Herr Minister, Sie sind auf Recherche-Reise in New York – Sie schauen sich die New Yorker Museen genau an und sprechen dort mit den Machern. Sie wollen lernen. Was genau?
MARKUS BLUME: New York ist eine Weltmetropole, die Stadt, die niemals schläft. So ist das mit den kulturellen Einrichtungen hier auch: Sie schlafen nicht, sondern erfinden sich immer wieder neu. Wir wollen die Achse New York und Bayern neu schmieden und die Kraft der Kultur auch im Sinn der Völkerverständigung nutzen. Und wir wollen für unsere Museen in Bayern die Punkte identifizieren, an denen wir noch besser werden können.
Nach den ersten Eindrücken: Wo stehen die Museen des Freistaats Ihrer Meinung nach – im Vergleich mit New York?
BLUME: Wir erleben Begegnungen auf Augenhöhe, auch und gerade dank Herzog Franz von Bayern, der über Jahrzehnte die transatlantische Freundschaft kulturell geschmiedet und gelebt hat. Die Wertschätzung gegenüber dem Freistaat und unseren Spitzeneinrichtungen ist jedenfalls sehr groß. Die Pinakotheken beispielsweise haben einen Klang, der bis auf die andere Seite des Atlantiks reicht. Und das nicht nur wegen des Selbstbildnisses im Pelzrock von Dürer in der Alten Pinakothek, das aus gutem Grund als eines der ikonischen Werke der Kunstgeschichte gilt.
Sie müssen sich nicht verstecken?
BLUME: Definitiv nicht. Allerdings fällt eine gewisse bayerische Bescheidenheit auf in der Präsentation und im Bewusstsein, was wir für Schätze haben. Wir stehen uns da selbst ein wenig im Weg. Deshalb ist die große Aufgabe, das Potenzial, das wir haben, freizulegen und in der Zukunft größer und mutiger zu denken.
Würden Sie sagen, dass genau das die New Yorker Museen besser machen?
BLUME: Wir investieren als Freistaat massiv in Kunst und Kultur. In diesem Jahr geben wir erstmals mehr als eine Milliarde Euro aus. New Yorker Museen sind anders. Hier werden die Häuser zu 90 Prozent von privater Seite finanziert, nur zehn Prozent von der öffentlichen Hand. Das amerikanische System hat natürlich Konsequenzen. Man bemüht sich in New York radikal ums Publikum, muss immer wieder aufs Neue attraktiv für Besucher und Sponsoren sein. Das sorgt für viel Dynamik, aber auch Rastlosigkeit. Wenn man das Beste aus beiden Welten zusammenbringt, die Verlässlichkeit einer staatlichen Kulturförderung mit den zusätzlichen Möglichkeiten von privatem Kapital, dann können wir unsere Spielräume gerade in Zeiten knapper Kassen vergrößern.
Ein Museumstempel wie das Metropolitan Museum of Art wird komplett von Stiftern finanziert. Für deutsche Finanzminister in diesen Zeiten wäre das eine Traumvorstellung. Warum ist in Deutschland nicht mehr möglich?
BLUME: Eines vorweg: Es geht nicht darum, an Kunst und Kultur zu sparen oder öffentliche Mittel durch private zu ersetzen. Ich bin gleichwohl der Meinung: In Deutschland müsste deutlich mehr gehen an Mäzenatentum. Das Geld ist da. Aber privates Engagement knüpft auch an Voraussetzungen. Wir brauchen einen Wow-Effekt! Das muss nicht immer die Weltliga sein. Ich liebe zum Beispiel das Textilmuseum TIM in Augsburg, das alles mitbringt, was heute ein modernes Museum ausmacht – inklusive einer großartigen Gastronomie. Jedes Museum in Bayern muss davon überzeugt sein und auch danach leben, dass dort etwas Einzigartiges präsentiert wird. Dann bekommen Mäzene das Gefühl, an etwas Besonderem mitwirken zu können. Die Hoffnung ist, dass wir in der Zukunft relevante Finanzierungsbeiträge von privater Seite gewinnen können.
Allerdings hinterlässt Mäzenatentum in Deutschland bisher oft deutliche Spuren im Staatssäckel. Reiche Sammler lassen sich vom Staat Museen bauen, in München so geschehen beim Museum Brandhorst. Wie würden Sie das heute entscheiden, gesehen auch im Hinblick auf amerikanisches Mäzenatentum?
BLUME: Das Museum und die Stiftung Brandhorst sind ein Glücksfall für Bayern. Übrigens läuft dort gerade eine weltweit einmalige Ausstellung zu Andy Warhol und Keith Haring, die auch in New York für Aufsehen sorgt. Kein Wunder, dass schon der 100.000 Besucher begrüßt werden kann. Das zeigt, dass solche Einrichtungen am Puls der Zeit sind. Davon brauchen wir mehr. Für ein Mehr ist allerdings von öffentlicher Seite der Spielraum im Moment nicht vorhanden. Ich bin sehr dankbar für jeden, der sich in der Zukunft strukturell engagieren möchte. Mir schwebt vor, dass wir die Idee von Kulturstiftungen in Bayern groß machen. Wir wollen Staat und Kommunen nicht ersetzen bei der Kulturförderung, sondern dies als große Gemeinschaftsaufgabe wahrnehmen, damit die Museen in Zukunft deutlich größere Spielräume haben.
Wenn Geld keine Rolle spielen würden: Für was würden Sie den bayerischen Museen als erstes neue Mittel gewähren – mit den Eindrücken von New York?
BLUME: Zunächst müssen wir die Fläche Bayerns im Blick haben – der Freistaat ist deutlich größer als Manhattan. Und kulturelle Teilhabe ist für uns in allen Regionen ein Muss. Fest steht aber auch: Mit frischem Geld könnten wir bei Digitalisierung, modernen Ausstellungskonzepten und auch baulichen Themen noch größere Sprünge machen. Die Eindrücke aus New York gehen aber viel weiter und fließen direkt in unsere Museumsoffensive ein. Wir wollen Museen neu denken als Orte der Begegnung und über alle Einrichtungen hinweg durchgängige Besuchserlebnisse schaffen. Das ist ein umfassender Strategieprozess, an dem jedes Museum mitgestalten wird.
Um eine Summe zu nennen: Max Hollein, der Leiter des Metropolitan Museum of Art, hat in einem Interview gesagt, dass sein Haus eine Milliarde Euro in den nächsten zehn Jahre in die Präsentation und den Ankauf neuer Werke investieren möchte. Wie können, wie sollen deutsche Häuser international mithalten?
BLUME: Bei solchen Summen kann einem schwindelig werden wie vor einem der New Yorker Wolkenkratzer (lacht). Man kann aber auch ein Stück dieser Leidenschaft einfach mit nach Hause nehmen. Wie das gehen kann, diskutiere ich gerade mit Vertretern der Stiftung Kulturzukunft, die mich hier in New York begleiten. Groß denken und einfach machen, das tut Kunst und Kultur gut. Für mich ist deshalb auch klar, dass wir zeitgemäße Strukturen brauchen. Museen sollen weniger Behörde und mehr Ort der Begeisterung sein!
Wollen Sie an die Institutionen und Strukturen gehen?
BLUME: Wir wollen Museen von den Besuchern her denken. Dazu gehören auch finanzielle Anreize. Es muss sich einfach lohnen, Erfolg zu haben. Im Ergebnis heißt das: weg von Behördenstrukturen hin zu flexibleren Einheiten.
In was für einem Zeitraum schwebt Ihnen das vor?
BLUME: Die aktuellen fünf Jahre dieser Legislatur, kein Ewigkeitsprojekt – aber etwas, dass das Potenzial hat, eine neue Zeit für die bayerischen Museen und Sammlungen einzuläuten.
Und zum Schluss: Sie sind gerade in New York, in wenigen Tagen findet dort die Präsidentschaftswahl statt. Wie haben Sie jetzt in Ihren Gesprächen die Stimmung wahrgenommen?
BLUME: Das Grundgefühl ist, dass es auch nach der Präsidentschaftswahl ein Leben geben wird. Ich habe niemanden getroffen, der sagen kann, wie die Wahl ausgeht. Es ist offensichtlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wir in Deutschland und Europa müssen uns sowieso auf neue Zeiten einstellen. Fest steht: Die nächste Präsidentin oder der nächste Präsident wird kein Transatlantiker wie Joe Biden sein. In Berlin müssen endlich die Hausaufgaben der Zeitenwende gemacht werden. Wir können uns als Europäer nicht immer nur auf andere verlassen, sondern müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.
Zur Person
Markus Blume, 1975 in München geboren. Er ist Mitglied in der CSU und leitet seit 2022 das bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Gerade bereist er mit Vertretern der Stiftung Kulturzukunft New York.
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