Der Grimme-Preis, eine renommierte Auszeichnung für Qualitätsfernsehen, stand nach der Nominierung der Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" wochenlang in der Kritik. Erst die Endjury, die gegen die Show entschied, erlöste das Grimme-Institut und den Stifter des Preises, den Deutschen Volkshochschul-Verband, von der öffentlichen Diskussion.
Die erwählten Preisträger feierten nun im Marler Stadttheater ausgelassen ihre Erfolge. Ausschnitte aus der gelungenen "Switch Reloaded"-Parodie auf die erste "Wetten, dass..?"-Sendung von Markus Lanz strapazierten die Lachmuskeln. Dann bekamen die "Tatortreiniger" als erneuter Preisträger für die Folge "Schottys Kampf" Applaus. Sie hatten als Tatort ein rechtsradikales Umfeld gewählt und es geschafft, Neonazis gleichzeitig der Lächerlichkeit preiszugeben und nicht zu verharmlosen. Das Beispiel für einen lockeren Anti-Nazi-Film wiederholt die ARD am 20. April - passend zu Hitlers Geburtstag.
Zu den großen Dramen zählen das DDR-Endzeit-Epos "Der Turm" und "Der Fall Jakob von Metzler" über die tödlich verlaufene Entführung des Bankierssohns. Der wahre Fall hatte die Nation stark berührt und in der Frage, ob die Polizei in Ausnahmesituationen mit Gewalt drohen darf, gespalten. Drehbuchautor Jochen Bitzer betonte, er habe versucht, nicht beim Dokumentarfilm stehen zu bleiben. "Wir wollten den emotionalen Raum zeigen."
Robert Atzorn hatte in seiner Rolle als stellvertretender Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner sogar Angst, etwas falsch zu machen. Er habe das Gefühl gehabt, Daschner habe beim Dreh in einer Ecke gesessen. "Das hat mich unglaublich belastet." Daschner hatte damals Gewalt gegen den Entführer androhen lassen, um das Versteck des Jungen zu erfahren. Dafür kam er vor Gericht.
Jan Josef Liefers - ganz leger mit offenem Hemd, wie man ihn vom Tatort Münster als Prof. Boerne nicht kennt - sinnierte über das einfache Drehbuch zum DDR-Endzeit-Epos "Der Turm". Übersichtlich "mit vielen weißen Flecken" für Freiräume, meinte Liefers. Der 1000-seitige und nicht ganz einfache Bestseller von Uwe Tellkamp wurde entsprechend entschlackt. Liefers Schauspielkollegin und Film-Ehefrau Claudia Michelsen fand trotzdem ein Haar in der Suppe. Ihr war es im Haus der Dresdner Film-Familie Hoffmann zu dreckig. Saubermachen war aber nicht. Das war so vorgesehen.
Hoch emotional geht es in der Dokumentation "Charly Graf - Ein deutscher Boxer" zu. Unehelich und farbig fühlte sich Graf ausgegrenzt - als Kind wollte er lieber weiß sein - wurde Boxer und Zuhälter, landete im Knast. Sein verkorkstes Leben änderte in Stuttgart-Stammheim ausgerechnet der einstige Terrorist Peter-Jürgen Boock. Graf fing wieder mit dem Boxen an. Er war der einzige, der mit Polizeieskorte zum Kampf kam und auch noch Deutscher Meister wurde. Nach dem Knast engagierte sich Graf für schwer erziehbare Jugendliche und wurde später Sozialarbeiter.
"Er war ein Mann, der alles daran gesetzt hat, aus dem Milieu herauszukommen", sagt Buchautor und Regisseur Eric Friedler. Zur Verleihung kam Graf nicht, dafür Campino von den Toten Hosen. Friedler war für drei Grimme-Preise nominiert, darunter für ein Porträt der Düsseldorfer Rockband. "Eric Friedler ist einer der renommiertesten Dokumentaristen. Warum er ausgerechnet die Toten Hosen porträtiert hat, ist mit schleierhaft", witzelte der Frontmann der Hosen. Friedler sei etwas förmlich, keiner, mit dem man von Anfang an einen Joint rauchen würde, unkte Campino und schlug Friedler lachend auf die Schulter. Der nahm es gelassen. (dpa)
Henning KaiserHenning KaiserHenning KaiserHenning KaiserHenning KaiserHenning KaiserHenning Kaiser