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Literatur: Diese Frau ist eine Sensation

Literatur

Diese Frau ist eine Sensation

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    Die Schriftstellerin Bonnie Garmus hat einen Sensationsroman geschrieben.
    Die Schriftstellerin Bonnie Garmus hat einen Sensationsroman geschrieben. Foto: Serena Bolton

    Die Liebe ist ja immer für Bestseller gut, zumal wenn sie als Drama einer einzelnen Beziehung die Fragen der Geschlechterverhältnisse bespiegelt und dabei noch unterhält. Das lässt sich klassisch etwa an der großen Jane Austen erlesen, führt aber zeitgenössisch auch zu Schmökern einer E. L. James oder einer Jojo Mojes. Kunst oder Kitsch – was davon ist nun „Eine Frage der Chemie“, das derzeit die Bestsellerlisten anführt?

    Eine Sensation ist damit jedenfalls diese Frau: die 64-jährige Amerikanerin Bonnie Garmus, denn es ist ihr später Debütroman, nach dem großen Erfolg im Original nun in mehr als 35 Länder weltweit verkauft und übersetzt. Und für eine Sensation halten viele damit auch diese Frau: Elizabeth Zott, die im Zentrum des Buchs der ehemaligen Werberin und zweifachen Mutter steht, es ist eine eigenwillige Frau Anfang der 1960er, die von einem Leben als Wissenschaftlerin träumt, aber unversehens zur erfolgreichen Fernsehköchin wird. Auch Elke Heidenreich ist von „Eine Frage der Chemie“ begeistert – und ist damit nicht das wesentliche Urteil zur Kunst-oder-Kitsch-Frage gesprochen?

    Der Roman erfüllt einiges, was ins Muster der leichtesten Unterhaltung fällt

    Nun ja. Denn Bonnie Garmus erfüllt durchaus so einiges, was ins Muster der leichtesten Unterhaltung fällt, weil hier etwa Charaktere und Dramen allzu dick aufgetragenen und klischeebeladen geschildert werden. Frappierend ähnlich ist das Buch damit zunächst auch einem anderen internationalen Liebesbestseller aus den USA dieses Frühjahrs: „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ von Ali Hazelwood.

    Bei der kommt eine liebesunerfahrene und wissenschaftlich ambitionierte Biologin durch merkwürdige Zufälle mit dem soziopathischen Genie-Professor zusammen und erlebt damit zu den widerlichen Abwertungen als Frau in Männerdomänen noch die Häme über eine solche Beziehung. Bei Garmus passiert das Gleiche titelgemäß nun in der Chemie – und wie bei Hazelwood haben ihre beiden dabei auch dramatisch schief gelaufene Familiengeschichten hinter sich: beim Biologenpaar sind es ihre Angehörigen, die alle tragisch tot sind, beim Chemiepaar sind es die seinen … Aber die Liebe, ja die kann all das überwinden, auch die Intrigen akademischer Konkurrenten?

    Bald steht die Hauptfigur allein mit einem Kind da, das sie nie wollte

    Wo es bei Hazelwood endet, beginnt es dann aber bei Garmus erst. Nach gut 100 Seiten nämlich stirbt der tollen Elizabeth ihr Calvin weg – und sie steht damit nicht nur alleine da, sondern auch noch überraschend schwanger, also bald mit einem unehelichen Kind, das sie nie wollte. Der Kampf um Selbstbehauptung dieser traurigen, überforderten und durchaus schrulligen, aber nach all den Verletzungen auch willensstarken Frau wird zum emanzipatorischen Abenteuer, vorangetrieben mit überbordender Schreibfreude. Dabei wird eben ausgerechnet eine Kochshow zur gesellschaftlichen Agitation, dabei werden auch ein frühgenialisches Kind und ein hochintelligenter Straßenköter zu Gefährten, und dabei dürfen sogar zwei, drei Männer dann auch so etwas wie Charakter entwickeln …

    Das alles hat streamingserien-haften Sog, nichts davon ist wirklich glaubwürdig, – und doch stimmt das Wesentliche, ist die Spieglung wahrhaftig. Ein Buch wie eine Parabel zur Geschlechterfrage damals und heute, ein Schmöker im besten Sinne, aus viel Kitsch ein bisschen Kunst gemacht.

    Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie. Übs. Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Piper, 464 S., 22 Euro

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