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Kunst: Fotograf Wolfgang Volz war das Auge von Christo

Kunst

Fotograf Wolfgang Volz war das Auge von Christo

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    Wolfgang Volz hatte Glück: Ihm gelangen als einem der wenigen Fotografen gute Aufnahmen von Christos Valley Curtain in Colorado.
    Wolfgang Volz hatte Glück: Ihm gelangen als einem der wenigen Fotografen gute Aufnahmen von Christos Valley Curtain in Colorado. Foto: W. Volz; Repro: T. Weigert

    Christo und Jeanne-Claude: Man muss nur den Namen dieses bekanntesten Künstlerpaares der Welt nennen und vor dem geistigen Auge tun sich spektakuläre Eingriffe in Landschaften und kunstvoll verborgene Bauwerke auf. Sie verhüllten den Berliner Reichstag (1995), stellten gleichzeitig in Japan und den USA tausende meterhohe Schirme auf („The Umbrellas“, 1991) oder ließen 1,3 Millionen Menschen übers Wasser gehen auf ihren „Floating Pears“ im italienischen Iseosee (2016). Verewigt sind diese oft nur wenige Tage oder Wochen existenten Monumentalprojekte auf atemberaubenden Fotografien von Wolfgang Volz, die nun in einer Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst in Ottobeuren (Unterallgäu) zu sehen sind.

    Dabei arbeitet der Leiter des Museums, Markus Albrecht, bereits zum zweiten Mal nach der viel beachteten Lüpertz-Ausstellung im Jahr 2019 mit der renommierten Galerie Breckner in Düsseldorf zusammen. Albrecht leitet das 2014 eröffnete Museum für zeitgenössische Kunst, seit dort die Marktgemeinde Ottobeuren das Ruder übernommen hat. Sie hat den Fünf-Millionen-Bau für das Werk des ortsansässigen Künstlers Diether Kunerth (Jahrgang 1940) finanziert und wollte das Gebäude ursprünglich an einen Betreiberverein verpachten und sich bis auf einen Zuschuss zu den Unterhaltskosten ganz aus dem Betrieb heraushalten.

    Doch nachdem innerhalb von zwei Jahren drei Museumsleiter verschlissen waren, im Förderverein mehrere Vorsitzende das Handtuch geworfen hatten, es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Kunerth kam und das Haus kurz vor der Pleite stand, setzte die Gemeinde den damaligen Zweiten Bürgermeister und Kulturreferenten Albrecht als Leiter ein und erhöhte den Zuschuss. Seither ist Ruhe eingekehrt. Albrecht organisiert Ausstellungen, in denen er den stets reich bestückten Kunerth-Schauen jeweils einen zweiten Künstler gegenüberstellt – oder bespielt das ganze Haus mit einem prominenten Namen.

    Der Fotograf Wolfgang Volz schwärmt über die Museumsarchitektur

    Welch spektakuläre Museumsarchitektur er dabei auf fast 2000 Quadratmetern zu bieten hat, brachte nun Wolfgang Volz geradezu ins Schwärmen. „Das Haus ist wie für meine Fotos gebaut, ich habe sie schon zwei Mal gezeigt, aber keine Situation kann sich messen mit dem, was hier an fantastischen Räumlichkeiten vorhanden ist“, sagte er beim Aufbau der Schau mit seinen 26 großformatigen Fotos und 23 Christo-Grafiken (mit solchen Grafiken finanzierte Christo seine viele Millionen teuren Projekte).

    Beeindruckende Worte von einem, der als das „Auge von Christo und Jeanne-Claude“ gilt. So heißt auch die Ausstellung, die genau ein Jahr nach Christos Tod beginnt und bis Oktober läuft. Volz hat Christo (1935 – 31. Mai 2020) und Jeanne-Claude (1935–2009) fast 50 Jahre lang exklusiv mit der Kamera begleitet, er war ihnen bester Freund und bei mehreren Projekten auch technischer Leiter. Dabei bewies der Oberschwabe – Volz ist in Ravensburg aufgewachsen – zu Beginn einige Hartnäckigkeit, um an das New Yorker Künstlerpaar heranzukommen.

    Aufmerksam wurde er auf den Exil-Bulgaren und seine französische Frau schon 1968 als Abiturient, auf der documenta 4 in Kassel, wo Christo mit einem 58 Meter hohen, heliumgefüllten Luftschlauch („5600 Cubicmeter Package“) für Furore sorgte. Drei Jahre später, Volz studierte inzwischen Fotografie an der Folkwang Universität der Künste in Essen, machte er sich mit einem vorgetäuschten Fotoauftrag in Krefeld persönlich an Christo heran. „Er war ganz locker und wir tauschten unsere Telefonnummern aus“, erinnert sich Volz. Bereits ein halbes Jahr später kam ein Anruf, ob er etwas mit ihm auf der documenta 5 verwirklichen wolle.

    Volz gelangen durch Zufall Aufnahmen, die sonst keiner hatte

    Der Fotograf Wolfgang Volz begleitete Jeanne-Claude und Christo 50 Jahre lang mit der Kamera.
    Der Fotograf Wolfgang Volz begleitete Jeanne-Claude und Christo 50 Jahre lang mit der Kamera. Foto: W. Volz; Repro: T. Weigert

    Zu dieser Zeit arbeiteten Christo und Jeanne-Claude an ihrem „Valley Curtain“, einem neonorangen Vorhang, der in einem Tal in Colorado/USA zwischen zwei kleinen Bergen aufgespannt werden sollte. Volz sollte einen Stand auf der documenta betreuen, auf dem fortlaufend über das Projekt berichtet wurde. Er sagte zu unter der Bedingung, dass er in Colorado fotografieren darf. Dort gelangen ihm dann durch Zufall Aufnahmen, die sonst keiner hatte. Der Vorhang zerriss nämlich nach nur 28 Stunden, noch ehe die Fotografen-Elite der Welt angereist war. Also landeten Volz’ Fotos in dem Buch, das wie zu allen Projekten entstand – und er hatte einen halben Fuß in der Tür. Die öffnete sich schließlich ganz, nachdem sich das Fotografenpaar, mit dem Christo damals zusammenarbeitete, zerstritt und hinschmiss. Volz griff sofort zu – und blieb fast 50 Jahre dabei, während er sich auch mit eigenen Projekten und für Auftraggeber aus der Wirtschaft einen Namen machte. Der 73-Jährige lebt und arbeitet in Stockholm.

    Zentral blieb aber immer die Arbeit für Christo und Jeanne-Claude – ein Traumjob, aber auch eine immense Verantwortung. Denn die technisch höchst aufwendig entstandenen Fotos sind das einzige, was am Ende blieb von den künstlerischen Utopien, mit denen das Künstlerpaar die traditionelle Vorstellung von Malerei, Skulptur und Architektur radikal infrage gestellt hat. Oft erst nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten und im Kampf gegen Scharen protestierender Bürger.

    Ganze Inseln haben Christo und Jeanne-Claude eingepackt

    Was für Visionäre da am Werk waren, welche Kraft und welche Poesie auch heute noch von diesen unwiederbringlichen Inszenierungen ausstrahlt, kann jetzt erleben, wer an den überdimensionalen Volz-Fotografien in Ottobeuren vorbeiflaniert. Ganze Inseln haben Christo und Jeanne-Claude eingepackt („Surrounded Islands“, 1983 in der Biscayne Bay vor Miami) oder eine Küste vor Sidney verhüllt („Little Bay“, 1969), sie haben in Paris eine Ölfässer-Wand als Kommentar zur Berliner Mauer errichten lassen („Iron Curtain“, 1962), einen fast 40 Kilometer langen und fünfeinhalb Meter hohen Zaun durch Kalifornien gebaut („Running Fence“, 1976) oder im Central Park in New York 7500 „Tore“ auf den 37 Kilometer Gehwegen verteilt („The Gates“, 2005).

    Volz war dabei oft technischer Projektleiter. Das ist er auch posthum bei einem wegen Corona vom vergangenen Jahr auf diesen September verschobenen Herzensprojekt von Christo und Jeanne-Claude: der Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris. Der Stoff dafür ist schon fertig genäht und wartet auf Rollen gelagert in Lübeck auf seinen großen Auftritt.

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