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Krimi "Böses Blut": Joanne K. Rowling und der böse Mann im pinken Mantel

Krimi "Böses Blut"

Joanne K. Rowling und der böse Mann im pinken Mantel

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    Joanne K. Rowling hat unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith den Krimi "Böses Blut" geschrieben.
    Joanne K. Rowling hat unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith den Krimi "Böses Blut" geschrieben. Foto: Evan Agostini, Invision, dpa

    Wo viel Liebe ist, da ist auch schnell mal viel Hass. Und es ist nicht so, dass Joanne K. Rowling als weltweit geliebte Schriftstellerin das in diesem Jahr zum ersten Mal erlebt. Mit feinen bissigen Tweets brachte sie schon Trump-Fans so gegen sich auf, dass die im Furor gleich Harry-Potter-Bücher, Potter-DVDs und Potter-Schals verbrannten oder das zumindest ankündigten. Was aber kümmert es die erfolgreichste Autorin der Welt. „Der Rauch der brennenden DVDs ist wahrscheinlich giftig und ich habe trotzdem euer Geld, du kannst auch gerne mein Feuerzeug borgen“, schrieb sie lässig auf Twitter.

    Rowling, 55, ist also einiges gewöhnt. Aber die Lässigkeit kam ihr im vergangenen Jahr dann doch abhanden. Diesmal aber brachte sie nicht Trump-Fans, sondern Transaktivisten mit einigen polemischen Tweets über den Unterschied zwischen sozialem und biologischem Geschlecht gegen sich auf. So heftig war der Proteststurm, dass sich Rowling für mehrere Monate ganz von den Sozialen Medien zurückzog und sich irgendwann genötigt sah, auf ihrer Website in einem persönlichen Essay Stellung zum Vorwurf der Transfeindlichkeit zu beziehen. Dann erschien ihr neuer Roman. Und Rowling wurde auf Twitter mit dem Hashtag #RIPJkrowling kurzerhand gleich für tot erklärt. „Ruhe in Frieden, JK Rowling“.

    Rowling hat "Böses Blut" unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith geschrieben

    All das muss man in der Kurzversion vorausschicken, wenn man auf dieses Buch zu sprechen kommt, das nun auch auf Deutsch vorliegt. „Böses Blut“, veröffentlicht unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith. Es ist ihr fünfter Krimi mit dem Ermittler Cormoran Strike, ein ehemaliger Militärpolizist, gehandicapt durch eine Beinprothese, der sein Geld in London als Detektiv verdient. So erfolgreich und routiniert wie Strike den neuen Fall, geht auch Rowling den Roman an: ein typischer Whodunit. Zu klären gilt es diesmal das Verschwinden einer Ärztin vor 40 Jahren. Auf dem Weg von der Praxis zum Pub ist Margot Bamborough spurlos verschwunden, nun möchte ihre Tochter Gewissheit.

    Wäre nicht der Streit darüber, ob Rowling nun transfeindlich ist oder nicht, wäre der Roman in England und dann auch in Deutschland vermutlich ohne Getöse mit vielen wohlwollenden Rezensionen erschienen. Was Rowling ja nun mal unbestritten gut kann: eine Geschichte so zu erzählen, dass man Abende, Wochen oder gar Jahre mit ihr verbringt. Und was sie nicht minder kann: einmal spöttisch-elegant die ganze englische Gesellschaft im Querschnitt zu porträtieren, hier die exzentrische unter einer Border-Line-Störung leidende Ex-Geliebte Strikes, dort Strikes alter Freund aus Schultagen aus einfachen Verhältnissen, der sein Cornwall am liebsten von allem Fremden abschotten würde. Und dazwischen die nervende Spießer-Familie seiner Schwester. Dass der Roman Längen hat, Rowling über der Lust am Schreiben die Geduld der Leser etwas strapaziert, vor allem mit einem eher langatmigen Anfang, geschenkt – Rowling gleicht es mit seinem furiosen Finale aus. So – und damit zum Problem. Oder zumindest zu dem, was als Problem angesehen wird.

    Der Vergewaltiger und Serienmörder trägt eine Frauenperücke? Taugt das zum Skandal?

    Zu den Verdächtigen in diesem Fall zählt Dennis Creed, ein Serienmörder und Vergewaltiger, der seit Jahren im Gefängnis sitzt. Seine Opfer folgten ihm auch deswegen vertrauensvoll in die Falle, weil er eine Frauenperücke und einen pinkfarbenen Mantel trug. In seinem Folterkeller erwartete die Frauen dann Schlimmstes. War damit nicht bewiesen, dass Rowling eben doch...?

    Das Buch stieg in England selbstverständlich auf der Beststellerliste ein. Etliche kauften es aber offenbar auch nur, um es dann fürs Video zu verbrennen. Wer es aber nun liest, stellt vor allem erst einmal fest. Wie stark die öffentliche Debatte den Blick auf die Lektüre verändert, sie beeinflussen kann. Den neuen Rowling-Krimi also einfach mal so weglesen und dabei abschalten, sich unterhalten lassen, schwierig nun. Das kann man im positiven Sinne so sehen, dass eben genau durch derartige Debatten Leser sensibilisiert werden für diskriminierende klischeehafte Darstellungen von Menschen, die ohnehin gegen Vorurteile kämpfen müssen. Warum muss nun also auch von Rowling ein Mann, der Frauenkleider trägt, als schwer gestörter Typ dargestellt werden?

    Der Punkt nur ist: Der perfide Dennis Creed ist keine Transfrau, sondern ein kostümierter Mann, der die Frauenkleider trägt, um harmlos zu erscheinen. Und ebenso wie Creed überzeichnet ist, sind es auch andere Figuren – Rowling kennt da wenig Gnade. Mit am sympathischsten ist im Übrigen die Tochter der Ärztin gezeichnet, die in einer glücklichen Beziehung mit einer Frau lebt. Aus diesem Roman ist eigentlich kein Skandal zu machen, außer man möchte es unbedingt, womöglich um auch dank der Popularität der Autorin Aufmerksamkeit für ein ernstes Thema zu gewinnen.

    Schließt J.K. Rowlings Feminismus Transmenschen aus?

    Lächerlich aber wird das Ganze, wenn selbst die Wahl des Pseudonyms zur Anklage herangezogen wird. Sie habe diesen Namen gewählt, erklärte Rowling einst, weil Robert, auch wegen Robert Kennedy, einer ihrer bevorzugter Männernamen sei und weil sie als Kind gerne Ella Galbraith genannt werden wollen. „Keine Ahnung warum.“ Nun aber wird auch das in Zweifel gezogen. Hat Rowling nicht etwa doch an den Psychiater Robert Galbraith Heath gedacht? Geboren 1915, bekannt geworden durch seine Methode, Homosexuelle mit Elektroschocks zu behandeln, um sie von „ihrer Krankheit“ zu heilen? Rowling bestreitet das. Heath war auch nur unter Heath bekannt, so wie von Rowling auch keiner als Joanne Kathleen spricht. Aber wie das so ist mit einem Verdacht, ist er erst einmal in der Welt …

    Ist Rowling nun ein TERF, ein „Trans Exclusionary Radical Feminist“, vertritt also einen Radikalfeminismus, der Transmenschen ausschließt? Wer sich eine Meinung bilden möchte, sollte besser das Essay auf ihrer Website lesen und nicht im unterhaltsamen Roman nach weiteren Verdachtsmomenten suchen. Darin beschreibt sie zum ersten Mal öffentlich, wie ihr erster Ehemann sie misshandelt hat. Sie verspüre Solidarität mit Transgender-Frauen, die ebenfalls Erfahrung mit Gewalt machen mussten, und glaube, dass die meisten Transgender-Menschen keine Bedrohung für andere darstellten. „Transfrauen brauchen und verdienen Schutz“, schreibt Rowling. Andererseits aber wolle sie auch nicht, dass gebürtige Mädchen und Frauen weniger sicher sind. Wenn man aber die Türen von Badezimmern und Umkleidekabinen für jeden Mann öffne, der sich als Frau fühlt, dann öffne man die Türen für alle Männer, die hereinkommen wollen. „Das ist die einfache Wahrheit“, schreibt Rowling. Zumindest aus ihrer Sicht.

    Daniel Radcliffe, Hauptdarsteller aus den Harry-Potter Filmen, sah das in seinem Blog-Eintrag für das des „Trevor Project“, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Suizidprävention in der LGBTQ-Szene einsetzt, etwas anders. Er verdanke Jo, wie er Rowling nennt, seine gesamte Karriere, aber nun müsse er mal etwas klarstellen. Nämlich: „Transgender-Frauen sind Frauen. Jede gegenteilige Aussage löscht die Identität und Würde von Transgender-Menschen aus.“ Was ihm aber auch wichtig war: Dass dieses Zeilen nicht bedeuten, dass es ein Zerwürfnis zwischen ihm und J.K. Rowling gebe. Die beiden zumindest scheinen noch miteinander zu reden …

    Robert Galbraith: Böses Blut. A.d. Eng. von W. Bergner, C. Göhler und K. Kurz. Blanvalet, 1200 S., 26 Euro

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