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Kritik: Romeo Castelluccis „Don Giovanni“ bei den Salzburger Festspielen

Oper

Salzburger Festspiele: Denksport mit Don Giovanni

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    Don Giovanni à la Romeo Castellucci: Davide Luciano sind die Titelfigur in Mozarts gleichnamiger Oper bei den Salzburger Festspielen.
    Don Giovanni à la Romeo Castellucci: Davide Luciano sind die Titelfigur in Mozarts gleichnamiger Oper bei den Salzburger Festspielen. Foto: Monika Rittershaus, SF

    Etwas verhalten, jedenfalls nicht mit einem Novitäten-Paukenschlag begann das Opernprogramm der diesjährigen Salzburger Festspiele: mit Oper konzertant (Dallapiccolas „Il prigioniero“), Oper halbszenisch (Straussens „Capriccio“), Oper für den musizierenden wie hörenden Nachwuchs (Orffs „Kluge“), Oper in Wiederaufnahme (Mozarts „Titus“ von den Pfingstfestspielen). Die erste repräsentative Neuproduktion wird erst Mieczyslaw Weinbergs „Der Idiot“ am 2. August sein.

    Ebenfalls bekannt – zumindest in der Grundanlage – ist der „Don Giovanni“ vom Dirigenten Teodor Currentzis und von Regisseur Romeo Castellucci, der seine Premiere schon 2021 feierte und vor allem inszenatorisch das Deutungsvermögen des Publikums erheblich in Anspruch nimmt. Das gefiel seinerzeit, das gefällt heute nicht jedem. Die durchaus mögliche Entschlüsselung hier, die vage Mutmaßung da und das bleibende Rätsel dort reichen sich in durchaus forcierter Abfolge die Hand. Zwar lässt Castellucci nicht mehr einen Rollstuhl vom Bühnenhimmel krachen und auch keinen Sportwagen (nun hängt er nurmehr kopfüber), aber an Denksportaufgaben mangelt es weiter nicht: Zieht Don Ottavio ein Modellkriegsschiff hinter sich her, weil er Rache zu schwören hat? Was wollen uns die wie Melonen geschlachteten Basketbälle sagen? Und was der Kletterer an der monumentalen Kopie des spätgotischen Gemäldes „Bildnis einer jungen Frau“ von Petrus Christi? Vielleicht die physiognomische Erkundung des schönen Antlitzes einer begehrenswerten Frau?

    In der Inszenierung wuselt auch eine kleine Ratte über die Bühne

    Auch der Geübte in Sachen Szenen-Auslegung kann hier des Öfteren - trotz Denkens um die Ecke - ins Schleudern geraten. Freilich: Schön und edel sind die Bilder von Romeo Castellucci, in Personalunion zuständig für Regie, Ausstattung und Licht. Aber sie machen sich symbolistisch wie surreal gelegentlich genauso selbstständig wie ihre von weit her geholten Requisiten: Ottavios Kriegsschiff gleitet von alleine hinweg, zwei Fotokopierer in Spiegelanordnung vervielfältigen sich (zu Leporellos Register-Arie) gleichsam selbst, einer Trauerkutsche fällt wie von magischer Hand angewiesen ein Rad ab … Und auch eine kleine Ratte wuselt kurz über die Bühne. Dankbar anzusehen jedenfalls: dass Elvira offenbar mit Kindern von Don Giovanni sitzengelassen wurde, dass Zerlina ihre Augen von diesem Womanizer einfach nicht abwenden kann, dass Masetto nicht von ihm, sondern von einer Heerschar Frauen vermöbelt wird, die durchaus Glücksstunden mit Giovanni zu verbinden scheint

    Musikalisch aber bleibt festzuhalten: Erlesen, exquisit die nun leicht variierte Sängerauswahl dieser Neueinstudierung mit einem elastischen, federnden, pulsierenden, auch swingenden Utopia Orchestra unter Teodor Currentzis: Nadezhda Pavlova als expressive Donna Anna wieder ein Ereignis mit Déja-vu-Charakter hinsichtlich Netrebkos Salzburger Durchbruch 2002. Was blitzsaubere Koloraturen sind, macht sie sogar Julian Pregardien mit seinem ganz feinen Tenor (Ottavio, neu) und Federica Lombardi als Elvira vor (sie sang bereits die Premiere). Kyle Ketelsen als Leporello wiederum (neu) zeigt sich profund-wohltönender als der herbere Davide Luciano (Don Giovanni schon 2021). Und Anna El-Khashem als neue Salzburger Zerlina? Sie offenbart einen betörend-frischen Sopran und ein hinreißendes Sehnen im Timbre – abgesehen von ihrer offensichtlichen Spiellust. Was besonders beglückend, parallel zum Utopia Orchestra auffiel: der sparsame Gebrauch des Vibratos im Sängerensemble. Große Begeisterung des Publikums, einige Buhs für Castellucci.  

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