Um 16 Uhr haben sich die ersten Fans vor den verschlossenen Türen des Technikums im Münchner Werksviertel positioniert. Ganz vorne vier Freunde, die aus der Nähe von Passau angereist sind. Knappe vier Stunden später sind sie ihm dann ganz nah, dem Luke Mockridge, dem einstigen Fernsehstar, und können ihm genau auf die Lippen schauen, wenn er – nur wenige Wochen nach seinem bisher folgenreichsten Skandal – erstmals wieder vor deutsches Publikum tritt. Den Witz, der den Comedian womöglich die Karriere kostet, haben ihm seine Fans hier ganz vorn in der Einlassschlange schon längst verziehen. „Jeder Comedian muss sich schließlich über irgendetwas lustig machen“, sagt Sebastian und zuckt mit den Achseln. Julia steht daneben, nickt: „Irgendwann muss es mal abgehakt sein.“ Die Tournee mit dem Titel „Funny Times“ zeigt, dass Comedian Luke Mockridge selbst die Sache jedenfalls noch nicht ganz abgehakt hat.
Mockridge machte im Podcast „Die Deutschen“ Witze über Behindertensportler, die von Para-Athleten und vielen anderen Menschen als herabwürdigend empfunden und scharf kritisiert wurden. Mockridge entschuldigte sich bei den Sportlern für die Sprüche per Video-Statement auf seinem Instagram-Account. Das Video ist dort nicht mehr zu finden.
Auftritt in München: Luke Mockridge trägt Lederhose und hat das Oktoberfest besucht
Dafür aber immer neue Ankündigungen zur aktuellen Tournee. Deren Start verschob sich mehrmals, denn sowohl die geplante Premiere im ostwestfälischen Bünde als auch die beiden nächsten Auftritte in Paderborn und Mainz fielen aus. Insgesamt sagten neun der ursprünglich 32 Hallen die Shows ab. Die Tourankündigung auf dem Instagram-Kanal erinnerte auch daran: Mockridge füllte einst große Stadien. Bereits seine letzte Tour allerdings war von einem Skandal überschattet. Damals hatten mehrere Frauen ihm übergriffiges Verhalten vorgeworfen, seine ehemalige Partnerin zeigte ihn wegen versuchter Vergewaltigung an.
Auf die kleinen Hallen, die Mockridge seither bespielt, müssen sich Künstler und Crew wohl erst noch einstellen. Der Bass wummert den 360 Besucherinnen und Besuchern des Technikums auf Stadionlautstärke in den Ohren. Mockridge bedankt sich beim Publikum, dass es selbst denken könne und sich nicht von den Negativschlagzeilen abhalten lasse. Er setzt sich an ein Klavier und singt: „Ihr seid hier, obwohl eure Freunde „nein“ gesagt haben.“ Er habe Stars im Fernsehen interviewen sollen, geht der Song weiter, aber der Fernsehsender und seine prominenten Freunde haben sich von ihm abgewandt. Der Skandal rund um die diskriminierenden Aussagen des Comedians haben nämlich auch über seine Tournee hinaus Konsequenzen. Der TV-Sender Sat1 nahm eine geplante neue Quiz-Show mit dem 35-Jährigen aus dem Programm und laut Deutscher Presseagentur verlor Mockridge zuletzt sein deutsches Management. Stattdessen jetzt eben Show in München.
Schiefe Vergleiche: Mockridge verliert sich in Relativierungen
Mockridge inszeniert sich als verkannter Künstler, lässt sein angeknackstes Ego von seinen Fans streicheln. Doch der Funke will einfach nicht überspringen. Der anderthalbstündigen Show fehlt es an Konzept, neuen Ideen – und schlicht an Witzen. Er verlässt sich auf Anekdoten aus seiner bekannten Familie (wobei er den unschönen Part, nämlich, dass er seit den letzten Entgleisungen Hausverbot im familieneigenen Theater in Bonn hat, ausspart), 90er-Jahre-Nostalgie (immer wieder „früher war alles besser“) und sein musikalisches Talent. Etwa als er beleidigt demonstriert, was passiere, nähmen wir als Gesellschaft Kunst immer wörtlich. Da würde dann Max Giesinger zum Rassisten erklärt, weil er mit seinem Song „80 Millionen“ nur deutsche Staatsbürger anspreche und nicht auch außerhalb der Ländergrenzen nach seiner großen Liebe suche. Und die Band Revolverheld würde, so argumentiert Mockridge, für die bekannte Liedzeile „Ich lass‘ für dich das Licht an, auch wenn‘s mir zu hell ist“ zu Umweltsündern erklärt.
Das ist als Beispiel für Kunstfreiheit so faul konstruiert und als Witz so unkreativ, dass man sich fragen muss, ob Mockridge sein Programm jemals mit anderen Menschen durchgearbeitet hatte, bevor er es dem zahlenden Publikum vorstellte. Der Comedian hatte für seine Fernsehshows und Comedyprogramme früher (damals, als alles besser war) sehr erfolgreich mit Witzeschreibern zusammengearbeitet, unter anderem mit dem beliebten Podcaster Tommi Schmitt. Der hat sich mittlerweile von ihm abgewandt, über weitere Autoren ist nichts bekannt.
Im letzten Teil seiner Show „Funny Times“ versucht Mockridge es nicht einmal mehr mit der Komik. Kurz spielt er große Pophits aus verschiedenen Jahrzehnten an. Von Backstreet Boys bis Andreas Gabalier singen die Münchner Fans mit. Die verbindende Kraft durchschnittlicher Radio-Schlager soll den einstigen Fernsehstar also aus seiner Krise retten. Die vier Fans aus der ersten Reihe verlassen die Show verhalten positiv gestimmt. „War Luke-like, sehr gut!“, sagen sie. Der Enthusiasmus von früher (als alles besser war) scheint aber verschwunden.
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