Das Hochwasser im Norden macht vor kulturellen Schätzen nicht Halt. „Die konkreten Schäden werden sich erst in ein paar Wochen zeigen, wenn sich das Wasser zurückzieht und wir Meldungen von den unteren Denkmalschutzbehörden bekommen“, sagt Niels Juister, Abteilungsleiter Baudenkmalpflege beim niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Fachleute befürchten: Viele Museen, Archive und Bibliotheken sind nicht auf mehrere Tage schweren Regen eingestellt.
„Es fehlen in Deutschland Strategien zum Thema Kulturerbe und Klimawandel“, kritisiert Johanna Leissner vom Fraunhofer-Büro Brüssel. Die Chemikerin aus der Nähe von Nürnberg vertritt Deutschland im EU-Projekt „Stärkung der Resilienz des Kulturerbes gegen den Klimawandel“. Leissner diskutierte mit Experten kürzlich zum Thema „Kulturgut in Gefahr“ auf einer Veranstaltung der Volkswagenstiftung in Hannover.
Starkregen ist nur eine klimabedingte Gefahr unter vielen für Kulturgüter
„Wir machen viel, doch andere Aufgaben wie Sicherheitsfragen nach Einbrüchen in Museen sind teilweise noch drängender“, sagt Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlung. Als 2013 das Hochwasser in Sachsen große Schäden anrichtete, war er stellvertretender Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen Dresden. „Wir haben damals unterirdische Depots nach oben verlegt“, sagt Maaz. Starkregen ist für ihn nur eine klimabedingte Gefahr unter vielen für wertvolle Kulturgüter. „Ganz neue Schädlinge werden eingeschleppt. Die zunehmende Hitze im Sommer ist eine große Belastung, zumal Kühlmittel extrem schädlich sind“, sagt Maaz. Er weist auf Bausünden der Vergangenheit hin. So sei 1981 die Außenverschalung beim Bau der Neuen Pinakothek in München aus Kostengründen eingespart worden – seit 2018 ist sie geschlossen, bis 2029 dauert die aufwendige Sanierung, durch die auch weniger Energie verbraucht werden soll.
Paul Bellendorf, Professor für Restaurierungswissenschaft der Uni Bamberg, betont die Bedeutung der kleinen Heimatmuseen, die nicht über die Etats großer Häuser verfügen. „Sie geben den Menschen in ihrer Region Identität. Das dort ausgestellte Kulturgut würde verfallen, wenn man ihre Sammlungen nicht vor den Folgen der Klimaveränderungen schützt“, sagt Bellendorf und betont dabei einen besonderen Aspekt: „Denkmalgeschützte Gebäude müssen zum Klimaschutz beitragen. Solaranlagen auf historischen Dächern sind in Bayern endlich möglich, es gibt dafür mit kleinen roten Solarziegeln auch gute Lösungen. Solche Kompromisse mit dem Denkmalschutz sind nötig.“
Es gibt einen Notfallverbund in Bayern
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hat sich in Bayern ein Notfallverbund gegründet, in dem Museen, Bibliotheken und Archive zum Schutz ihrer Sammlungen zusammenarbeiten. Bundesweit gibt es inzwischen 60 solche Zusammenschlüsse, in denen es unter anderem darum geht, Ablaufpläne für den Notfall zu erarbeiten oder Material zur Sicherung von wertvollem Inventar anzuschaffen. „Bislang wird meist noch über die richtigen Maßnahmen diskutiert, ohne sie umzusetzen“, kritisiert Leissner.
Konkret geschehe oft erst etwas aus aktuellem Anlass. Im Juli 2021 wurden nach Überflutung historische Fachwerkhäuser im Freilandmuseum Bad Windsheim durch Feuchtigkeit und Schimmelpilzwachstum in Mitleidenschaft gezogen. Durch den erstmaligen Einsatz einer neuen Technik zum Trocknen von Mauern des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik konnten Schadstoffe aus den Wänden aufgefangen, die Feuchtigkeit reduziert und dabei gegenüber üblichen Industriebläsern 80 Prozent der benötigten Energie eingespart werden. Nach diesen ersten Maßnahmen wurde ein Konzept erarbeitet, wie man künftig Gebäude im Freilandmuseum besser gegen Schlagregen und Hitzewellen schützen will. Ein anderes positives Beispiel ist laut Leissner die Frauenberg-Kapelle Sufferloh im Voralpenland. Dort wurde nach Analyse der möglichen Gefahren ein feuchteresistenter Außenputz aufgebracht, um die Außenmauern vor Schlagregen und Durchfeuchtung zu schützen. Zwei Projekte, die mit Mitteln des Bundesbildungsministeriums gefördert wurden.
„Wir können nicht alle Denkmäler retten. Das Material zersetzt sich, auch unabhängig vom Klimawandel“, betont Teresa Erbach, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdamer Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit, und fügt hinzu: „Wir müssen uns fragen, was uns wie wichtig ist.“ Als Beispiel nennt sie einen historischen Leuchtturm in England, der durch das Abrutschen der Küste überflüssig geworden sei: „Man hat sich darauf geeinigt, ihn auf begrenzte Zeit mit wenigen Mitteln zu sichern, aber nicht auf Dauer zu erhalten. Dabei wird der Verfall für die Nachwelt dokumentiert.“