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Foto: Marcus Brandt, dpa
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Martin «Doktor Rentz» Vandreier (l-r), Boris «König Boris» Lauterbach und Björn «Björn Beton» Warns von der Hamburger Hip-Hop-Band Fettes Brot verabschieden sich.

Musik
01.09.2023

Sie machen es wirklich: Fettes Brot verabschieden sich mit zwei Mega-Konzerten

Von Felicitas Lachmayr

Fettes Brot gibt zwei letzte Konzerten. Das Trio machte Hip-Hop in Deutschland groß – und sprengte mit lustigen Texten und funkigen Sounds immer wieder Genre-Grenzen.

Anfang der 90er Jahre im Hamburger Hinterland. Drei Jungs sitzen zusammen, sampeln, reimen, blödeln herum – und schreiben einen Song, der sie über Nacht in die Charts katapultiert. Mit „Nordisch By Nature“ landet das Hip-Hop-Trio Fettes Brot seinen ersten Hit. Jetzt, 31 Jahre später, verabschieden sich Doktor Renz, König Boris und Schiffmeister mit zwei Konzerten in Hamburg. 

Dass sie mal zwölf Alben veröffentlichen und mithelfen würden, den Hip-Hop in Deutschland großzumachen, ahnen die drei Jungs damals nicht. Sie machen Musik, weil sie Spaß daran haben und amerikanischen Hip-Hop lieben, auch wenn die teils rauen Texte an der Lebensrealität der drei Gymnasiasten vorbeigehen. Sie meinen es nicht ganz so ernst mit ihrem auf Plattdeutsch gerappten und mit poppigem Disco-Sound unterlegten Blödel-Song „Nordisch By Nature“. Trotzdem machen Fettes Brot gleich zu Beginn ihrer Karriere klar, was sie nicht wollen: auf einen bestimmten Stil festgenagelt und zum Sell-out werden. Noch im selben Jahr nehmen sie den Song vom Markt, um das Image der albernen Lokalrapper loszuwerden.

Mit „Jein“ bringen Fettes Brot den Gute-Laune-Hip-Hop in den Mainstream

Ihren Humor behalten sie sich bei, doch schon ihr nächstes Lied streift nicht mehr nur die Ohren hanseatischer Kleinstadt-Kids, sondern wird in ganz Deutschland gefeiert. Markanter Trompetensound, warmes E-Piano: „Es ist 1996, meine Freundin ist weg und bräunt sich.“ Mit dieser Zeile beginnt „Jein“, das bis heute bekannteste Lied der Hip-Hop-Crew und Partykracher aller Unentschlossenen. Zu Hause bleiben oder feiern gehen, fremdgehen oder treu sein – Fragen, die Jugendliche eben so umtreiben, zugespitzt im Refrain: „Soll ich’s wirklich machen oder lass’ ich’s lieber sein?“ 

Funktioniert immer noch, auch wenn es vielleicht nicht mehr die Fragen sind, die sich Boris Lauterbach, Martin Vandreier und Björn Warns heute stellen. Sie sind verheiratet, haben Kinder und andere Sorgen. Doch mit „Jein“ bringen sie Ende der Neunziger den Gute-Laune-Hip-Hop in den deutschen Mainstream und sind neben den Fantastischen Vier – die haben sich bisher nicht verabschiedet, aber zumindest eine 30-Jahre-Jubiläumstour gespielt – die ersten Rapper, die es in die Charts schaffen. 

Von Gangsterrappern wie Sido oder Bushido werden sie gedisst

Nicht ohne von Gangsterrappern wie Sido, Bushido oder Kool Savas, die damals noch nicht wirklich etwas zu melden hatten, gedisst zu werden. Die harten Jungs von der Straße blicken verächtlich auf den fluffig-funkigen Sound des Hamburger Spaß-Trios. Alles nicht real und aggressiv genug, so der Vorwurf.

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Doch davon lassen sich Fettes Brot nicht einschüchtern. Im Gegenteil, sie schießen zurück und liefern mit „Schwule Mädchen“ 2001 nicht nur einen eingängigen Partytrack, sondern gleich noch einen Protestsong gegen die homophoben Tendenzen in der Hip-Hop-Szene: viermonatiger Charterfolg, Volltreffer. Immer wieder schreiben Fettes Brot Hits wie 2005 mit „Emanuela“ oder drei Jahre später mit „Bettina, zieh dir bitte etwas an“. Anfangs liefert DJ Rabauke die Musik auf den Platten und Konzerten, später wird DJ exel. Pauly zum ständigen Begleiter der drei Jungs.

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Foto: Rolf Vennenbernd, dpa
Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

Rapper Sido, das Gesicht versteckt hinter einer silbernen Totenkopfmaske.

Beginner oder Freundeskreis machten Fettes Brot gehörig Konkurrenz

Sie gehen mit der Zeit, arbeiten mit Künstlern wie den Ärzten, Modeselektor, Heinz Strunk, Tocotronic oder Fünf Sterne Deluxe zusammen und sprengen Genre-Grenzen, mischen Rap mit Disco-Sounds, Elektro, Funk oder Punk. „Die netten Türaufhalter des deutschen Hip-Hop“ nannte Moderatorin Charlotte Roche das Trio aus dem Hamburger Speckgürtel mal. 

Mehrere Auszeichnungen, ein eigenes Label, zwölf Platten – Fettes Brot zählen vielleicht nicht zu den einflussreichsten, aber zumindest zu den erfolgreichsten deutschen Rapgruppen der 90er Jahre. Auch wenn ihnen Acts wie Beginner, Freundeskreis oder Dynamite Deluxe gehörig Konkurrenz machten. 

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Foto: Jens Kalaene, dpa
Foto: Jens Kalaene, dpa

Von links: Jan Delay, Dennis Lisk (Denyo) und Guido Weiß von den Beginnern.

Nun verabschiedet sich die erste Generation des deutschen Hip-Hop. „Wir haben das Gefühl, die Geschichte ist auserzählt“, erklärte Warns vor Kurzem. Sie hätten alles erlebt, was man mit einer Band erleben kann. Er selbst absolvierte während der Corona-Zeit ein Filmstudium, Lauterbach will sich weiter der Musik widmen und Vandreier nach eigener Aussage erst mal die Langeweile genießen. 

Nach 31 Jahren haben sich die drei Hanseaten also doch noch mal die Frage gestellt: „Soll ich’s wirklich machen oder lass’ ich’s lieber sein?“ Sie machen es wirklich. Sie lassen es sein. Abschiedslied, Best-Of-Platte und zwei Open-Air-Konzerte in Hamburg. Die Tickets waren in wenigen Stunden ausverkauft. Ein letztes Mal feiern mit 50.000 Fans.

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