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Kunst: Der Trödel trägt Prada bei der Biennale in Venedig

Kunst

Der Trödel trägt Prada bei der Biennale in Venedig

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    Der Schweizer Konzept- und Installationskünstler Christoph Büchel hat einen Palazzo am Canal Grande in Venedig in einen Ramschladen verwandelt, in dem alles rausmuss.
    Der Schweizer Konzept- und Installationskünstler Christoph Büchel hat einen Palazzo am Canal Grande in Venedig in einen Ramschladen verwandelt, in dem alles rausmuss. Foto: Rüdiger Heinze

    So wie die Begriffe "Massentourismus" und "Venedig" fast schon Synonyme sind, so sind es auch die Begriffe "Kunst" und "

    Zusammengenommen: Grund, sich zu sputen. Grund, strikt auszuwählen – gerade bei der zeitgenössischen Kunst anlässlich der Biennale, von der ja eh wieder in wenigen Jahren etliches vergessen sein wird ... Was also ist geboten an Besonderem, Gedankenreichem, Qualitätvollem im Gewusel? Vier Hinweise.

    Alles muss raus in Venedig!

    Am Canal Grande steht ein herrschaftlicher Palazzo zum Verkauf: "vendesi" jedenfalls verkündet ein Banner mit Telefonnummer. Am Eingang empfängt kreischende Billigwerbung für Altgold- und Gebrauchtschmuck die Neugierigen. Treten sie dann ein, werden sie empfangen von einer gigantischen Secondhand-Bude. Hier gibt's alles, von der gebrauchten Toilettenschüssel über die Beinprothese hin zu Roulettetisch, Beichtstuhl, Schnellfeuerwaffe. Alles muss raus! Der Schweizer Konzeptkünstler Christoph Büchel war wieder da. Auf der Biennale verwandelte er bereits eine Kirche in eine funktionstüchtige Moschee und präsentierte – umstritten – ein gesunkenes Flüchtlingsschiff, das zuvor Hunderte in den Tod gerissen hatte. Jetzt aber lässt Büchel in jener Fondazione, die ausgerechnet den Luxusnamen "Prada" trägt, eine Art Bank plus Pfandleihhaus für Ramsch auferstehen – jenes Leihhaus, das bis ins letzte Jahrhundert hinein in diesem Anwesen unter dem Namen "Monte di Pietà" wirkte. Arme Menschen konnten dort ihre letzte Habseligkeit als Sicherheit gegen einen günstigen Kleinkredit hinterlegen. Welchen Denkanstoß gibt uns mit seinem Gerümpel der sarkastische Büchel diesmal? Institutionalisierte Wohltätigkeit ist nicht unbedingt erfolgreich – und auch nur eine Facette im (insgesamt überschuldeten) kapitalistischen System. Natürlich ist der Palast nicht wirklich zu verkaufen und werthaltig ist sein aktueller Inhalt auch nicht. Der Trödel trägt

    Maurizio Cattelan hat eine Gefängnismauer bemalt

    In einem Frauengefängnis auf der Insel Giudecca befindet sich hingegen der vatikanische Kunst-Pavillon – zu besuchen nur mit digitaler Voranmeldung. So viel Sicherheit muss sein. Künstlerische Galionsfigur ist – ein Sprung über den Schatten – Maurizio Cattelan, der ja vor Jahren in einer Skulptur Papst Johannes Paul II. von einem Meteoriten treffen und zu Boden gehen ließ. Jetzt bemalte er die Gefängnisfront haushoch mit den geschundenen, verschmutzten Sohlen zweier menschlicher Füße. Schön, wahr und gut, was der Papst selbst bei der Einweihung des Projektes, an dem künstlerisch und erläuternd auch Insassinnen beteiligt sind, erklärte. Er sagte: "Heute ist es nötiger denn je, klar zwischen Kunst und Markt zu unterscheiden."

    Unbedingt zu beachten sind schließlich die Ausstellungen der belgischen Künstlerin Berlinde de Bruyckere in der Abtei San Giorgio Maggiore sowie der Afroamerikanerin Julie Mehretu im Palazzo Grassi. De Bruyckere huldigt in ergreifenden Skulpturen der Verletzlichkeit und Vergänglichkeit alles Lebens. Sie berührt die Betrachter dort, wo sie nicht berührt werden wollen. Ihr Werk: ein großes Memento mori. Und Julie Mehretu, in Europa noch immer nicht ihrem künstlerischen Rang entsprechend gewürdigt, fasst in ihrer Malerei per Zeichen, Markierungen und Schichtungen abstrakt-dynamisch zusammen, was der Mensch an Konstruktion und Destruktion in Gang setzt und wie er von Konstruktion und Destruktion wiederum unter Zwang und Gewalt gesetzt wird. Großartig.

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