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LTS: Premiere von Schillers „Don Karlos“ in Memmingen

LTS Schwaben

Katastrophe im Klassenzimmer: Intendantin Kohrs inszeniert Schillers "Don Carlos"

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    Schiller im Deutschunterricht: Sandra Kohrs Inszenierung des „Don Karlos“ am Landestheater Schwaben spielt in einer Schulklasse.
    Schiller im Deutschunterricht: Sandra Kohrs Inszenierung des „Don Karlos“ am Landestheater Schwaben spielt in einer Schulklasse. Foto: Monika Forster

    Sarah Kohrs hat sich Gewichtiges vorgenommen für den Start als Intendantin des Landestheaters Schwaben. Höchstpersönlich inszenierte die neue Memminger Intendantin in ihren ersten Wochen einen Klassiker, Friedrich Schillers kolossales Drama „Don Karlos“, in dem es um den Freiheitskampf unter autoritär-tyrannischer Herrschaft geht.

    Sandra Kohrs verzichtet in „Don Karlos“ auf Zauber und Brimborium des Regietheaters

    Man kann diese Wahl als Fanal verstehen mit der Botschaft: Theater muss in Zeiten, da Freiheit, Demokratie und Humanität wieder in Zweifel gezogen werden und unter Beschuss geraten, auch Politisch-Philosophisches auf die Bühne bringen. Dabei vertraut Kohrs der Kraft des Originals, verzichtet auf Zauber und Brimborium von Regietheater. Die einzige Aktualisierung von Schillers komplexen Drama, uraufgeführt 1787, nimmt sie gleich am Anfang vor. Sie bettet die Handlung in den Deutschunterricht einer Schulklasse ein. Fast übergangslos, im harten Schnitt, schlüpfen Schülerinnen und Schüler mit dem gelben Reclam-Textbüchlein in der Hand in die wesentlichen Rollen von „Don Karlos“. Auch der Lehrer ist dabei, und sogar der Hausmeister darf mitspielen. Das Klassenzimmer wird zum Königspalast, Stühle und Tische dienen als höfische Räume.

    Das scheint zunächst ein genialer Einfall zu sein, er erschöpft sich in seiner radikalen Einfachheit aber schnell. Es gibt zudem keine weiteren Brechungen, keine Überraschungen. Und die kleinen Gags, die die Regisseurin zur Auflockerung in die todernste Handlung einbaut, sind überflüssig. Vielleicht möchte Kohrs ja mit dem Schul-Ambiente Jugendlichen die Welt des Theaters schmackhafter machen, ein Ziel, das sie neulich im Interview mit unserer Redaktion andeutete.

    Im Zentrum von „Don Karlos“ steht der Gegensatz von Freiheit und Herrschaft

    Im Klassenzimmer also beginnt die XXL-Tragödie, die Kohrs klug und verständlich auf zweieinhalb Stunden Dauer (inklusive Pause) eingekürzt hat. Schiller packte in sein „dramatisches Gedicht“ mit über 5000 Versen alles Mögliche hinein. Er erzählt von einem schwierigen Vater-Sohn-Verhältnis, einer unheilvollen Dreiecksbeziehung im Familienkreis, gekränkter Liebe inklusive Rache, Männerfreundschaft und Männerfeindschaft, Verschwörungen. Im Zentrum steht der Gegensatz von Freiheit und absoluter Herrschaft, von Aufklärung und Inquisition.

    Zusätzliche Spannung erzeugte Schiller mit der Konfrontation von Politischem und Privatem: Don Karlos, der spanische Thronfolger, soll sich eigentlich an die Spitze der Freiheitsbewegung in den von Spanien abhängigen Niederlanden stellen. Er zögert aber, weil er liebt. Subjekt seiner Begierde ist ausgerechnet die Stiefmutter, die Frau seines Vaters, des Königs. Sein Freund, Marquis Posa, greift zu drastischen Mitteln, um Karl vom Königshof loszueisen – was in die Katastrophe führt.

    Die acht Schauspielerinnen und Schauspieler des neu formierten Landestheater-Ensembles lassen die genaue und kunstvolle Sprache Schillers fließen, verleihen den Figuren trotz der Schlussklassen-Atmosphäre Charakter und Glaubwürdigkeit. Und sie erzeugen Brisanz und Beklemmung, gerade wenn der rebellische Marquis (Joscha Schönhaus) vom despotischen König (Klaus Philipp) „Geben Sie Gedankenfreiheit“ fordert, der berühmt gewordenen Sentenz im Zentrum des Dramas.

    Sarah Kohrs hat das Gewicht, das sie sich mit „Don Karlos“ auferlegte, nicht ganz stemmen können. Ihrer Inszenierung im Großen Haus des Landestheaters fehlen Kühnheit und Überwältigung. Gleichwohl ermöglicht sie dem Publikum, die Aktualität von Schillers kraftvoller Erzählung zu erleben und (wieder einmal) über dessen Sprachkunst und Wortgewalt zu staunen. Der Applaus für die erste Premiere fiel deshalb freundlich-anerkennend aus, nicht aber euphorisch-jubelnd.

    Nächste Aufführungen am 2. Oktober (19.30 Uhr) in Memmingen, am 8. Oktober (20 Uhr) im Haus Oberallgäu Sonthofen und am 10. Dezember (20 Uhr) im Stadttheater Kaufbeuren.

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