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Konzerte in München: Drei Tage Ed Sheeran: Die Bilanz eines Pop-Märchens

Konzerte in München

Drei Tage Ed Sheeran: Die Bilanz eines Pop-Märchens

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    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion.
    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion. Foto: Tom Rider

    Erkenntnis erwächst aus Kontrasten. Die großen, grundlegenden zeugen hier von einem wahr gewordenen Pop-Märchen. Die kleineren, feineren anderen aber zeigen, dass dessen größter Zauber bereits vorbei sein könnte …

    Bereits am ersten Abend in München schien Ed Sheeran selbst zu einer Bilanz seiner Karriere aufgelegt. Bevor er etwa den Song „The A Team“ spielte, erinnerte er daran, dass der seine erste Single gewesen sei, ausgekoppelt aus dem exakt an diesem Wochenende vor elf Jahren erschienen Debütalbum: „Und wenn ich meine Augen schließe, sehe ich mich damit noch immer in leeren kleinen Klubs in Deutschland auftreten. Ich war der Gleiche, der ich heute bin. Und dann öffne ich die Augen wieder und sehe das hier, mich, das gleiche Lied – und 72.000 Menschen!“

    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion: mit eigenem, ortsbezogenen Fan-T-Shirt.
    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion: mit eigenem, ortsbezogenen Fan-T-Shirt. Foto: Tom Rider

    Wie alles begann: Ed Sheeran und der Zündfunke seiner Karriere vor 20 Jahren

    Oder, noch weiter zurückreichend: Zum kürzlichen Tod der Queen erinnert sich Ed Sheeran, wie er vor 20 Jahren, mit elf, das Konzert zu deren goldenem Thronjubiläum im Fernsehen sah und bei Eric Claptons Auftritt mit „Layla“ beschloss: Ich will das auch, ich will Musiker werden. Und dann spielte er „Perfect“, das er auf königliche Einladung kürzlich zu Elizabeths Platin-Festlichkeit beisteuerte. „Unvergesslich, wie sich da ein Lebenskreis geschlossen hat …“

    Natürlich wirkte das auch ein bisschen kokett, weil der Ruhm und der Erfolg für den 31-jährigen Briten längst nichts Neues mehr sind. Schon einmal hat er bei der letzten Tournee, die mit rund 7,5 Millionen Zuschauern weltweit als die erfolgreichste aller Zeiten gilt, an drei Tagen hier in München das Riesenoval gefüllt, wie er es nun wieder tat, bei insgesamt über 200.000 verkauften Karten.

    Aber diese Tour nun ist ja nicht nur nach dem aktuellen Album „=“ (equals) benannt, sondern wie bilanzierend nach allen seinen bisherigen fünf mit Rechenzeichen betitelten: „Mathematics“. Und im Umgriff treten sie eben auf: die Kontraste. So kann man sich jedenfalls aus diesem Anlass noch mal fragen, wie aus dem bei einer Talentshow abgelehnten Jungchen einer der Superstars der Popwelt wurde.

    Ed Sheeran, der beste Pop-Songwriter unserer Zeit?

    Die zweifache Antwort erschließt sich eigentlich bis in einen solchen Abend hinein. Ed, inzwischen mit seiner Jugendliebe verheiratet und Vater geworden, wirkt noch immer wie der nette Normalo von nebenan, allürenfrei, unmaskiert, nicht zeitgeiststylisch, eher knuffig. Und er steht von früheren Hits wie „Sing“ über seinen größten „Shape of You“ bis zu aktuellen wie „Shivers“ da als eine dem entgegenstehende Ausnahmeerscheinung. In der Filmkomödie „Yesterday“ auf den Punkt gebracht. Denn den da sich selbst spielenden Ed kann im Songwriting-Wettbewerb ein anderer nur übertreffen, weil der sich nach einem globalen Blackout als einziger an die Hymnen der Beatles erinnern kann.

    Dieser Rothaarstrubbel also, schreibt er einfach die besten Popsongs unserer Zeit? Dass er auch bei US-Superstars von Taylor Swift bis Eminem gefragt ist, scheint das nur zu bestätigen. Den Hit, den er für Justin Bieber angetrunken aus dem Ärmel geschüttelt haben will, sang Ed hier nun jedenfalls selbst: „Love Yourself“.

    Der Kontrast, der diese zweifache Antwort immer entscheidend gestützt hat, ist der, der in seinen Konzerte wird. Oder wurde? Denn immer trat dieser Normalo namens Ed Sheeran dabei bislang ganz allein, ohne Show-Brimborium, auch in die größten Arenen, seine Stimme, seine Gitarre, sein kleines Keyboard und dazu die Loop-Station, mit der er seit 16 Jahren Songs baut und die er auch an diesen Abenden wieder vorstellte: ein Computer, in den er einzelne Tonspuren live einspielt, um sie dann mit Pedalen für den Song abrufen zu können. Ein Mann, eine Maschine, tausend Hits: Spektakel des unmittelbaren Miterlebens als Nachweis seiner Ausnahmeerscheinung.

    Aber nun unterlief er diesen Kontrast im seinem Markenkern eben selbst. Sheeran trat erstmals mit Band auf, in diesem Drittel des Abends mit ihr konnte er aufgepolstertes Material des aktuellen Albums spielen wie zum Auftakt „Tides“ und einige aus Kollaborationen entstandene Songs wie gleich danach den Rocker „Blow“. Er servierte zudem auch ältere Solo-Stücke wie „Galway Girl“ in fetteren Versionen, sogar mit passend eingebauten Feuerwerksequenzen auf der Bühne.

    Und überhaupt: diese Bühne! Wo zuvor nicht viel mehr als ein Guckkasten mit gutem Sound und großem Bildschirm gestanden war, war nun zentral im Publikum eine mächtige Eventmaschine gelandet: wie vertäut an sechs bildschirmbestückten Effektmasten eine Drehbühne in Dauerbewegung, darauf ausfahrbare Podeste, darüber ein heb- und senkbarer Ring als Rundumgroßleinwand, und überall mal Feuerwerk.

    Weniger ist mehr: Das scheint Vergangenheit bei Ed Sheeran

    So war es selbst, wenn im größeren Teil der zweieinviertel Stunden Programm doch Ed solo auf der Bühne war und mit der über diese verteilt nun fünffach kontrollierbaren Loop-Station Songs von „Castle on the Hill“ bis „Bloodstream“ spielte, als würde diese neue Event-Erscheinung das klassische Sheeran-Spektakel entkräften. Ed Sheeran wirkte plötzlich viel mehr als je zuvor wie ein ganz normaler Show-Superstar.

    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion.
    Ed Sheeran bei einem seiner drei Konzerte im Münchner Olympiastadion. Foto: Tom Rider

    Aber mal aus Zufall, aber doch symptomatisch den ersten Abend genommen: Ausgerechnet als er zum Event-Finale ansetzte und nach dem eher herkömmlichen Dance-Stückchen „Bad Habbits“ als letzte Zugabe das in Rap ausartende „You Need Me, I Don’t Need You“ dröhnen ließ, zollte da nämlich die Technik den Folgen eines mitten in der Show einsetzenden Wolkenbruchs Tribut – und setzte aus.

    Statt aber danach ein anderes, zusätzliches Ende zu servieren, wie es als der vorherige Solo-Ed ohne Event-Brimborium ohne Weiteres möglich gewesen – warum etwa nicht mit dem sonst ungespielten Soundtrack-Hit „I See Fire“? – setzte dieser (ehemalige?) Superstar des Unmittelbaren schlicht das Event-Dröhnen fort. Steuerte in dem neuen Event-Setting ja alles auf das finale Feuerwerk zu … Ein Omen? Wäre eigentlich schade. Aber würde passen zu diesem neuen Ed Sheeran. Der sich eben im Kontrast auf neuen Wegen zeigte. Mächtigeren. Aber nicht unbedingt besseren.

    Vom Märchen bleiben nostalgische Reste. Denn es hat Einzug gehalten: die Show-Normalität.

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