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Martina Hefter erkundet Liebe in Zeiten digitalen Betrugs

Buchkritik

Neuer Roman von Martina Hefter: Nächtliches Chatten mit Nigeria

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    Martina Hefter steht mit ihrem Roman «Hey guten Morgen, wie geht es dir?» auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
    Martina Hefter steht mit ihrem Roman «Hey guten Morgen, wie geht es dir?» auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Foto: Georg Wendt/dpa

    Jupiter, römischer Gott, verheiratet mit der zu Recht eifersüchtigen Juno. Jupiter, Planet, seit 2016 umrundet von der Raumsonde Juno. Oder aber: Jupiter, Schriftsteller aus Leipzig, verheiratet mit Juno, Performancekünstlerin.

    Die Kreise, die die beiden Letzteren ziehen, sind die kleinsten. Für Juno zum Beispiel einmal Tanzstudio und dann zurück in die Altbauwohnung, in der sie mit ihrem an Multiple Sklerose erkrankten Ehemann lebt, der nur noch mit Rollstuhl und fremder Hilfe aus dem Haus kann. Ein Mikrokosmos, aber in „Hey guten Morgen, wie geht es dir“, dem für den Deutschen sowie für den Bayerischen Buchpreis nominierten Roman von Martina Hefter, ist es von dort aus nur ein Katzensprung in die weite Welt … Nachts nämlich, wenn ihr Mann schläft, schreibt oder Serien schaut, chattet die schlaflose Juno mit Love-Scammern: Männer, die irgendwo an Rechnern in Afrika sitzen, die unter falschem Profil sich an einsame Frauen heranmachen, gerne 50 plus wie Juno, von Liebe faseln, Geld im Sinn. Juno aber macht sich einen Spaß. Auch sie gibt sich aus als eine Andere. Kampfhundebesitzerin, Rumänin, raucht Geldscheine … Blödsinn eben, aber die „Love-Scammer glaubten ihr für lange Zeit einfach alles.“ Irgendwann schreibt Owen Wilson alias Benu aus Nigeria, benannt nach einem ägyptischen Totengott. Bald gehen die beiden über zum Videocall.

    Keiner der beiden Männer weiß vom anderen. Ist das Betrug?

    Zweihundert Seiten lang folgt die gebürtige Allgäuerin Hefter in diesem fein komponierten und autobiografisch grundierten Roman den Bahnen, die ihre Heldin zieht – beschwert dabei vom irdischen Alltagskram: Förderanträge stellen, Medikamente ordern, einkaufen, Schlaflosigkeit, Ärger mit der Bahn, dazwischen Fluchten ins Tanzstudio, ins Tattoostudio, auf die Bühne, nach Bayern, oder eben nachts am Bildschirm nach Nigeria … Benu sitzt da schon im Kerzenschein. Ist das nun harmlos? Ein wenig erschlichene Freiheit? Oder doch Betrug? Zweifach sogar, weil keiner der beiden Männer vom anderen weiß? „Was machst du gerade?“, will Benu wissen. Einen Text schreiben, antwortet Juno – was sie verschweigt: „Ein Text über dich …“ Aus dem mit federleichter Prosa einer der originellsten Romane dieses Herbstes geworden ist.

    Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir. Klett-Cotta, 224 Seiten, 22 Euro.
    Hier geht es zur Leseprobe.

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