Hinter dem großen freudigen Hallo verbirgt sich ein kleines bitteres Goodbye. Und im vermeintlichen Happy End eines Sonnenuntergangs werden auch die Schatten länger …
Ist also doch nicht alles, alles gut, jetzt, da die Red Hot Chili Peppers kurz vor dem 40-jährigen Band-Jubiläum wieder in der Besetzung vereint sind, in der sie ihre größten Werke vollbracht haben? Der 2009 bereits zum zweiten Mal aus der Band ausgestiegene John Frusciante ist zurück an der Gitarre, Star-Produzent Rick Rubin wieder an den Reglern, alles also wie bei „Blood Sugar Sex Magic“ zu Beginn und „Californication“ zum Abschluss der Neunziger. Das eine machte sie zu Rock-, das andere zu Pop-Stars. Nun, sechs Jahre nach dem für ihre Fähigkeiten höchstens ordentlichen „The Getaway“, heißt es bei den neuen alten Chilis „Unlimited Love“: Unbegrenzte Liebe – also doch alles auf Freude, Happy End!
Fruciante plingt hübsche Gitarreneffekte auf dem neuen Chilli-Pepper-Album
Doppel-Na-ja. Und bevor es zum Persönlichen geht, erst zur Musik. Wollte man das ganze 17 Songs und fast 70 Minuten umfassende neue Album qualitativ ins Schaffen der Band einordnen, deren Gründer mit Sänger Anthony Kiedis und Bassist Flea dieses Jahr noch 60 werden, es rangierte eher auf einer Höhe mit dem Werk, das auch eine Großtat der Rubin-Peppers hätte sein können, wäre es nicht zum Doppelalbum aufgebläht gewesen: „Stadium Arcadium“. Allerdings auf Höhe der Hälfte, die man hätte weglassen können.
Was böser klingt, als es ist. Denn wie in jenen Songs vor gut 15 Jahren ist auch hier und heute das Material unverkennbar und gut. Über dem absolut soliden Schlagzeug von Chad Smith finden fast alle Lieder einen schönen Groove, von Flea funkig unterfüttert, Kiedis ist beim Singen dem früheren Selbstzweifel angenehm fern (beim funkigen Sprechsingen wie nun in „One Way Traffic“ hatte er die zu Recht noch nie), und Fruciante plingt hübsche Gitarreneffekte dazu.
Die Chili Peppers präsentieren neue Songs wie „Black Summer“
Die erste Single „Black Summer“ gibt einen ganz guten Grundeindruck, in Songs wie „Let ’Em Cry“ und „Aquatic Mouth Dance“ kommen noch Bläser hinzu, und selten gerät das Ganze dröge wie in „Poster Child“ oder „White Braids & Pillow Chair“. Es herrscht sogar so etwas wie eine neue Souveränität in dieser Band, verspielt und harmonisch, als wäre wirklich alles gut. In den Strophenteilen der Songs zumindest ist es das ja auch. Was den Red Hot Chili Peppers jedoch immer ihre erfolgreichsten Hits und auch besten Nummern gebracht hat, war das abwechslungsreiche Ineinandergreifen von Strophe und Refrain, und das waren überhaupt: melodisch hinreißende Refrains.
Gerade das aber gelingt hier auf „Unlimited Love“ eigentlich nie, am besten vielleicht in „Watchu Thinkin’“. Und in der milden Schönheit gedeiht so der Schatten der Langweile. Da sind Ausreißer wie die Akustik-Ballade „Tangelo“ und der Rocker „These Are The Ways“ wohltuend, wenn auch weit entfernt von früheren Großtaten der Band auf beiden Feldern. Es ist also kein einziger Hit, kein Volltreffer auf diesem Album. Und sonderlich interessant ist auch nicht. Aber ganz schön ist es eben schon.
"The Heavy Wing" ist der interessanteste Song auf "Unlimited Love"
Als interessantester Song bleibt der (wie so viele andere, albumtitelgemäß) von der Liebe erzählende „The Heavy Wing“. Da nämlich prescht aus wieder einem dieser hübschen Strophenläufe John Frusciante mit Gitarre und auch Gesang in den Vordergrund – und plötzlich klingen die Chili Peppers mehr denn je wie der Rückkehrer auf seinen zahlreichen zwischenzeitlichen Solo-Alben, (am schönsten vielleicht: „Shadows Collide With People“, 2004). Das führt zu Licht und Schatten im Persönlichen. Denn wahrscheinlich würde der lange heroinabhängige Frusciante gar nicht mehr leben, hätte ihn dereinst Flea nicht schon mal (zu „Californication“) zum Wiedereinstieg in die Band überredet. Nach dem zweiten Ausstieg hatte er sich selbst aus der erneuten Sucht in die Produktivität gerettet – und die Band sich durch den Gitarristen Josh Klinghoffer.
Mit seiner Dienlichkeit und frei von allen Gockeleien, die es zuweilen zwischen Kiedis und Frusciante gab, hat der den auf der Bühne eher autistischen Red Hot Chili Peppers unter anderem zu den besten Live-Konzerten seit sehr langer Zeit verholfen. Und typisch: Der 41-Jährige hat sich im bitteren Moment auch respektvoll gefügt, als Flea den 52-jährigen Frusciante zu einer erneuten Rückkehr überzeugen konnte – auch wenn der Bassist in Interviews erzählte, dass er vor der dazu fälligen Bandbesprechung vor lauter Nervosität das Garagentor auf sein Autodach knallen ließ. Um den Schritt des Kern-Trios aus Los Angeles weg von Klinghoffer zurück zu Frusciante zu erklären, sagte Flea dem NME: „Mit John sprechen wir die dieselbe Sprache.“
Die Red Hot Chili Peppers lassen melodischen Zauber vermissen
Aber zeigt sich das auf diesem Album nun wirklich? Zeigt sich nicht einfach nur, dass der alte Vierer viel Freude am gemeinsamen Groove und Jam hat? Der melodische Zauber von einst hat sich jedenfalls nicht mehr eingestellt. Und dass Frusciante relativ wenig Freude an Welttourneen hat, wie sie auch jetzt ansteht (mit Terminen im Juli in Köln und Hamburg), das ist seit seinem Aussteigen während einer solchen gleich mit „Blood Sugar Sex Magic“ bekannt und wurde auch später immer wieder bei Auftritten deutlich.
Ob das Happy End also nachhaltig ist, die Freude bleibt? Ob die Liebe wirklich grenzenlos ist? Womöglich gelingt den Chilis ja tatsächlich so der Schritt ins souverän groovende Alterswerk; womöglich ist es aber auch nur die nächste Frusciante-Episode, bis zu dessen erneutem Herausplatzen wie im Song „The Heavy Wing“. Bliebe zu hoffen, dass Josh Klinghoffer dann noch parat stünde.