Es soll ein Mega-Konzert werden: Rammstein an Silvester auf der Münchner Theresienwiese. Der Veranstalter plant mit bis zu 145.000 Gästen, der Stadtrat hat am Mittwoch grünes Licht gegeben, doch das Vorhaben bringt Probleme mit sich. Auf dem Platz findet auch traditionell das Tollwood-Winterfestival statt. Das führt mittlerweile in München zu einem harten Disput. Die Veranstalter des Tollwood-Festivals fühlen sich übergangen. Auch vonseiten des Verbands der Münchner Kulturveranstalter gibt es Kritik.
Das Silvester-Konzert von Rammstein soll ein weiteres Riesenevent der Leutgeb Entertainment Group sein. Die Eventmanagement-Firma aus Österreich hat diesen Sommer für Andreas Gabalier, Helene Fischer und Robbie Williams eine 150 Meter lange Bühne auf die Münchner Messe gebaut. Gabalier lockte etwa 90.000 Besucherinnen und Besucher an. Die Konzerte von Fischer und Williams stehen noch aus.
Münchens Wirtschaft soll von Rammstein-Konzert am Silvesterabend profitieren
Als "einmalige Gelegenheit für München" sieht Clemens Baumgärtner, Wirtschaftsreferent der Stadt München, das Rammstein-Konzert. Es sei seine Aufgabe, die "Wiesn" bestmöglich zu bespielen. Und mit den Fans der Metalband kommt freilich auch Geld nach München. Restaurants, Bars, Hotels, der öffentliche Nahverkehr und auch die Stadt selbst könnten laut Baumgärtner von einem Konzert dieser Größe profitieren.
Dass das Rammstein-Konzert und das Tollwood-Winterfestival nebeneinander funktionieren, davon ist der Wirtschaftsreferent überzeugt. Der Zulauf durch die Musikfans könne auch für das Kulturfestival gewinnbringend sein, heißt es in der Beschlussvorlage, die der Münchner Stadtrat am Mittwoch diskutierte. Baumgärtner kann sich zum Beispiel vorstellen, dass das Konzert in die Zelte des Tollwood-Festivals übertragen wird: "Außerdem dauert der Auftritt von Rammstein etwa vier Stunden, auf dem Tollwood-Festival hingegen kann auch nach Mitternacht weitergefeiert werden."
Tollwood hält ein früheres Ende des Winterfestivals für möglich
"Modernste Tonübertragungsanlagen" sollen dafür sorgen, dass umliegende Veranstaltungen nicht durch Schallemissionen und Lärm beeinträchtigt werden. Die Veranstalter des Tollwood-Festivals sind davon nicht überzeugt. "Es ist definitiv nicht möglich, unsere Silvesterparty und die relativ ruhige Silvestergala mit Zirkustheaterproduktion und Tanz zu Swing-Musik parallel zu einem Rammstein-Konzert durchzuführen", sagt Stefanie Kneer, Sprecherin von Tollwood. Seit 22 Jahren findet das Winterfestival auf der Theresienwiese statt, "und zwar immer bis einschließlich Silvester", sagt Kneer. Das könnte sich nun ändern. Kneer befürchtet, dass die Veranstaltung wegen des Rammstein-Konzertes nun schon zum 23. Dezember enden wird.
Vertreiben wolle man Tollwood auf keinen Fall von der Theresienwiese, sagt Baumgärtner. Dass für einige Veranstaltungen bereits der Vorverkauf gestartet ist, dafür habe er dennoch wenig Verständnis. Zwar sei das Festival laut den Veranstaltern beim Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München angemeldet, doch fehlt Baumgärtner zufolge noch ein Mietvertrag. Er sagt: "Die Frage nach der räumlichen Ausdehnung des Festivals ist zum Beispiel noch ungeklärt."
"Völlig unverständlich" ist es den Tollwood-Veranstaltern aber, dass ein mögliches Rammstein-Konzert nicht im Vorfeld mit ihnen besprochen wurde. Pressesprecherin Kneer spricht von einem "Imageschaden". Baumgärtner sieht das anders. Absprachen treffe er jetzt, wo alles "spruchreif" ist. Auch wenn er selbst nicht unbedingt Rammstein höre, seien die Musiker "Wahnsinns-Künstler". Baumgärtner hofft durch sie auf frischen Wind in einem München, in dem oft "alles so festgefahren" sei.
Münchner Kulturveranstalter fühlen sich von der Stadt übergangen
Der Verband der Münchner Kulturveranstalter (VDMK) ist über die Silvester-Pläne auf der Theresienwiese ebenfalls nicht begeistert. Er vertritt 110 Hallenbetreiberinnen und -betreiber, Konzert- und Kulturveranstalterinnen und -veranstalter sowie Veranstaltungsagenturen aus München. Mit einem offenen Brief wandten sie sich an die politischen Vertreterinnen und Vertreter der Stadt. Ein wiederkehrendes Thema bei Gesprächen mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft seien das knappe Platz- und Raumangebot in München gewesen. Ihnen sei vom Wirtschaftsreferenten im Jahr 2020 vermittelt worden, dass Großkonzerte nur im Olympiastadion stattfinden sollen. Baumgärtner gibt hingegen an, dass ihm noch nie eine konkrete Anfrage des Verbands für ein vergleichbares Konzert auf der Theresienwiese vorlag.
"Zur großen Überraschung des Verbands wurden im Sommer 2021 die Pläne zu drei Großkonzerten im Jahr 2022 auf der Messe über die Presse bekannt", heißt es in dem offenen Brief. Eine Anfrage an das Referat, hinsichtlich zukünftiger "Prozesse und Kriterien zur Vergabe von Veranstaltungsflächen für Großkonzerte ab 50.000 Gästen auf dem Messegelände München" sei aber unbeantwortet geblieben. Nur Leutgeb sei es durch die Unterstützung des Wirtschaftsreferats möglich gewesen, Veranstaltungen auf der Messe durchzuführen. "Diese Veranstaltungsgesellschaft ist somit in die Lage versetzt worden, einen ungleichen Wettbewerb zu führen", schreibt der VDMK. "Das soll sich nun an Silvester auf der Theresienwiese wiederholen." Zusätzlich schade die Ankündigung des Silvester-Konzerts der Vermarktung der Rammstein-Konzerte, die für den Juni 2023 im Olympiapark von VDMK-Mitgliedern geplant sind.
Ob Rammstein an Silvester tatsächlich neben dem Tollwood-Festival auf der Theresienwiese spielt, ist noch unklar
Auch der Konflikt zwischen dem Rammstein-Auftritt und Tollwood wird in dem Schreiben angesprochen, obwohl die Veranstalter des Festivals nicht zum Verband gehören. "Diese Veranstaltung, eine Münchner Institution, wird ohne Zögern einer Großveranstaltung geopfert", heißt es.
"Unser Problem ist nicht das Rammstein-Konzert", sagt Patrick Oginski, ein Vorstandsmitglied des VDMKs zuständig für Livekonzerte. Viel mehr kritisiere der Verband in dem Brief, dass seinen Mitgliedern nur das Olympiastadion für Großveranstaltungen angeboten wurde, während Leutgeb Konzerte auf der Messe und auf der Theresienwiese planen konnte. "Dann ist das vielleicht ein Präzedenzfall, dass wir in einer Millionenstadt wie München in Zukunft weitere Großkonzerte haben können und das nicht nur von einem Grazer Veranstalter, sondern auch gerne von einem Münchner."
Ob das Rammstein-Konzert an Silvester letztendlich stattfinden kann, ist aber noch fraglich. Nun liege es, laut Baumgärtner, am Veranstalter, ein schlüssiges Sicherheitskonzept vorzulegen und alle nötigen Genehmigungen einzuholen. Eine Anfrage unserer Redaktion an Leutgeb zu diesem Thema blieb unbeantwortet. Baumgärtner hat diesbezüglich keine Bedenken: "Wer denkt, dass 145.000 Konzertbesucher an diesem Ort ein Problem sind, der war noch nie auf dem Oktoberfest."