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Helene Fischer in München 2022: Konzert-Kritik

Konzertkritik

Helene Fischer an der Messe München: Am größten, aber sicher nicht am besten

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    Helene Fischer spielte in München vor 130.000 Menschen ihr einziges Konzert in diesem Jahr.
    Helene Fischer spielte in München vor 130.000 Menschen ihr einziges Konzert in diesem Jahr. Foto: Tom Rider

    Immer mehr Superlative türmten sich über diesem Samstagabend auf der Münchner Messe in Riem auf: das größte Konzert des Jahres in Deutschland mit 130.000 Zuschauern, die mächtigste Bühne mit 150 Metern Breite, das einzige des größten deutschen Musikstars Helene Fischer in diesem Jahr… - und (man könnte vielleicht auch noch die schlimmste Infrastruktur bei dem Chaos in Riem hinzufügen) dann jedenfalls noch das miesest mögliche Wetter. Den ganzen Tag Regen, teils heftig, mit Gewitterwarnungen, sodass die angrenzenden Messehallen teils freigegeben wurden, damit früh angereiste Fans darin Schutz finden konnten.

    Florian Silbereisen begrüßt Fans bei Konzert von Helene Fischer

    Aber dann, als spielte auch der Himmel noch mit bei dieser mächtigsten Rückkehr der deutschen Showgeschichte nach Baby- und Corona-Pause: War das Schlimmste doch vorüber, als Florian Silbereisen kurz vor 20 Uhr auf die Monsterbühne trat, um Helene anzukündigen, deren größter Fan er noch immer sei – da nieselte es bereits und auch fortan nur noch ein bisschen über der nicht eben gastlich gewordenen Brache, tief unten am Horizont brach tatsächlich die Sonne noch durch, und so bildete sich sogar ein Regenbogen am Firmament. Unglaublich.

    Sie haben stundenlang im Regen ausgeharrt: Helene Fischers Fans wollten ihr Comeback nicht verpassen.
    Sie haben stundenlang im Regen ausgeharrt: Helene Fischers Fans wollten ihr Comeback nicht verpassen. Foto: Tom Rider

    Aber ob der Superlativ dann auch noch stimmte, den Helene Fischer gut zwei Stunden später und kurz vor dem Ende des Programms den teils hunderte Meter von ihr entfernten Zuschauern zurief, dies nämlich sei die tollste Show ihres Lebens gewesen? Wenn sie es selbst vielleicht auch wirklich so empfunden haben mag, angerührt davon, dass nach der belastenden Pandemiezeit und der einschneidenden Veränderung in ihrem Privatleben nun endlich auch die Gelegenheit war, die erstmals von ihr mitgeschriebenen Songs des aktuellen Albums „Rausch“ vor ihren Fans zu zelebrieren – übrigens samt zarter politischer Kommentare zu ihrer Verzweiflung über Hass und Krieg in der Welt zu „Wann wachen wir auf“, zur feministischen Ermutigung mit „Die Erste deiner Art“ sowie mit einem Liebesgruß an den einen Seelengefährten, den sie nun gefunden habe in „Hand in Hand“: Es war doch nur die größte Show ihrer bisherigen Karriere, und das auch bloß gemessen in Quantität.

    Denn allein schon in München: Wer diese Helene Fischer damals mit den Artisten des Cirque du Soleil in der Olympiahalle gesehen hat, weiß, dass ihre Shows viel großartigere Spektakel sein können; und wer sie in einem ausverkauft um sie tosenden Olympiastadion gesehen hat, weiß, dass die Atmosphäre auch so viel grandioser sein kann.

    Diese alten und neuen Lieder spielte Helene Fischer in München

    Nicht, dass Helene in ihren vier verschiedenen Kostümen, mit Band und Tänzern nicht geliefert hätte. Sie servierte den ersehnten Reigen älteren Songs, durchsetzt mit sehr vielen neuen: anfangs „Genau dieses Gefühl“, „Jetzt oder nie“, „Phänomen“ und später zum Beispiel „Ich will immer wieder… dieses Fieber spüren“, ihr Morgendoppel „Morgen früh küss ich dich wach“ und „Morgen früh ist mir egal", dazu „Flieger“, zu dem sie auch wieder per Seilzügen und Hüftaufhängung Salti schlagend über die Massen (das vordere Drittel) flog, in der Disco-Sektion von „Herzbeben“ über „Liebe ist ein Tanz“, "Spürst du das“ und „Vamos a Marte“ zu „Atemlos“ als letztes Stück vor den Zugaben, der Rausschmeißer dann nach genau zweieinhalb Stunden „Null auf 100“. Und die Bühne spuckte dazu Rauch, Feuer und Feuerwerk, mächtige Bässe in mancher aufgemantelten Discoversion („Fehlerfrei“ angereichert mit „Everybody Dance Now“), die Band schraubte anderes zu Rocknummern auf („Blitz“)… - und das funktionierte schon auch alles irgendwie. Aber zündete eben auch nie ganz.

    Denn der Preis für den Gigantismus eines solchen Events ist ein unweigerlicher Verlust an Unmittelbarkeit des Dargebotenen und an Präsenz der zumeist nur über Bildschirme sichtbaren Hauptfigur. Und beides ist im Fall Helene Fischer eben mit entscheidend für die Qualität der Show. Insofern war dieser Abend also unweigerlich auch die schlechteste Show von Helene Fischer, da konnte sie zwischenzeitlich noch offen und mit Tränen in den Augen auf einer Schaukel sitzend über die Schmerzen eines Verlustes im Leben sprechen. Sie, die ja sonst immer so von Berührtheit und Bodenständigkeit zeugt, ist halt in einer solchen Riesenshowmaschine auch bloß noch ein Teil, und meistens reine Bildschirmoberfläche.

    Helene Fischer war für viele Zuschauerinnen und Zuschauer meist nur auf den Bildschirmen sichtbar.
    Helene Fischer war für viele Zuschauerinnen und Zuschauer meist nur auf den Bildschirmen sichtbar. Foto: Tom Rider

    Selbst für Deutschlands größten Star ist die Arena an der Messe zu groß

    Das fällt umso mehr ins Gewicht, weil es ja ohnehin einen Wandel in der Karriere dieses Stars gibt. Die früheren Schlagerhits wirken unmittelbar und nahmen ihr Publikum direkt mit, das hat auch auf vergleichsweise kleinen Bühnen wunderbar funktioniert. Der dann allmählich eingeschlagene und nun stetig fortgesetzte Gang in die völlig stiloffene (aber stark Dance- und Effekt-geprägte) Musikshow entspricht wahrscheinlich sogar mehr Helenes ureigenem Musikgeschmack – setzt aber im Kontakt zum Publikum statt auf Nähe und Unmittelbarkeit eher auf Überwältigung. Dazu passen die größeren Bühnen dann durchaus. Aber wenn die Bühne nun wie im München zu groß wird für eine überwältigende oder unmittelbar wirkende Show (und bloß noch der Gigantismus an sich wirkt), kommt selbst eine Helene Fischer in beidem nicht mehr ganz so an.

    All die bei Helenes Frage ins Publikum überraschend vielen, die erstmals bei einer ihrer Shows waren, werden nach den Wetterstrapazen trotzdem irgendwie froh sein, dabei gewesen zu sein, bei diesem Event der Superlative. Aber was all den Helene-Fans gar nicht erst gesagt werden muss, ist ihnen zu empfehlen: diesen größten Star besser im kleineren Format erleben, im Stadion oder gleich in der Halle. Gelegenheit bietet Frau Fischer auch gleich im kommenden Jahr, eine ganze Woche lang, in München. Viel Spaß!

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