Manche dieser Bilder sind wie Beats. Sie gehen unter die Haut, sie vibrieren, sie springen den Betrachter an: grell, schrill, überdreht. Busen, Hintern, Haut und verschwitztes Haar, Ekstase, offene Münder, mit Lippenstift auf Brust und Rücken gemalte Telefonnummern.
Daniel Biskup hat einen Blick für kuriose Randerscheinungen der Love Parade
Zehn Jahre lang hat der Augsburger Fotograf Daniel Biskup von 1995 an die Berliner Love Parade fotografiert. Biskup stürzte sich mit der Kamera ins tabulose Getümmel der Tanzenden und Abgedrehten – aber er fotografierte auch aus der Distanz, mit Blick für stille und auch kuriose Randerscheinungen. Mit einem Gespür für die Erwartungshaltung vor dem Rave und die Erschöpfung und Leere danach.
Biskup war ein Jahrzehnt involvierter Reporter und fragender Zuschauer der Love Parade zugleich. Manche posieren ganz bewusst in ihren irren Outfits vor seiner Kamera wie Models, andere sind so in der Euphorie des Moments, dass sie nichts um sich wahrzunehmen scheinen.
Anfangs in Schwarzweiß, später dann in Farbe (was den Bildern mehr Wucht und Drive verleiht) hielt Biskup fest, was ihn interessierte, was ihn streifte: Details, Randständiges, Übersichten, Individuen und Masse. Seine Fotografien aus einer Zeit, die uns heute, unter den freudlosen Abstandsgeboten der Corona-Pandemie, wie ein irrealer Traum vorkommt, hat Biskup nun in einem opulenten Bildband versammelt.
Daniel Biskups Bildband "Loveparade" wird zum deutschen Geschichtsbuch
Mehr als 200 Fotos lassen die theatrale Technoherrlichkeit und das Lebensgefühl einer feierwütigen Generation in aufregenden Jahren wieder lebendig werden. Das ausgeflippte Massenspektakel, auch das deutet sich unterschwellig in den späten Bildern schon an, wurde dann mehr und mehr gekapert von der Kommerzialisierung – und wanderte von Berlin ins Ruhrgebiet. Und so wird Daniel Biskups Bildband fast schon zu einem deutschen Geschichtsbuch.
Daniel Biskup: Love Parade Verlag Salz und Silber, 240 Seiten, 39 Euro
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