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Konzertkritik: Andreas Gabalier in der Olympiahalle: Der Bergprediger ist zurück

Konzertkritik

Andreas Gabalier in der Olympiahalle: Der Bergprediger ist zurück

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    Andreas Gabalier bei seinem Konzert in München.
    Andreas Gabalier bei seinem Konzert in München. Foto: Stefan Prager

    Breitbeinig hatscht Andreas Gabalier über die Bühne. Schwarze Lederhose, Muskelshirt, Sonnenbrille. Die Wadeln stramm, die Oberarme aufgepumpt, als wäre er von der Alm noch kurz ins Fitnessstudio abgestiegen, um sich für seinen Auftritt in der ausverkauften Olympiahalle zu stählen. Die Fans wollen unterhalten werden, zweieinhalb Stunden, das kostet Kraft. 

    So viel, dass der selbst ernannte Volks-Rock’n’Roller aus der Steiermark nach der Hälfte des Konzerts auf der Bühne liegt. Keuchend, mit ausgestreckten Armen, als hätte er soeben den Großglockner bestiegen. Die Scheinwerfer über ihm leuchten rot-weiß-rot, um ihn herum frenetischer Jubel. Dann tupft er sich den Schweiß von der Stirn, schnauft tief durch und erhebt sich. Getragen vom „Oh wie ist das schön“ seiner Fans. Der steirische Alpengott ist auferstanden. 

    Andreas Gabalier predigt in München vom familiären Zusammenhalt

    Neben ein bisschen „Hulapalu“, „Hallihallo“ und „I find ka Ruh“ verkündet er an diesem Abend vor allem eins: Alles ist gut, solange es bleibt, wie es nie war. Vor sonnenbeschienenen Bergen und grünen Alpenwiesen, die großformatig über die Leinwand ziehen, beschwört Gabalier Sehnsuchtsfantasien von einer kleinen, heilen Welt herauf. Ein bisschen Heimat verkitschen, Welt verklären und religiöse Gefühle wecken. 

    Da wird „Heidi“, der Titelsong zur Zeichentrickserie von Gitti und Erika, zum Stimmungsbarometer und die Fans stimmen beseelt mit ein. Sie seien allesamt eine große Familie, wiederholt Gabalier immer wieder. Volks-Rock’n’Roller, die dieselben Werte vertreten und Traditionen bewahren wollen. Zusammengehalten von ihm, dem bodenständigen Bauernbuam, der das Leben liebt und doch einfach nur gern Musik macht. 

    Dass er ganz nebenbei auch sprachlich mit Begriffen spielt, München zum „Epizentrum des Volks-Rock’n’Roll“ und den Hype um sich zum „einzigartigen Massenphänomen“ erklärt, stört niemanden. Im Gegenteil: Die Fans jubeln, als er sich über gegenwärtige Sprachdebatten mokiert, lauthals „Winnetou forever“ ins geweihförmige Mikrofon brüllt und behauptet, dass man das laut der „Tagesschau“ nicht mehr sagen dürfe. Ob es besser sei, dass Kinder heutzutage Ballerspiele zocken statt Winnetou zu spielen, will Gabalier wissen. Konkreter wird er dann aber nicht, schnallt sich stattdessen lieber das Akkordeon um und düdelt weiter. Von Dahoam, von Kaiserschmarrn und Griesnockerlsuppn. 

    Andreas Gabalier lässt beim Konzert in München Kinder aus den ersten Reihen in den Bühnengraben heben

    Bierzeltstimmung getreu dem Namen der Tour „Dirndl-Wahnsinn und Hulapalu“. Musikalisch hat das mit Rock’n’Roll nicht viel gemein, aber E-Gitarre, tätowierte Wadeln und ein wenig Berggeplänkel reichen fürs Image des heimattreuen Volksrockers. Die Fans jedenfalls feiern die Kreuzung aus Schlager, Pop und Hit-Parade. So gut wie alle tragen Dirndl und Lederhosen. Geschmückt mit blinkenden Kopfgeweihen, kleinkarierten Halstüchern und Sonnenbrillen schunkeln sie, ziehen in der Polonaise durch die Arena und lassen sich einlullen vom harmonischen Bergidyll, das da propagiert wird. Auch wenn sich dieses antimodernistische Konstrukt immer wieder selbst entlarvt. Denn da wird zwar noch in der Dorfdisko statt auf Tinder gedatet, wie Gabalier behauptet, und ein Bua an der Theke beiseite geschoben, wenn er nicht gefällt. Aber wenn sich der Sänger ein Lichtermeer aus Kerzen herbeisehnt, werden auch nur Smartphones in die Luft gehalten. 

    Wie auf dem Oktoberfest darf natürlich auch das Bier nicht fehlen oder wie Gabalier erklärt: „Der Grillmeister darf nicht auf dem Trockenen sitzen.“ So weit, so platt und damit hoch die Becher zum gemeinsamen Prosit. Denn im Kern will der 38-Jährige doch nur eins: Geballte Lebensfreude vermitteln. Gebetsmühlenartig schwadroniert er von Hoffnung, Zuversicht und Miteinander. Ganz entrückt scheint der steirische Bergprediger von den „vielen Herzen in den Augen“ und „den strahlenden Gesichtern“, die da zu ihm aufblicken. 

    Inmitten der Ekstase bleibt Gabalier dann auch plötzlich stehen, entschuldigt sich für die späte Eingebung und lässt Kinder aus den ersten Reihen in den Bühnengraben heben. Damit sie ihm noch näher sind, dem Andi. Später dürfen drei von ihnen sogar neben ihm sitzen – für ein Erinnerungsfoto und eine Einladung zum nächsten Konzert. Alles familiär, alles ganz persönlich. Nach dem Mega-Konzert auf der Münchner Messe im vergangenen Jahr mit 90.000 Menschen mag Gabalier seinen Fans in der Olympiahalle tatsächlich wieder etwas näher sein. Aber er weiß das Image des einfachen, nahbaren Bergbauernbuam auch gut zu verkaufen. 

    Mit seinen Aussagen und Texten eckt Andreas Gabalier immer wieder an

    Immer wieder bläut er seinen Fans ein, sie würden hier die beste aller Partys erleben und wirbt direkt für seinen Auftritt im kommenden Jahr. Für noch mehr Nähe können die Anhänger neuerdings im eigenen Magazin blättern, gewidmet nur ihm, dem vermeintlichen Bewahrer der guten, alten Zeit. Sein im vergangenen Jahr verstorbener Freund und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz habe das Heftchen herausgeben wollen, um das Bild in der Öffentlichkeit geradezurücken, erklärt Gabalier. Denn der Schlagerstar gilt als kontroverse Figur und geriet in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. 

    So eckte er mit rechtspopulistischen oder homophoben Aussagen an. Auch einige Texte sind umstritten, weil sie ein veraltetes Rollenverständnis oder reaktionäres Weltbild vertreten. Heftig diskutiert wurde auch über das Cover zum 2011 erschienen Album „Volks-Rock’n’-Roller“. Kritikerinnen und Kritiker erkannten in Gabaliers Pose ein Hakenkreuz. Er selbst stritt das ab. 

    Der Österreicher provoziert gerne und macht das auch beim Konzert in München zum Thema. Doch am Ende inszeniert er sich am liebsten selbst. „Ich habe alles gegeben“, ruft Gabalier und rührt die Fans zu Tränen beim abschließenden „Amoi segma uns wieder“. Geschrieben hatte er es in Gedenken an Schwester und Vater, nachdem beide Selbstmord begangen hatten. „Amoi werd ma uns wieder segn, vielleicht sogar schon beim Konzert im nächsten Jahr“, haucht Gabalier ins Mikrofon.

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