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Landestheater Schwaben: Neue Intendantin Sarah Kohrs über ihr Konzept.

Interview

Intendantin Sarah Kohrs: „Am wichtigsten ist es, echte Geschichten zu erzählen“

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    Will „mehr Theater für alle“ machen: Sarah Kohrs, neue Intendantin des Landestheaters Schwaben.
    Will „mehr Theater für alle“ machen: Sarah Kohrs, neue Intendantin des Landestheaters Schwaben. Foto: Jürgen Bartenschlager, LTS

    Frau Kohrs, Sie inszenieren zur Eröffnung Ihrer ersten Spielzeit als Intendantin am Landestheater Schwaben (LTS) Friedrich Schillers „Don Karlos“. Wie laufen die Proben?
    SARAH KOHRS: Ich bin total begeistert von meinem Ensemble. Alle waren sehr gut vorbereitet auf dieses komplexe Stück. Alle sind mit großer Lust dabei, und die alten und neuen Schauspielenden zeigen eine große Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.

    Kurz nach Ihrer Berufung zur Intendantin gab es Irritationen, weil Sie einen großen Teil des Ensembles entlassen haben. Nehmen Ihnen das die Verbliebenen übel?
    KOHRS: Nein, es herrscht ein offenes und herzliches Klima, es sind sogar schon erste Freundschaften entstanden. Mein Traum ist es, ein Ensemble zu bilden, das einander wahrnimmt, in dem man sich umeinander kümmert und selbstverständlich füreinander eintritt.

    Wie ist die Stimmung nach dem zweiten Intendantenwechsel innerhalb von zwei Jahren im Haus?
    KOHRS: Die extrem lange Umbruchphase durch die zweijährige Interimsintendanz war für alle nicht ganz leicht. Alles war unsicher. Aber ich habe das Haus und auch die Stadt von Anfang an als sehr zugewandt erlebt. Ich habe das Gefühl, alle atmen auf, sind froh, dass jetzt Klarheit herrscht, und freuen sich auf den Neuanfang. Egal, ob Technik, Werkstätten oder Verwaltung: Alle strahlen mich an.

    Ihren ersten Spielplan haben Sie mit dem Anspruch angekündigt, „mehr Theater für alle“ machen zu wollen. Was heißt das?
    KOHRS: Das bedeutet zweierlei: Erstens habe ich den Spielplan breiter aufgestellt, mit mehr Unterhaltung und musikalischen Produktionen als „Einstiegsdrogen“ für Menschen, die Theater als Erholungsraum empfinden und abschalten wollen von der oft anstrengenden Wirklichkeit. Natürlich gibt es aber auch Schulklassenstoffe und zeitgenössische Themen, die zum Diskurs anregen. Zweitens will ich mehr darauf achten, dass das Publikum wirklich Zugang zu den Stücken hat. Zum Beispiel den „Don Karlos“ werden wir so spielen, dass auch 16-Jährige eine Chance haben, ihn zu verstehen. Nur abstrakte Ideen auf die Bühne zu bringen, halte ich für irrelevant.

    Finden Sie, das Landestheater war bisher zu elitär?
    KOHRS: Nein, das kann ich doch gar nicht beurteilen, und ich will mich auch nicht abgrenzen zu vorherigen Intendanzen, die hier sehr gute Arbeit geleistet haben. Es ist mein Bedürfnis, Geschichten zu erzählen. Ich halte mich nicht für eine konzeptionelle Künstlerin, Regisseure sind Interpreten, wir aktualisieren ein Kunstwerk. Ich stelle mich in den Dienst einer originären Idee, die ich aufgreife und interpretiere. Wenn das dann nicht rüberkommt, muss ich meinen Kurs ändern.

    Ihre Vorgängerinnen, vor allem Kathrin Mädler, aber auch Christine Hofer, haben das LTS zu einem Ort der ästhetischen wie politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzung gemacht. Wie ist Ihr Ansatz?
    KOHRS: Jeder Spielplan hat auch eine politische Dimension, gerade in diesen Zeiten. Theater ist die aktuellste Kunst, auch wenn Spielpläne lange im Voraus geplant werden müssen. Wir spielen zum Beispiel „Der Reichsbürger“: Da muss niemand überlegen, wie aktuell das ist. Auch beim „Don Karlos“ nicht, wo es um Meinungsfreiheit geht, die es nicht überall gibt.

    Sie sind die dritte Frau in Folge an der Spitze des LTS: Haben Sie das Gefühl, da ändert sich gerade etwas in der noch immer männerdominierten Theaterlandschaft?
    KOHRS: Schade, dass man immer noch darüber nachdenken muss, dass man etwas Ungewöhnliches ist. In der Endrunde waren zwei Männer und ich, ich freue mich, dass der Zweckverband da so fortschrittlich entschieden hat. Aktuell sind immer noch nur 16 Prozent Frauen in Führungspositionen an Theatern. Aber es entwickelt sich etwas, vor allem in der Regiearbeit.

    Die Intendanz in Memmingen ist Ihre erste Führungsposition: Wie gehen Sie an diese Aufgabe heran?
    KOHRS: Führung ist Kommunikation und Transparenz, das steht an erster Stelle. Nur wenn alle wissen, wo das Ziel ist, stimmt die Richtung. Und ich will die Hierarchien flach halten.

    Welche künstlerische Handschrift erwartet das Publikum?
    KOHRS: Im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen immer die Schauspielenden, über die wird erzählt. Ich denke inszenatorisch und betrachte mich als die erste Zuschauerin der Produktion. Programmatisch ist es am wichtigsten, echte Geschichten zu erzählen und wahrhaftige Figuren zu schaffen.

    Sie leiten eine Landesbühne: Welche besonderen Herausforderungen bringt das mit sich?
    KOHRS: Zunächst einmal: Landestheater sind das Beste, was es in dieser Kulturlandschaft gibt, weil ein festes Ensemble da spielt, wo die Leute sind und sie ihnen Zugang zu Kunst ermöglichen, wo sie sonst keinen hätten. Etwa, weil sie nicht mobil genug sind, weil sie zu jung oder zu alt sind. Oder weil sie keine Zeit haben, für eine Theatervorstellung weitere Strecken zu fahren, weil sie voll im Berufsleben stehen. Dazu kommt, dass wir eine riesige Bandbreite abdecken können, vom Musical über Uraufführungen bis zum Kinderstück.

    Ihr Ziel ist, künftig mehr Gastspiele in die Region zu verkaufen. Wie wollen Sie das erreichen?
    KOHRS: Wir verkaufen ja schon den nächsten Spielplan 2025/26, aber ich kann sagen, der aktuelle kommt schon ganz gut an. Zum Beispiel die Krimikomödie „Die 39 Stufen“ haben wir schon elf Mal bis nach Fürth hoch verkauft. Wir spielen auch sechs Vorstellungen in Aschaffenburg und Witten, obwohl die gar nicht im Zweckverband sind. Die haben uns auf der Gastspielmesse entdeckt. Und wir haben große Lust, mehr zu spielen. Meine Hoffnung ist, dass wir langfristig durch Qualität überzeugen. Und dadurch, dass zum Beispiel jedes Jahr Komödien und ein Musical dabei sind, für die die Gastspielorte leichter ein Publikum finden.

    Zur Person

    Sarah Kohrs, geboren in Kiel, studierte Regie am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Sie assistierte am Burgtheater Wien und am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Ab 1999 inszenierte sie als freie Regisseurin Schauspiel und Musiktheater in ganz Deutschland. Sie schreibt Theatertexte und ist seit 2012 Dozentin für Musicals an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Ihre „Don Karlos“-Inszenierung am Großen Haus in Memmingen hat am 27. September Premiere.

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