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Musik: Die Superstars der Musik machen Kasse

Musik

Die Superstars der Musik machen Kasse

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    Bob Dylan veräußert die Rechte an seinen mehr als 600 Songs.
    Bob Dylan veräußert die Rechte an seinen mehr als 600 Songs. Foto: Chris Pizzello, AP/dpa

    Eigentlich dachten wir immer, „Blowinʼ In The Wind“ sei ein Antikriegssong, eine pazifistische Hymne, die vor allem junge Amerikaner in den 1960er Jahren lautstark sangen, um ihrem Protest gegen die Invasion ihres Landes in Vietnam eine Stimme zu geben. Stattdessen ist sie eine Geldanlage. Fast 60 Jahre danach hat Bob Dylan offenbar alle idealistischen Motive über Bord geworfen und das kleine, unscheinbare, im August 1963 auf seinem Album „The Freewheelinʼ Variety auf 150 bis 200 Millionen Dollar. Macht summa summarum rund 500 Millionen Dollar für Mister Robert Allen Zimmerman, so sein bürgerlicher Name.

    Dylan galt bis dato als einer der wenigen Künstler, die ihr Musikarchiv selbst verwalteten. Diese Aufgabe übernehmen nun zwei konkurrierende Konzerne. Und mit 80 Jahren bekommt er jetzt sogar eine schöne Rente, und auch sein Nachlass dürfte nun einfacher unter den Erben aufzuteilen sein. Die Zeiten der unkonventionellen Sphinx, die 2016 sogar der Literatur-Nobelpreis-Verleihung seine eigenen Regeln aufdrückte, des personifizierten Widerstands gegen die Auswüchse des Kapitalismus, gehören der Vergangenheit an.

    Denn der mürrische, einsilbige Folk-Rock-Barde kapituliert damit wie viele andere Kolleginnen und Kollegen schlicht vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Denn in den vergangenen zwei Jahren erfuhr seine „Never-Ending-Tour“ eine Notbremse, die aus den Konzerten fest kalkulierten Einnahmen – seit Jahren der Haupterlös für Musiker wegen des schwindsüchtigen Tonträgermarktes – gingen flöten. Zudem sinken die Erlöse durch elektronische Verkäufe von Songs und Alben, was am zunehmenden Wildwuchs der Streamingdienst-Anbieter liegt; nicht zu vergessen den gewaltigen Verwaltungsaufwand.

    Auch andere Pop-Götter haben ihre Songrechte für viel Geld verkauft

    Für viele Superstars der Grund, ihre Musikrechte auf einen Schlag gegen eine happige Summe abzutreten. Dylan, aber auch andere Pop-Götter wie Bruce Springsteen (angeblich 550 Millionen Dollar), David Bowie, Paul Simon (beide jeweils 250 Millionen), Tina Turner (unbekannt), Stevie Nicks (80 Prozent ihrer Songs für 100 Millionen Dollar), die Red Hot Chili Peppers (140 Millionen), mit Neil Young (angeblich 150 Millionen) sogar noch ein Alt-Rebell, wagten diesen Schritt. Und die dicksten Fische schwimmen noch im See: die Rolling Stones, Pink Floyd, Queen. Ist Musik also ein Investitionsgut wie Gold und Öl?

    So interpretieren es zumindest der Musikmanager Merck Mercuriadis und dessen Partner, der Gitarrist Nile Rodgers von der Funk-Band „Chic“. Beide gründeten in Großbritannien einen Investmentfonds namens Hipgnosis Songs Fund – der Name soll eine Hommage an das britische Grafikdesign-Studio sein, das unter anderem die grandiosen Plattencover von Pink Floyd entwarf. Und auch andere Mitbewerber wollen ein Stück vom noch relativ frischen, gehaltvollen Kuchen. Sie heißen Common Music Group, KKR, Blackstone Group oder Primary Wave.

    „Unter den spekulativen Investments gehören Musikrechte zu den risikoärmsten“, bringt Christian Baierle, Chef des Musikverlages Roba aus Hamburg die Goldgräberstimmung auf den Punkt. Auch er handelt mit Musikrechten und kauft Verlage auf. Wenn im deutschsprachigen Raum etwa „Take Me Home Country Road“, „The Girl From Ipanema“ oder „Y.M.C.A.“ erklingen, dann klingeln bei Roba die Kassen, weil diese Songs zu ihrem Rechtekatalog gehören. Das entscheidende Kriterium sei dabei die historische Relevanz, der Nachhaltigkeitseffekt. Das Musikstück muss Teil der „kulturellen DNA“ sein, jeder muss es irgendwie kennen und mitträllern können.

    Songrechte werden zu wahrhaften Schätzen

    Bei einem „bewährten“ Song sei das Einkommensmuster vorhersehbar, wusste Merck Mercuriadis schon 2019 in einem Interview mit dem Thought Economist. Die Firmen streichen die Lizenzgebühren ein, etwa durch Streaming-Plattformen oder den Einsatz in der Werbung. Songrechte werden auf diese Weise zu wahrhaften Schätzen und sollen nicht nur den Künstlern faire und großzügige Erlöse ermöglichen, sondern auch den Aktionären satte Gewinne garantieren. Der Dollar oder der Euro rollt, egal ob nun in Filmen, in der Werbung, als Coverversion, bei Live-Auftritten oder bei Spotify und Netflix. Wie dies laufen kann, belegen allein vier Songs, die in der vierten Staffel von „The Crown“ laufen und auf die Hipgnosis die Rechte hält. Bei jedem Bingewatching klingelt also die Kasse.

    Keine Frage: Die Angebote in Millionenhöhe lassen die Hemmschwellen sinken. David Guetta gestand, dass er sich durch den Verkauf im März 2021 für angeblich 100 Millionen Dollar so frei wie noch nie fühle. Schließlich sei er durch das finanzielle Polster jetzt weniger abhängig vom aktuellen Erfolg und müsse sich selbst im Falle eines Scheiterns keine Gedanken mehr darum machen, wie er seine Miete bezahlen könne.

    Selbst der im Dauerclinch mit Spotify liegende Neil Young ließ sich darauf ein, Hipgnosis 50 Prozent der Verfügungsgewalt auf sein geistiges Eigentum zu übertragen. Und das, obwohl sich der altersunmilde Singer-Songwriter lange standhaft geweigert hatte, seine Werke für Werbung lizensieren zu lassen. Noch 1988 klang dies in „This Noteʼs For You“ so: „Ainʼt singing for Pepsi, ainʼt singing for Coke“. Aber was stört mich mein Geschwätz von gestern? Die Zeiten ändern sich halt.

    Das Schachern mit Musikrechten geht bis in die 1980er Jahre zurück

    Kollege und Ex-Partner David Crosby, den mit Neil Young seit einigen Jahren eine scheinbar irreparable Feindschaft verbindet, schlägt derweil in dieselbe Kerbe und sieht sich regelrecht zur Veräußerung seiner Songs gezwungen. „Ich kann nicht arbeiten, und Streaming stiehlt mir meine Plattenverkäufe. Ich habe eine Familie zu versorgen und eine Hypothek abzuzahlen, also ist das meine einzige Option. Ich bin mir sicher, den anderen geht es genauso“, schreibt Crosby auf Twitter.

    Das Schachern mit Musikrechten geht bis in die 1980er Jahre zurück. Damals erwarb Michael Jackson den Gesamtkatalog der Beatles für umgerechnet 40 Millionen Euro – sehr zum Ärger von Paul McCartney. Die Freundschaft zwischen „Jacko“ und „Macca“, die Chartbuster wie „The Girl Is Mine“ und „Say Say Say“ produzierten, zerbrach, auch weil Jackson dem Sportartikelhersteller Nike die Nutzung des

    Es gibt aber auch die Ausnahme der aktuellen Regel. Seine „Babys“ herzugeben, das komme für ihn niemals in Frage, erteilte Elton John einem Verkauf seiner Songrechte kürzlich eine rigorose Absage. Wie lange Sir Elton seine hehre moralische Position aufrechterhalten kann, darüber darf angesichts der wirtschaftlichen Schieflage innerhalb der Branche allerdings trefflich spekuliert werden.

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