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Foto: Karl-josef Hildenbrand
Foto: Karl-josef Hildenbrand

Igor Levit bei seinem Auftritt in Bad Wörishofen, beim "Festival der Nationen".

Konzert
24.09.2023

Intellekt und Delikatesse des Igor Levit: "Festival der Nationen" feiert Auftakt

Von Rüdiger Heinze

Das "Festival der Nationen" in Bad Wörishofen ist eröffnet. Starpianist Igor Levit freute sich, dass sein Spiel mit der Camerata Salzburg "funktioniert hat".

Auch wenn die Lokalpolitik Bad Wörishofens derzeit von der einen oder anderen Dissonanz begleitet wird, weil es schwer danach aussieht, dass mehr als nur der eine oder andere im Rathaus die Beine in die Hand genommen hat: Das diesjährige "Festival der Nationen" begann in Harmonie; das flieht man nicht, dort geht man hin. Der Erste Bürgermeister, ein wenig unter Beobachtung stehend, begrüßte schön, freudig, erregt und stolz, worauf Bayerns Kunstminister Markus Blume erst einmal mit einer gekünstelten Rede amüsierte, um dann – eher beiläufig – ein Mitbringsel auszupacken.

Kunstminister Blume lässt die künstliche Intelligenz sprechen

Der Minister hatte nämlich die Idee, sich seine sozusagen ganz persönliche Ansprache von KI formulieren zu lassen, worauf KI, nicht faul, aber ziemlich hölzern, erstens im Namen des "Festivals der Nationen" erstaunlich weit ausholte, bis hin zum bayerischen Reinheitsgebot, und zweitens etwas schmeichelnd in Plattitüden und Phrasen verfiel, wie sie dem Hirnkastl jedes durchschnittlichen Politikers – oder seines Redenschreibers – entspringen würden, wenn er ein paar freundliche Worte an eine Gesellschaft zu richten hätte. Blume kommentierte selbst: "Klingt, als ob KI die Werbebroschüren Bad Wörishofens eingelesen hätte." 

Und er setzte noch eins drauf, indem er auch verlas, was KI antwortete auf seine Frage, ob das "Festival der Nationen" denn nun zu den Bayreuther und Salzburger Festspielen aufgeschlossen habe? Diesbezüglich lässt sich vermelden, dass die künstliche Intelligenz offenbar auch über eine diplomatische Intelligenz verfügt, indem sie feststellt: "Jedes Festival hat seinen eigenen Charakter, sein eigenes Flair." Dann packte Blume sein Gastgeschenk aus: erstmalig ein Zuschuss des Freistaats für das Festival. Höhe: 42.500 Euro. Applaus.

Igor Levit nimmt Augenkontakt zur Camerata Salzburg auf

So viel zu den gesammelten Präliminarien 2023 im Kursaal Wörishofens. Ach nein, zu ihnen zählte ja auch eine Programmänderung: Klavier statt Violine, Igor Levit statt der erkrankten Janine Jansen. Levit lag insofern auf der offenen Hand, als er durch seine Festivalverpflichtung zu Auftritten mit dem vbw-Festival(jugend)orchester und Beethovens fünftem Klavierkonzert sowieso im Allgäu probte und konzertierte (– und dazu noch Stammkünstler der Konzertagentur CCM des Festivalleiters Winfried Roch ist). War nur noch zumindest eine Verständigungsprobe zu organisieren, die dann mit dem Orchester Camerata Salzburg am Freitagvormittag über die Kursaalbühne ging. 

Auch wenn Mozarts Klavierkonzert KV 414 kein Werk für Sammler exotischer Schmetterlinge ist: Für die Umdisponierung und die dafür notwendigen musikalischen Absprachen gelang die Aufführung am Abend vorzüglich, was Igor Levit selbst vor seiner sinnierend gestalteten Zugabe von Brahms' A-Dur-Intermezzo in die Worte kleidete: "Ich freue mich, dass das so funktioniert hat." "Funktioniert" – das war natürlich ein bisschen tiefgestapelt bei einem Pianisten, zu dessen Vorzügen Intellekt und Delikatesse gehören. Das hatte er im Sommer in Salzburg mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim anhand Beethovens erstem Klavierkonzert gezeigt, das zeigte er nun auch anhand von Mozarts populärem Werk. Wobei er immer wieder gezielt den Augenkontakt aufnahm zu der 28-köpfigen Camerata Salzburg: mitgehend, bestätigend, animierend, auf dem Sprung. So atmete man gemeinsam. 

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Die Camerata Salzburg musiziert frisch, lebhaft, agil

Dass der Abend nicht der rechte Moment war, höchstes künstlerisches Risiko einzugehen – mit Ausnahme der Solo-Kadenzen – war klar. So kam es auf gemeinsamem Nenner zu einer klassischen, ebenmäßigen Wiedergabe bei kostbaren Momenten: wenn Igor Levit im ersten Satz mit dem Herzschlag eines um seine Wünsche Bangenden spielt, wenn er den zweiten Satz nach dem choralhaften Einstieg aussingt, wenn er im dritten Satz unbekümmert den Spieltrieb Mozarts, der sich seiner Originalität bewusst war, auslebt. Im Grunde ist KV 414 wie geschaffen für ein Mischpublikum. Mozart schrieb darüber an den Vater 1782: "die Concerten [KV 413 - 415] sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht – sind sehr Brillant – an=genehm in die Ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – dass die nicht=kenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum." Mozart, der Schelm.

Begonnen hatte der erste Festivalabend mit zwei frühen Haydn-Sinfonien, durch die das Publikum quasi der Entstehung der Gattung zuhören konnte. Barockes Konzertieren wirkt hier noch nach, gleichzeitig ertönt programmatische Lautmalerei. Die Camerata Salzburg mit Gregory Ahss als Konzertmeister musizierten gleichsam beredt, in den kurzen Finalsätzen gesteigert frisch, lebhaft, agil. Haydn wirkte.

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