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Neueröffnung der Sankt Hedwigs-Kathedrale in Berlin: So kam die Hauptstadt zu einer Kirche für die Heilige Hedwig von Schlesien

Kulturgeschichte

Wie Berlin zu einer Kathedrale für eine bayerische Heilige kam

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    Hell, einladend, ebenerdig: So soll die Sankt-Hedwigs-Kathedrale bald aussehen.
    Hell, einladend, ebenerdig: So soll die Sankt-Hedwigs-Kathedrale bald aussehen. Foto: Nightnurse Images, Zürich

    Eine Frau läuft im Winter durch die Straße. Sie ist einfach gekleidet, man sieht ihr nicht an, dass sie eine Adlige ist. Das möchte sie auch nicht. „Die Armen sind unsere Herren“, predigt sie ihrer Tochter Gertrud immer. Weit weg von ihrem bayerischen Zuhause am Ammersee ist sie, im polnischen Schlesien. Sie läuft barfuß, in der Hand hält sie ein Paar Schuhe. Ihr Beichtvater hat sie dazu ermahnt, Schuhe zu tragen, also trägt sie sie mit sich.

    Sie heißt Hedwig, die heilige Hedwig, und diese Erzählung wird über sie überliefert. Rund 800 Jahre später prangt ihr Name auf einer Kirche in Berlin. Die im Krieg zerstörte Sankt Hedwigs-Kathedrale wird gerade renoviert, zum Herbst soll alles fertig sein. Das römisch anmutende Gebäude ist von einem Bauzaun umgeben, öffentlich betretbar ist die historisch bedeutendste katholische Kirche Berlins seit mehreren Jahren nicht mehr. Draußen knallt die Sommerhitze, Infotafeln vertrösten die Besucherinnen und Besucher.

    Wir wollen eine Umgestaltung machen, an der man nicht vorbeikommt“

    Für unsere Redaktion wird eine Ausnahme gemacht. Stefan Förner, Pressesprecher des katholischen Erzbistums Berlin, geht voran. Über lose Bretter und Kabel geht es ins Innere. Man muss aufpassen, wo man hintritt. Mit jedem Meter wird es kühler, aber nicht ruhiger: Bauarbeiter kreuzen den Weg, irgendwo ertönt etwas, das sich nach Fräse anhört, und in einem anderen Eck läuft ein Radio. Und doch befindet man sich in einer Kirche. Eine große weiße Kuppel wölbt sich im Inneren. In der Mitte befindet sich ein runder Altar.

    Stefan Förner vom katholischen Bistum Berlin zeigt, wie es hinter der weiße Kuppel aussieht. Dort befindet sich eine weitere Außenwand.
    Stefan Förner vom katholischen Bistum Berlin zeigt, wie es hinter der weiße Kuppel aussieht. Dort befindet sich eine weitere Außenwand. Foto: Anna Mohl

    Die Unterstützer der Renovierung haben sich viele Gedanken um ihr Bauwerk gemacht. „Wir wollen eine Umgestaltung machen, an der man nicht vorbeikommt“, sagt Förner. Das Gebäude soll attraktiv, einladend wirken - auch für Gäste, die keine Kirchgänger sind. Hinter der großen Kuppel geht es in eine kleinere Kuppel. „Hier soll jeder hinkommen können und eine Kerze anzünden oder einen Kranz niederlegen, egal welcher Glaubensrichtung“, erklärt der Pressesprecher. Man wolle auch die Steinquader vor dem Eingang wegräumen und viel Glas in die Front einbauen.

    Noch ist das Innere der Kuppel mit Gerüsten gefüllt, an vielen Stelle wird gewerkelt.
    Noch ist das Innere der Kuppel mit Gerüsten gefüllt, an vielen Stelle wird gewerkelt. Foto: Anna Mohl

    Die Geschichte der heiligen Hedwig beginnt in Bayern

    Es ist ungewöhnlich, dass eine Kirche in Zeiten der Kirchenflucht so aufwendig renoviert wird. Aber die Kathedrale am Bebelplatz ist auch keine gewöhnliche Kirche. Ihre Geschichte beginnt mit dem Leben Hedwigs, deren Weg sie aus Bayern nach Schlesien führte, aber nie nach Berlin. Warum steht hier also eine Kirche zu ihren Ehren?

    Von außen mutet die Kirche römisch an. Für die Öffentlichkeit ist das Gebäude erst ab Herbst zugänglich.
    Von außen mutet die Kirche römisch an. Für die Öffentlichkeit ist das Gebäude erst ab Herbst zugänglich. Foto: Anna Mohl

    Um das zu verstehen, bedarf es einen Blick in Hedwigs Leben. Vor 850 Jahren, im Jahr 1174, wird sie auf Schloss Andechs geboren. Als sie mit Heinrich dem Ersten, „dem Bärtigen“ von Schlesien, verheiratet wird, verlässt sie Bayern. Zu diesem Zeitpunkt ist Hedwig erst zwölf. Sechs Jahre hat das junge Mädchen da schon im Kloster gelebt. Ihre Gottesfürchtigkeit treibt sie auch in der neuen Heimat an: Hedwig gründet Klöster und unterstützt verschiedene Orden. Die junge Frau lebt Nächstenliebe: Sie kümmert sich hingebungsvoll um Kranke und Arme, lebt Verzicht. Sie lernt sogar Polnisch, um ihnen besser dienen zu können, obwohl an dem Herrscherhof auch Deutsch gesprochen wird.

    Hedwig von Andechs wurde Hedwig von Schlesien

    In der Kathedrale spielt Gemeinschaft auf Augenhöhe ebenfalls eine zentrale Rolle, wie es auch Hedwig wichtig war. Im Gegensatz zu anderen Kirchen ist sie nämlich keine „Wegkirche“, bei der es weiter vorn immer heiliger wird, je näher man zum Altar kommt, erklärt Förner. Stattdessen versammeln sich alle um den runden Altar in der Mitte. Direkt darunter befindet sich die ehemalige Grabkirche, die inzwischen in eine Unterkirche umgewandelt ist. Der Pressesprecher weist den Weg. Wo früher die Toten beerdigt waren, prangt heute ein Taufstein in der Mitte, direkt unterhalb des Altars. Oberhalb des Altars fällt Licht durch eine Öffnung. „Die Kathedrale bildet das Leben eines Christen ab: Unten wird man Christ, oben versammeln sich Christen um den Altar und die Öffnung, die zum Himmel hinzeigt, symbolisiert die christliche Auferstehungshoffnung“, erläutert der 59-Jährige.

    Es ist eine Hoffnung, an der sich auch Hedwig festhält. Sieben Kinder bekommt sie. Getrud ist jedoch die einzige Tochter, die alt wird. Sechs sterben jung, ihre gleichnamige Schwester Gertrud wird ermordet. Als ihr Mann und ihr ältester Sohn umkommen, tritt Hedwig selbst ins Kloster ein. In Trebnitz, nördlich von Breslau, stirbt „Hedwig von Schlesien“ mit fast 70 Jahren. Knapp 30 Jahre nach ihrem Tod wird sie heiliggesprochen. Für die Schlesier wird die Bayerin zur wichtigsten Heiligen, zur Schutzpatronin Schlesiens und Polens. „In die Geschichte ist sie als Hedwig von Schlesien eingegangen. Aber hergekommen ist sie als Hedwig von Andechs“, sagt Förner.

    Friedrich der Große gab seinen schlesischen Untertanen eine Kirche

    Außerdem wird sie Schutzpatronin Berlins. Denn als das katholische Schlesien dem protestantischen Preußen einverleibt wird, trifft Friedrich der Große eine Entscheidung: Um die katholischen Einwanderer in Berlin zu besänftigen, lässt er ihnen eine Kirche errichten und benennt sie nach der heiligen Hedwig.

    Im Herbst, am 16. Oktober, wird Hedwigs 850. Geburtstag oder auch Namenstag gefeiert. Mehrere deutsche und polnische Bistümer begehen den Tag feierlich, auch in Andechs am Ammersee findet an diesem Tag ein Fest statt. Dort blickt man dem Tag erwartungsvoll entgegen. Martin Glaab vom Kloster Andechs erklärt, man fühle sich mit der heiligen Hedwig nicht nur ihrer Herkunft wegen verbunden, sondern auch durch ihre Bedeutung als Friedensstifterin und Brückenbauerin im politischen Geschehen. Die heilige Hedwig stehe für „die Völkerverständigung in Europa“ und sei angesichts der vielen Konflikte „heute besonders aktuell.“

    Nur etwas später, im November, wird auch die Sankt Hedwigs-Kathedrale neu eröffnet. Förner freut sich schon sehr darauf, der Öffentlichkeit das neue Innere zu zeigen. „Manche sagen, dass die Kirche ein wenig abgelegen liegt. Ich finde, sie ist wie ein Edelstein, der den Ring der Gebäude auf dem Bebelplatz krönt.“

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