereinsheimen einfach nicht mehr auf die Bühne möchte, dessen Keyboard und komponieren aus Konservenperkussion und Surfgitarren den wehmütigsten Sommerhit der Saison, der konsequenterweise im trüben Herbst veröffentlicht wird. Mit mehr Weltschmerz kann man nicht über das Eisessen singen, und gerade wenn eine salzige Träne auf die Kugel Erdbeereis tropft, strahlt dem Refrain Sonnenstrahlen aus funky Gitarren und massiven Basssynthies aus den Augen.

    Gastkünstlerin Josy: Spannende Zusammenarbeit auf „Geheimnis“

    Das Album klingt warm, klar und aufgeräumt, und spätestens bei den charakteristisch schlingernden Synthieklängen bei „Über die Musik“ kann nichts mehr darüber hinwegtäuschen, dass Produzent Maximilian Wörle da seine Finger im Spiel hatte. Wörle weiß genau, was eine Band wie Das Kitsch für einen Sound braucht, um alles, was diese Band ausmacht, strahlen zu lassen. „Wir haben uns drei, vier Stunden aufgewärmt, dann hat Maxi sofort unseren Sound verstanden“, berichtete Schlagzeuger Simon Kerler im Frühjahr am Rande des Tourauftaktkonzerts in München, der Beweis ist nun in die Rillen der Platte eingefräst.

    Dort findet sich auch die Stimme von Josy, der erste Gast auf einem Album von Das Kitsch. Josy hat trotz ihrer jungen Jahre schon alles erlebt im Musikgeschäft und kann daher jetzt machen, was sie will. Sie gehört zu den spannendsten Künstlerinnen der Stadt, und ihr Beitrag zu „Geheimnis“ macht da keine Ausnahme. Zuerst gibt sie der lakonischen Stimme von Martin Schenk ein fast mystisch klingendes Gegengewicht, bevor sie sich im Duett zu einer Art rabenschwarzem Alpenschlager aufschwingen. Das Kitsch tanzen leichtfüßig auf dem Rand des Vulkans der Belanglosigkeit, ohne in Gefahr zu laufen, in den Krater zu stürzen. „Spielen Sie Dauerschleife auf Dauerschleife“. Das könnte auch ein Ratschlag aus dem Bundesministerium für Gesundheit sein.

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