i
Foto: Christian Werner
Foto: Christian Werner

Sophie Passmanns neues Buch "Pick me Girls" sorgt für feministische Debatten.

Neuerscheinung
12.09.2023

"Pick me Girls": Darum geht's in Sophie Passmanns neuem Buch

Von Laura Gastl

Sophie Passmanns Buch "Pick me Girls" handelt von männlicher Aufmerksamkeit und Frauen, die anders sein wollen. Feministinnen üben Kritik an einer Feministin.

Sophie Passmann beginnt mit zwei Einleitungen. Die eine richtet sich an Frauen, die andere an Männer – damit eröffnet die Autorin ihr neues Buch "Pick me Girls" unübersehbar und unmissverständlich mit dem Zwiespalt, um den es dann 216 Seiten lang gehen wird. Männer und Frauen werden unterschiedlich erzogen, in der Gesellschaft unterschiedlich behandelt, noch immer. Wollen Frauen Ansehen, wollen sie einen guten Job und gutes Gehalt, ist Passmann zufolge nach wie vor die einzige Währung, die zählt: männliche Anerkennung. Die Autorin beschreibt anhand eigener Erfahrungen und eigenem Handeln, dass Feminismus im Alltag nicht immer perfekt sein müsse und auch nicht sein könne. Da hagelt es mitunter Kritik – von Feministinnen an einer Feministin.

Nach dem Erfolg ihrer Bücher "Komplett Gänsehaut" und "Alte weiße Männer" sind die Erwartungen an Passmanns neues Werk groß. Der Verlag gibt an, das schmale Buch mit der vor einem Pool posierenden Sophie Passmann vorne drauf sei das bislang persönlichste der 29-Jährigen. Dem kann man zustimmen, in weiten Teilen hat "Pick me Girls" fast schon Autobiografiecharakter. Aus der Ich-Perspektive gibt Passmann Einblicke in ihr Leben, oft geht es um ihre Kindheit und ihre Jugend. Die Autorin reflektiert viel, hat im Schreibprozess mutmaßlich auch viel verarbeitet. Denn es geht unter anderem um eine Essstörung, um Scham, psychische Leiden und Schönheitseingriffe.

Sophie Passmann schreibt in ihrem neuen Buch über "Pick me Girls"

In "Pick me Girls" ist der Titel Thema: Gemeint sind damit Frauen und Mädchen, die anders sein wollen als andere Frauen. Sie interessieren sich nicht für "typische" Frauenthemen, nicht für Make-up und nicht für Mode. Hängen lieber mit Jungs und Männern ab, weil die weniger Drama machen, als es Frauen tun würden. Sie wollen unkompliziert sein und rein zufällig wunderschön. Und damit vor allem eines erreichen: Männern gefallen. Geprägt wurde der Begriff "Pick me Girl" in den vergangenen Jahren in den sozialen Medien, wo diese Frauen für ihr Benehmen, das nach "Nimm mich, wähl mich, lieb mich" schreit, belächelt und verachtet werden.

Sophie Passmann stellt die Lage in ihrem neuen Buch anders dar, sie nimmt die unbeliebten "Pick me Girls" in Schutz – und gibt zu, gelegentlich selbst eines zu sein. Also eine Frau, "die kokett im Leben herumsteht, um Männer zu beeindrucken". Schuld daran sei das System, in dem Frauen nach wie vor den Männern gefallen müssen, um gut behandelt zu werden und um in ihrem Leben etwas erreichen zu können. In diesem Zuge nimmt die Autorin "popkulturelle" Filme und Serien auseinander, die diese Strukturen aufgreifen, und analysiert eigene Erfahrungen, die sie als "dickes Mädchen" gemacht hat. Was nicht vorkommt, sind andere Perspektiven und Stimmen zum Thema. Das kann man kritisieren. Der NDR schreibt zum Beispiel: "Das Buch 'Pick me Girls' wirkt in seiner sprunghaften Oberflächlichkeit wie ein überlanger Social-Media-Post aus Sophies Welt." Oder aber akzeptieren, dass es sich um ein persönliches und Passmann-meinungsstarkes Buch handelt.

"Pick me Girls" wollen Männern gefallen

In ebendiesem Buch erzählt Passmann aus ihrem eigenen Leben und dem steten Versuch, "mehr Feministin" zu sein, "weniger Fantasie oder Projektion für Männer". Und beschreibt ihr Bewusstsein dafür, dass das nicht immer gelingt und das Leben "ein ständiges Ausprobieren und Scheitern bleiben wird, ein Korrigieren und Entschuldigen". Sie erzählt auch von Kleidung und Beautyprodukten, die sie gekauft, getragen und verwendet hat, um vermeintliche Makel auszugleichen – und von Schönheitseingriffen, die sie hat machen lassen, Augenringe und Lippen unterspritzen zum Beispiel.

Lesen Sie dazu auch

Das sorgt für Kritik auf der Social-Media-Plattform X, vor Kurzem noch Twitter, unter anderem von der Journalistin Isolde Ruhdorfer. In einem Kommentar für Krautreporter schreibt sie, Passmann würde riskante Schönheits-OPs normalisieren und damit ein Phänomen namens white feminism oder choice feminism bedienen. Gemeint ist damit ein Feminismus, den sich nur privilegierte Frauen leisten können, der aber arme, schwarze oder behinderte Frauen ausschließt. Eine Sophie Passmann sei mit ihrer Reichweite jedoch ein Vorbild und es sei unsolidarisch, Schönheitseingriffe zu verharmlosen.

Dabei ist das, was Sophie Passmann in ihrem Buch beschreibt, kein Verharmlosen solcher Eingriffe. Sie gibt Einblicke in ihre Gedankenwelt, in ihre Beweggründe, die sie nicht als richtig oder gar perfekt feministisch darstellt. Sie lässt die Leserinnen und Leser vielmehr teilhaben am Prozess ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Und zeigt, dass es nicht so leicht ist, sich gesellschaftlichen Erwartungen – etwa in Hinblick auf das Aussehen einer Frau – zu entziehen. Und sie gesteht ein, das Unterspritzen ihrer Augenringe am Ende bereut zu haben, löst eigene Fehler mit Einsicht auf.

Feministinnen kritisieren Sophie Passmann wegen Schönheitseingriffen

Ebenso liegt Zündstoff in Sätzen wie: "Mit Anfang 20 nämlich begann ich, mit Sorge zu betrachten, dass ich deutlich seltener sexuell belästigt wurde, als die anderen Frauen, mit denen ich studierte." Sie spricht damit einen verbotenen Gedanken aus, bei dem sich viele Frauen wohl schon erwischt haben in einer Welt, in der es stets um männliche Aufmerksamkeit zu gehen scheint. Es sind Gedanken, die die Frauen selbst abstoßend finden – und doch ab und zu denken angesichts von Selbstzweifeln und Unsicherheit in einem patriarchalen System.

Am Ende von Sophie Passmanns Buch bleiben Fragen offen: Auf wie viele Mädchen und Frauen lässt sich das Phänomen "Pick me Girl" tatsächlich übertragen? Und wie kann man sich dem entziehen? "Pick me Girls", das ist kein Ratgeber und keine Autobiografie, sondern ein Buch, in dem "gemeinsame Erfahrungen" von Frauen archiviert werden. 

Facebook Whatsapp Twitter Mail