Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Musikrechte: Der Hype könnte bald vorbei sein

Musikindustrie

Das Geschäft mit den Musikrechten: Wie lange hält der Boom noch an?

    • |
    • |
    Freddie Mercury, einst Leadsänger der britischen Rockgruppe Queen. Die Band soll ihre Musikrechte im Juni für einen Rekorderlös verkauft haben.
    Freddie Mercury, einst Leadsänger der britischen Rockgruppe Queen. Die Band soll ihre Musikrechte im Juni für einen Rekorderlös verkauft haben. Foto: dpa

    Der US-amerikanische Investor Blackstone ist nicht unbedingt für seine Betätigung im kulturellen Umfeld bekannt. Das milliardenschwere Unternehmen mit Hauptsitz in New York legt das Geld seiner Kundinnen und Kunden für gewöhnlich in Immobilien an, setzt Hedgefonds auf oder kauft sich in ganze Firmen ein. Für die meisten Künstlerinnen und Künstler ist die Welt des gigantomanischen Blackstone-Kapitalismus so weit entfernt wie die Londoner Abbey-Road-Studios von der New Yorker Wall Street. Doch als Ende Juli die Musikrechte von Künstlern wie Neil Young, Shakira, Blondie oder die Red Hot Chili Peppers auf den internationalen Kapitalmärkten angeboten wurden, schnappte der Vermögensverwalter nach der kulturellen Beute.

    Rund 1,6 Milliarden Euro soll Blackstone für die Musikkataloge an seine Vorbesitzer bezahlt haben. Das waren nicht etwa die Künstler selbst: Die hatten ihre Ansprüche auf Tantiemen und andere Verwertungsrechte längst abgetreten. Seit Jahren schon kaufen große Labels und andere Rechtesammler den Musikern ihre Erlöse aus Online-Streams und der Vervielfältigung im Radio ab und handeln mit ihnen wie mit einem Finanzprodukt. Von einem regelrechten Musikrechte-Boom sprechen Expertinnen und Experten; ein Boom allerdings, der seinen Zenit bald überschritten haben könnte.

    Musikrechte Bruce Springsteen und Michael Jackson fuhren Rekorderlöse ein

    Peter Tschmuck, Professor für Musikwirtschaftsforschung an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, beobachtet die Entwicklung der Branche seit Jahren. „Es fließt immer noch sehr, sehr viel Geld in den Musikrechtemarkt“, sagt der Wissenschaftler. Erst im Juni habe einer der wertvollsten Rechtekataloge überhaupt den Besitzer gewechselt. Die Mitglieder der britischen Rockband Queen, so heißt es aus informierten Kreisen, hätten ihre zukünftigen Ansprüche auf Tantiemen und andere Vermarktungsmöglichkeiten an das Major-Label Sony verkauft. Rund eine Milliarde Pfund soll der Deal den Musikern eingebracht haben, es wäre die teuerste Transaktion aller Zeiten. Bislang führten Bruce Springsteen (geschätzt 500 Millionen Dollar) und Michael Jackson (rund 600 Millionen für die Hälfte aller Veröffentlichungen) die Liste der teuersten Rechteverkäufe an.

    Experte Tschmuck beobachtet, dass vor allem die Rechte etablierter Musikerinnen und Musiker gefragt sind. Zwar machten zuletzt auch jüngere Künstler wie Justin Bieber oder Katy Perry ihre Ansprüche zu Geld. Das Gros der gehandelten Kataloge gehört aber zu Interpreten, die schon seit Jahrzehnten an der Spitze der Musikwelt stehen. Während sie von den Millionengeschäften mit ihren Rechten profitiert hätten, sei das für weniger erfolgreiche Musikerinnen und Musiker nicht der Fall, sagt Tschmuck. Das Fördern von jungen Künstlerinnen und Künstlern durch Rechtekäufer finde kaum statt. „In dieser Hinsicht ist der Musikrechte-Boom eine schlechte Entwicklung“, findet der Ökonom. Er kritisiert, dass sich Kunst und Erlöse zunehmend voneinander entkoppelten.

    Trading-Plattform JKBX: Anteile an Musikrechten für wenig Geld

    Für große Rechtesammler wie Hipgnosis oder Primary Wave sind Musikkataloge vor allem eine Wette auf die Zukunft. Sie setzen darauf, dass Songs bekannter Künstlerinnen und Künstler auch weiterhin gut im Internet geklickt oder im Radio gespielt werden. „Musikrechte werden zunehmend zu einem Anlage- und Spekulationsobjekt“, erklärt Wissenschaftler Tschmuck. Entwickelte sich ihr Wert gut, könnten die Kataloge gewinnbringend weiterverkauft werden.

    Für Aufregung sorgte zuletzt die Plattform JKBX aus den USA, auf der sich Kleinanlegerinnen und -anleger schon für einstellige Euro-Beträge Anteile an einzelnen Songs kaufen können. Eine Aktie am Song „Bonfire Heart“ von James Blunt kostet dort zum Beispiel 2,08 Dollar. JKBX wirbt damit, die Streaming-Klicks hätten den Anlegern in der Vergangenheit eine Verzinsung von gut drei Prozent eingebracht.

    Für Künstlerinnen und Künstler sind die Geschäfte mit den Rechten attraktiv, weil sie einen festen Geldbetrag erhalten und nicht auf unsicheren Ausschüttungen in der Zukunft hoffen müssen. In Corona-Zeiten etwa stagnierten die Einnahmen aus Konzerten und Live-Auftritten, während die Streams auf Plattformen wie Spotify oder Deezer zunahmen. „Die wachsende Streaming-Ökonomie auf Plattformen wie Spotify ist der größte Treiber für den Musikrechte-Boom“, erklärt Tschmuck.

    Musikrechte-Experte Tschmuck: „Boom wird so nicht weitergehen“

    Hinzu kommt der Verwaltungsaufwand, dem sich viele Interpreten entledigen wollen. Der Branchenkenner vermutet, dass ältere Künstlerinnen und Künstler mit dem Verkauf ihrer Rechte die mitunter komplizierte Nachlassregelung vereinfachen wollen. Einen Geldbetrag zu vererben, sei für manche mit weniger Ärger verbunden als die unterschiedlich hohen Tantieme unter den eigenen Nachkommen aufzuteilen.

    Doch der Wissenschaftler glaubt, dass der Hype abebben könnte. „Der Boom wird so nicht weitergehen“, sagt Tschmuck. Die Zahl der großen Sammlungen, die noch auf dem Markt seien, werde zunehmend kleiner: „Die besten Rechtekataloge sind schon aufgekauft.“ Eine Ausnahme sei etwa das Rechtepaket der Rockband Pink Floyd, über dessen Verkauf schon lange spekuliert wird. Doch Streitereien und eine fehlende Einigung der Bandmitglieder hätten den Deal bislang verhindert.

    KI könnte Musikrechteinhabern zusätzliches Geld bringen

    Eine andere Entwicklung hingegen könnte den Musikrechtekäufern in die Hände spielen und noch mehr Geld in den Markt pumpen. Sollten KI-Unternehmen in Zukunft dazu verpflichtet werden, an Rechteinhaber Geld zu zahlen, wenn Künstliche Intelligenzen mit deren Songs trainiert werden, könnten die Investoren laut Tschmuck auf zusätzliche Einnahmen hoffen. Bislang sei hier die rechtliche Lage ungeklärt. Blieben die Einnahmen aus KI dagegen aus, drohe sogar die Gefahr einer Blase, warnt der Ökonom.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden